Gesellschaft versus Staat
Der alte Fuchs Bütikofer schreibt diesen Tweet nicht als Spruch des Tages, sondern verfolgt zum einen die Intention, die grünen Regierungsmitglieder aus der medialen Schusslinie nehmen., indem er den grünen Erfolg an gesellschaftliche Bewegung koppelt. Das Henne-Ei- Paradoxon wird zu Gunsten der Bewegung aufgelöst, Petra Kelly würde sich freuen.
Diese Operation kann jedoch nur erfolgreich sein, wenn gleichzeitig zugegeben wird, dass die Bundestagswahl für Bündnis 90/ Die Grünen eine Niederlage war und deshalb z.B. die Klimakrise von der Ampelkoalition nur teilweise angegangen werden kann. Diese Wahlauswertung wird jedoch noch gescheut, denn sie würde u.a. den Bundesvorstand mit Baerbock, Habeck, Kellner und Lang beschädigen. Nach den Fehlern von Annalena Baerbock wurde die Wahlstrategie geändert: statt auf Zugewinne aus dem Unionslager zu setzen, wurde die Sicherung der grünen Basis zum alleinigen Ziel. Die Merkelstimmen gingen dann zu Scholz.
Im Koalitionsvertrag waren Verbote von CO²- lastigen Energieverbrauch nicht durchsetzbar, selbst die Dieselsubventionen blieben ebenso aus wie eine Geschwindigkeitsbegrenzung auf Autobahnen. Da auch die Schuldenbremse wieder ab 2023 gelten soll, bleibt dem Klimaminister Habeck nichts anderes als die Wette bis 2030 80% der Energie aus regenerativen Quellen (Ökostrom) zu beziehen. Also in 2,5 Legislaturperioden. Das soll vor allem durch private Investitionen gelingen, getreu der marxistischen Weisheit: Aus dem scheuen Reh wird ein brünstiger Hirsch, wenn das Kapital Profit wittert. Und wenn das stimmen soll, dann sind konkurrierende Investionsobjekte wie Atomstrom oder Gaswerke natürlich kontraproduktiv.
Robert Habeck hat das Problem Regierungspolitik ohne gesellschaftliche Mehrheiten in seinem letzten Buch am Beispiel des Atomausstiegs ausgeführt: Der rotgrüne Atomausstieg der Regierung Schröder/Fischer im Jahr 2000 sei ein eher von der Exekutive vorangetriebener Beschluss gewesen, der aber noch keine gesellschaftliche Mehrheit hatte. Deshalb konnte dieser “Atomkonsens” von der Regierung Merkel/ Westerwelle 2010 wieder aufgehoben werden und die Laufzeit der AKWs verlängert werden. Erst der GAU im japanischen AKW Fukushima 2011 führte dann zur erneuten Änderung des Atomgesetzes. 2022 sollen die letzten deutschen AKWs vom Netz gehen. Dieser von einer breiten Mehrheit getragene Atomausstieg ist damit unumkehrbar wie auch die aktuelle deutsche Debatte über die “Klimavorzüge” von AKWs zeigt.
Bütikofers Intervention hat also eine Entlastungsfunktion,. Aktuell zum Beispiel in der Duldung des EU-Kommissionsvorschlags zur Aufnahme von Atomenergie und Gas in die Taxonomie für klimafreundliche und nachhaltige Investitionen. Man ist dagegen und das war es dann, denn Bewegung fehlt.
Aber vielleicht hat Bütikofer ein grundlegendes Dilemma ausgesprochen, welches vor allem in den alten wie neuen Medien nicht gesehen werden will.
Der Zusammenhang zwischen den sozialen Interessen der alten und neuen Klassen, dem System Politik und den Ein-Punkt Bewegungen wie Fridays for Future ist noch ziemlich unklar. Nach der Analyse des Soziologen Reckwitz hätten Grüne wie FDP als Repräsentanten der Neuen Mittelklassen noch mehr Stimmen bekommen müssen, ist aber nicht passiert. Warum nicht und wie konnte es dazu kommen, dass ein langweiliger Apparatschick wie Olaf Scholz die angebliche “Fortschrittssehnsucht” auf sich ziehen konnte, demnächst an diesem Ort.
Wer die Wahl der Delegierten für die nächste BDK der Grünen Ende Januar im
KV -Altona miterlebt hat( über die schriftlichen Kandidaturen ev noch nach vollziehbar) kann sehen, wie verdammt Recht ihr habt. Ich war der einzige, der Kritik an Wahlkampf und personeller Kontinuität im BuVo geäußert hat: 4 Stimmen. „ Diese Operation kann jedoch nur erfolgreich sein, wenn gleichzeitig zugegeben wird, dass die Bundestagswahl für Bündnis 90/ Die Grünen eine Niederlage war und deshalb z.B. die Klimakrise von der Ampelkoalition nur teilweise angegangen werden kann. Diese Wahlauswertung wird jedoch noch gescheut, denn sie würde u.a. den Bundesvorstand mit Baerbock, Habeck, Kellner und Lang beschädigen.“
Emanzipatorische Politik muss sich von den alten Mechanismen von Macht und Geheimnis lösen und durchschaubarer, transparenter werden, sonst kann sie gegen Populismus und autoritäre Versprechungen nicht gewinnen. Ich hab schon früher immer gesagt, man kann Koalitionen eingehen, aber man muss , was ist aussprechen und darf die Lage nicht schön reden.