Gibt es eine politische Physik genannt Geopolitik?

19. März 2022 0 Von Uli Gierse

Große Sonnen haben eine größere Anziehungskraft als kleine. Große Staaten sind mächtiger als kleine. Große Staaten haben Einflusszonen, in denn sie die Politik bestimmen.

Soweit ein populistisches Narrativ von denen die ihre Ruhe haben wollen und deshalb die Ukraine zur Aufgabe beschwatzen wollen. .

Diese Vorstellung teilten noch alle kriegführenden Parteien der Alliierten im Zweiten Weltkrieg und dem darauf folgenden Kalten Krieg. Im Abkommen von Jalta wurde Europa in Einflusszonen der Großmächte ohne das zu besiegende Deutschland eingeteilt.

Das imperiale Zeitalter sei vorüber, war dann die Vorstellung nach dem Zusammenbruch des Sowjetsystems 1990. Es war sogar vom „Ende der Geschichte“ die Rede. Die Welt kannte nur noch eine Supermacht, die USA.

Der Westen schien damals dazu in der Lager, der Welt eine regelgeleitete Ordnung, die auf Völkerrecht und auf Verträgen beruhte, aufzwingen zu können. Verkauft wurde das immer als Win-Win-Situation, die durch die Globalisierung der Güterwelt nur Gewinner kannte. Sozialdemokratisch hieß das auch „Wandel durch Annäherung“, profaner: Wandel durch Handel.

Man glaubte, dass Wirtschaftsbeziehungen, wirtschaftliche Abhängigkeiten durch Vertflechtungen, Garanten für Frieden sein könnten. Das wurde natürlich von den Lobbyisten der Industrie lautstark begrüßt. Wer möchte nicht Friedensfürst und reich sein?

Dieser Traum ist nun aus!

Putin und Co. werfen alle beschworenen Werte über Bord und drohen gar mit dem Nuklearkrieg, sollte sich der Westen nicht aus der von Russland definierten Einflusszone raushalten.

Wenn Russland diesen Krieg in der Ukraine gewinnt, dann sollte man auch nicht glauben, nach einer gewissen Schamfrist sei Business as usual wieder möglich.

Herfried Münkler [1]hat Recht: „Die Europäer (…)  sollten nicht so viel über die Welt nachdenken, das ist für sie, ich würde mal sagen, intellektuell und strategisch eine Nummer zu groß. Sie müssen sich auf ihre unmittelbare Umgebung konzentrieren – unter der Voraussetzung freilich, dass die Welt eine aufgeteilte ist, im Augenblick zwischen drei großen Akteuren: China, Russland und den USA – und die Europäer darin so gut wie keine Rolle spielen.“

Ja, es gibt eine Zeitenwende, ein Ende der regelbasierten Ordnung, und wahrscheinlich ein Ende der Globalisierung. Tendenziell werden wir uns wieder selbstversorgen müssen, mit Energie, mit Halbleitern, mit Nahrungsmitteln.

Wir befinden uns nicht (mehr) in einer wertegeleiteten Weltordnung. Die Welt besteht wieder aus klaren Einflusszonen. Doch das ist nicht gut, sondern schlecht. Auch für Deutschland als Mittelmacht. In unserem Interesse liegt es daher nicht, die Einteilung in Einflusszonen zu respektieren, sondern wir müssen Interesse an einer multipolaren Welt haben und entsprechende Bündnisse schließen.

Und dazu gehört auch, dass man kleinere Staaten wie die Ukraine, die von imperialistischen Russland überfallen wurde, unterstützt.

Das ist nicht eine Frage der Moral, sondern unserer eigenen Interessen. In der Auseinandersetzung mit einem aggressiven Staat ist es unser Interesse, imperialistische Bestrebungen zu bekämpfen.

Deshalb muss man leider auch wieder aufrüsten. Denn wir müssen in der Lage sein, Imperialisten entschlossen entgegen treten können.

Die Alternative wäre UNTERWERFUNG. Man müsste dann in Moskau nachfragen, ob man Windräder aufstellen darf etc.

Also, es gibt kein Naturgesetz von politischen Einflusszonen, sondern auch Geopolitik wird von Menschen gemacht und kann durch Menschen verändert werden. In die NATO kann man freiwillig ein- oder  austreten, in die Einflusszone Moskaus wird man gezwungen.


[1] Am 25.2. im Deutschlandfunk Kultur