Gäbe es ohne grüne MinisterInnen mehr Klimaschutz?

Gäbe es ohne grüne MinisterInnen mehr Klimaschutz?

1. April 2023 2 Von Uli Gierse

Foto KI

Im 30-Stunden-Koaltionsausschuss vom letzten Wochenende ist für den Klimaschutz weniger rausgekommen als im Koalitionsvertrag festgelegt wurde. Also ein Rückschritt?

Das lässt sich nicht unabhängig von Alternativen diskutieren. Die Frage heißt also, wäre in einer Jamaika-Koalition oder einer SPD-geführten GroKo mehr herausgekommen? In Berlin haben CDU/SPD jetzt ein 10 Milliarden Programm für Klimapolitik geplant – und das locker kreditfinanziert. Wäre das mit rotrotgrün auch möglich gewesen?

Doch zuerst einmal zurück zur Situation der Grünen in der Ampel. Die grünen Ministerinnen machen Fehler, aber unterm Strich schlagen sie sich bisher wacker. Die Energiewende scheint zu klappen.

Doch jetzt betrifft die Klimapolitik nicht nur zwei Stahlwerke oder zwei Chemieriesen, sondern rückt dem Normalbürger in seinem kleines Häuschen auf die Pelle.

Ab 2045 soll es gar keine fossile Energie- oder Wärmegewinnung mehr geben. Und da wäre es doch Schwachsinn 2024 noch eine neue Gas- oder Ölheizung zu kaufen. Das Gebot ab 2024 nur noch neue Heizungen mit mindestens 65% erneuerbaren Energien zuzulassen, ist daher konsequent. Doch da kommen bei vielen Ängste auf, sich die Umrüstung nicht leisten zu können.

Deshalb soll es eine Unterstützung für sozial Schwache geben. Scholz: “Wir lassen niemand allein”.

Doch ist ein Besitzer eines Einfamilienhauses oder einer Eigentumswohnung überhaupt sozial schwach? Gehört er vom Vermögen her gesehen, nicht zu den Reicheren? Ein schwieriges Abwägen, was SPD und FDP deshalb gern bei Robert Habeck ablegen. Deshalb ist der Erfolg in der Frage des Ersatzes für fossile Heizungen ab 2024 vielleicht nur ein Pyrrhussieg, der die Unzufriedenheit der Bürger gezielt auf die Grünen richtet.

Und für den identitären Teil der Anti-Klimapolitik-Träger in AfD und FDP ( die im aktuellen Politbarometer jeweils um 3% zulegen zulasten von SPD und Grünen) hat die FDP noch ein Türchen für Gasheizungen geöffnet: Gasheizungen mit „Wasserstoff ready“ sind auch noch erlaubt.

Könnte ja sein, dass 2045 in dem 511.000 Kilometer Gasleitungen statt Erdgas Wasserstoff, ready to go into the Gasheizung, zischt. Könnte sein, könnte aber auch nicht sein, weil der Wasserstoff für Chemie, Stahl und Glas Priorität hat. Doch darüber sollte der Staat sich, wenn es nach der FDP ginge, keine Gedanken machen, denn das regelt der Markt. Wahrscheinlich wird der Markt es richten, sprich Deutschland kauft Wasserstoff von den ehemaligen Ölscheichs und alle ärmere Ländern können sich Wasserstoff nicht leisten, müssen deshalb für ihre Industrie bei Erdöl oder Erdgas bleiben.    

Kurz, die Grünen sind die großen Verlierer bei diesem Gipfel. Einhellige Meinung in den Medien ist, dass das Bündnis Lindner/ Scholz sich in allen strittigen Punkten durchgesetzt hat und der schwarze Peter bei der sogenannten „Wärmewende“ bleibt bei Robert Habeck, der sich den Hass der Häuslebesitzer weiter zuziehen darf. 

Konsens war die Planungsbeschleunigung bei der Genehmigung von Windrädern, PV-Anlagen und der dem vereinfachten Ausgleich der dafür benötigten Naturflächen. Das stand auch schon im Koalitionsvertrag, mit Ausnahme des Ausgleichs für versiegelt Naturräume, von denen kann man sich jetzt freikaufen. Ob das ein Gewinn für den Naturschutz ist, wird man sehen.

Strittig waren im Verkehrsbereich:

  • die Beschleunigung des Autobahnausbaus in 144 Teilbereichen von ca. 1000 km, gar nicht zu reden vom kompletten Stopp des Baus neuer Autobahnen;
  • die Wiederherstellung und Ausbau der Bahn-Infrastruktur (Gleise, Brücken) – ( geschätzt 45 Milliarden, Ergebnis 20 Milliarden für die Bahn)
  • die Abrechnung nach Sektoren, insbesondere des Verkehrsbereich, der seine Ziele krass verfehlt.

In allen drei Punkten hat sich die FDP mit Unterstützung der SPD durchgesetzt.

Und über das Kindergrundsicherungsgesetz und seine Finanzierung wurde erst gar nicht geredet.

Meine naive Sicht auf das Verhandlungsergebnis ist, dass die Grünen sich als Weltmeister im Krötenschlucken bewährt haben, Habeck versucht das als besonders clever zu verkaufen, getreu dem Motto von 2017, die Klügsten geben nach, um Deutschland in der Krise zu retten.  Das war in den Jamaikaverhandlungen 2017 noch ein Erfolgsprinzip, denn das bürgerliche Spektrum hat aufmerksam feststellen können, dass Grüne kompromissbereit sein können. 2023 aber wird es zum Loser Prinzip, der die Klimaschutzbewegung in Resignation oder Radikalisierung treibt. War das Nachgeben 2017 noch pragmatisch und ermöglichte den Schulterschluss mit der Merkelunion gegen die FDP, ist es heute das Eingeständnis der Niederlage und der neuen Anti-Klimakoalition zwischen SPD und FDP gegen die Grünen.

Es stellt sich die Frage, wie sollen die Grünen aus dieser Position wieder rauskommen? Doch das ist eine parteitaktische Frage, was mich interessiert, ist die Frage, wie ist eine bessere Klimapolitik zu erreichen?

Man stelle sich mal vor, eine neue GroKo hätte dieses Paket ausgehandelt, was würde Robert Habeck als Oppositionsführer dazu sagen? Wie würde die Klimabewegung reagieren?

Ich glaube, eine GroKo hätte dieses Mist nicht vorstellen können, hätte sich vielleicht über die Erhöhung des CO²-Preises hinter dem Markt versteckt, die vier AKWs liefen weiter, aber es gäbe inzwischen ein Tempolimit und keine Beschleunigung des Autobahnausbaues.

Das kann man als naiv abstempeln, vielleicht ist es das auch, aber es war schon immer so, dass die härteren Maßnahmen von dem jeweils anderen politischen Lager durchgeführt werden können: Hartz IV von der SPD, Wehrpflichtabschaffung  und Atomausstieg von der Union.  

Und vielleicht ist es 2025 aus der Opposition ausnahmsweise mal leichter die Nr. 1 zu werden, da selbstverständlich auch die GroKo die Klimaziele nicht erreichen würde.