Hat der Ukraine-Krieg die Dividende der Globalisierung pulverisiert?

5. April 2022 2 Von Thomas Ertl

von Thomas Ertl

Viele renommierte Ökonomen sind ganz plötzlich von der Erkenntnis überrascht, dass die Hyper-Globalisierung mit dem Ukraine-Krieg ihr Ende gefunden hat[1]. So schätzt es Gabriel Felbermayr[2], der ehemalige Chef des Kieler Instituts für Weltwirtschaft (IfW), ein. Das ist möglicherweise – oder sogar wahrscheinlich – keine überragende Gedankenleistung. 20 Tage vor der russischen Invasion hat Felbermayr in einer öffentlichen Videokonferenz der OECD[3] folgendes von sich gegeben und damit auf die Auswirkungen der Corona-Pandemie angespielt:

„Der Welthandel sieht nicht so aus, als sei er in der Krise …“ „Der Welthandel ist stark zurückgekommen, wir liegen aktuell acht Prozent über dem Vorkrisenniveau. Das heißt, eine Krise lässt sich eigentlich nicht erkennen.“[4] 

Weiter führt der Ökonom aus, dass er sich wegen der Auseinandersetzung um die Ukraine sorgt: „Die geopolitischen Risiken machen mir Sorgen.“ Immerhin!

Im Jahr 2019 vor der Pandemie und der Abwahl Trumps sorgte sich Felbermayr hauptsächlich um den Konflikt USA vs. China, die Zollstreitigkeiten und das Fortbestehen der WTO[5]. Als Empfehlung für die deutsche Exportwirtschaft als Reaktion auf Zoll-Erhöhungen gab Felbermayr folgende:

„Klar, die Exportwirtschaft muss reagieren. Das derzeitige deutsche Exportmodell ist riskant, wenn es neue Zölle gibt. Wenn die Zollkonflikte eskalieren, führt kein Weg daran vorbei, Kapazitäten im Inland abzubauen und vermehrt Produktion hinter die Zollmauern zu verlagern – also stärker dort zu produzieren, wo Zölle erhoben werden. Anders kann man sich gegen Zollrisiken nicht schützen.“[6]

Die Gewerkschaften würden hier nicht applaudieren und aus heutiger Sicht ist die Export-Orientierung wohl ähnlich zu bewerten wie die Rohstoff-Import-Abhängigkeit. Es sind zwei fatale Abhängigkeiten mit hoher autokratischer Beteiligung. Die Empfehlung Felbermayrs bezüglich einer Produktionsverlagerung lässt die Verkürzung auf Interessen multinationaler Konzerne erkennen. Was ist der Benefit für die deutsche Bevölkerung, wenn die Produktionen Deutschland verlassen? 

Innerhalb der EU leben immer noch knapp 450 Mio. Menschen und mit UK, der Schweiz und anderen Demokratien sind es weit über 500 Mio. Mit der Ukraine und anderen EU-Anwärtern wären es schon annähernd 600 Mio. Könnte dieser „Binnenmarkt“ nicht auch ausreichen, um die Interessen nicht nur dieser Unternehmen, sondern auch der Europäer insgesamt zu sichern. Jeder Deal darüber hinaus, z.B. auch mit den USA, könnte auf dieser Basis erfolgen, also mit Vorsicht und dem Vertrauen in den eigenen Binnenmarkt. Die Abhängigkeit von fossilen Rohstoffen und die Abhängigkeit vom chinesischem und vielleicht zukünftig indischen Markt kann nicht im Interesse der Europäer sein. Die Misere um die fehlenden Masken während der Pandemie war nur ein leises Signal zum Aufwachen, ebenso die Knappheit an Kopfschmerztabletten, was nicht nur an der Verzweiflung über deutsche und EU-Politik lag. Die Hyper-Globalisierung bezieht sich auf den Erfolg der WTO als Beseitigerin aller Handelshemmnisse. Der Welthandelsboom begann nach 1990 und endete mit dem Finanz-Crash 2008/2009.

Die Entwicklung nach dem exportierten Finanzcrash der USA hat die Finanzinvestoren eingebremst und damit eben auch den Kapital-Flow in die Schwellenländer. Das hatte den Handel infiziert und gerade China hatte gerade noch so viel volkswirtschaftliche Energie, um zumindest global einiges aufzufangen. Nur die Perspektiven waren auch für Chinas Export nicht mehr so rosig, so dass die Hinwendung zum eigenen (Binnen)Markt unausbleiblich wurde.

Chinas Aufstieg zur ökonomischen Weltmacht

Die Chinesen selbst konsumieren seitdem deutlich mehr eigene Leistungen. Der Dienstleistungssektor nahm den Lauf der westlichen Volkwirtschaften. Letztlich hatten die in USD angelegten chinesischen Ersparnisse auch mit zur Dollar-Überflutung in den USA geführt und die Neigung zum Hasardieren deutlich gepusht.

Abbildung 2 macht Stagnation im Industrie-Sektor, die Produktivitätsentwicklung in der Landwirtschaft und die Strukturänderung durch den Dienstleistungssektor sichtbar. Mit dieser Entwicklung war nach etlichen Jahren überragender Wachstumsraten in China zu rechnen. Warum sollten die Chinesen für das Ausland und die eigene Askese fertigen.

Die Globalisierung ist auch deshalb immer mehr an Grenzen geraten, da chinesische Branchen zunehmend zur Konkurrenz des Westens wurden. Auch deshalb hatte Trump den Zollkrieg erklärt und Chinesische Unternehmen wie TikTok und Huawei in den USA behindert.  Der Westen hatte lange zugeschaut, wie das große Reich westliche Technologien aufsaugte, mit den nationalen unschlagbaren Lohnstückkosten kreuzte und damit die Industrien der Erfinderländer zersetzte. Wenn das nicht so funktionierte wurde qua staatlicher Subvention bis hin zur Miet-Entlastung nachgeholfen. Makroökonomisch wurde auch noch der chinesische Yuan (Renminbi) kleingehalten, um den Export durchzusetzen.

Die Systematik wurde zudem durch die neue Seidenstraße bis hin nach Duisburg ergänzt. Da sich China bereits im Jahr 2001 als BRIC mit Russland, Indien und Brasilien zusammengetan hatte und 2010 noch Südafrika hinzukam, war die Hegemonie der USA gebrochen, lange vor dem Finanzcrash. Die Gründung der Entwicklungsbank AIIB im Jahr 2015 besiegelte das Ende der WTO und das Ende der US-Hegemonie, denn unter chinesischer Führung befinden sich auch 14 EU-Staaten wie Deutschland (Gründungsmitglied!), Frankreich, Italien, …

Die Asian Infrastructure Investment Bank (AIIB) mit Hauptsitz in Peking umfasst 57 Gründungsländer und ist als Gegenposition zur US-dominierten Weltbank anzusehen. Die Volksrepublik, zweitgrößte Wirtschaftsmacht der Welt, wurde mit 26 Prozent größter Anteilseigner an dem Institut mit Vetorecht.

Spätesten an diesem Punkt wurde dem Westen klar, dass ökonomisch nicht mehr viel ohne China und Asien geht. Der Top-Ökonom und 71. Finanzminister der USA, Lawrence Summers, kommentierte wie folge:

“We’re contemplating a major institution in which the United States has no role, that the United States made substantial efforts to stop — and failed.”[7]

Summers sah das Ende der US-Hegemonie gekommen, was in folgenden Abbildungen deutlich wird.

Die globale Neuvermessung

Mit der Gründung der EU entstand neben der USA ein neuer wirtschaftlich starker Block mit besonderen europäischen Interessen. Nicht zuletzt Trump hatte durch seine Attacken auf die EU die unterschiedlichen Interessen herausgestellt. Daran ändert auch der aktuelle und zusammen-schweißende Ukraine-Konflikt nicht viel. Es sind vor allem die Konflikte im Nahen Osten, in denen die USA oft unabgesprochen eigene Ziele verfolg(t)en. Mal waren es Interessen am Öl, mal Machtdemonstration gegen Terroristen und den unterstützenden Staaten wie den Irak, Iran etc. Afghanistan hat den Widersinn dieser Aktionen besonders verdeutlicht.

Es sind vor allem die EU, die Türkei und nicht betroffene Staaten im Nahen Osten, die sich daraufhin mit den Flüchtlingsbewegungen auseinandersetzen müssen und viel an volkswirtschaftlicher Substanz in die Waagschale legen müssen, um damit fertig zu werden. In diesem Szenario konnte sich Putin’s Russland quasi im Windschatten militärisch in Pose setzen und mit Aleppo weitere Horror-Sequenzen liefern. Der Protest hielt sich in Grenzen, insbesondere durch das Interesse gegen den gemeinsamen Feind, dem „IS-Staat“, der erst durch das von den USA geschaffene Machtvakuum im Irak möglich wurde.

Diese teilweise unübersichtlichen Gemengelagen haben die Globalisierung unterlaufen. Mit den USA, China und Russland und Indien sind drei bis vier Atommächte auf dem Spielfeld, wo für Europa nicht mehr viel Platz ist. Allein die NATO muss es für Europa richten, was letztlich auf die USA hinausläuft. Ökonomisch stehen die Blöcke USA, China und die EU in den Startlöchern. Dazu gesellen sich noch das partiell westlich orientierte Japan als drittgrößte globale Volkswirtschaft und Indien mit dem größten Wachstumspotenzial, das sich als BRICS-Mitglied nicht vom Westen vereinnahmen lässt.

Das von Felbermayr analysierte Ende der (Hyper)Globalisierung ist längst Geschichte. Der Ukraine-Konflikt ploppt in einer anderen Erscheinung auf. Es sind die militärischen Blöcke gefragt. Das Versagen des Westens in der Transformationsphase der UdSSR und danach lässt den Eisernen Vorhang wieder hochziehen. Was war das für eine Chance[8], als Russland die Hand nach Hilfen ausstreckte und am Ende nur kleptomanische Oligarchen plus Putin-Apparat übrig blieben. Die Chancen wurden zwischen den Invasionen Tschetscheniens und Georgiens vertan. In dieser Phase mutierte Putin zum Anti-Westler und höhlte die demokratischen Rechte aus. Auch das ist auch ein Ergebnis hegemonialer US-Politik. Die Torheiten wie Nordstream2 von Schröder und auch Merkel beschreiben nur die Naivität, mit Wandel durch Handel das reparieren zu wollen, was vorher irreparabel an die Wand gefahren wurde.

Zu diesen Fragestellungen hätte der Westen mehr auf politische Wissenschaftler hören sollen. Aus dem Spektrum der (Neo)Realisten[9] gab es genug Warnungen. Carlo Masala hat im Gegensatz zu Felbermayr die Problematik ökonomischer Instabilität durch Verblockung als Ursache ausgemacht und nicht als Folge.[10] Der Politologe denkt den aktuelle Globalisierungs-Rückgang als ein Ergebnis der Verblockung und argumentiert politisch mit ökonomischen Phänomenen wie den Bedeutungsverfall von IWF und Weltbank und der Entstehung von BRICS.[11] Dabei entlarvt Masala auch die Doppel-Moral des Westens bezüglich despotischer Staaten; vor allem die sanfte Behandlung von Diktaturen, wenn es um relevante Rohstoffe geht. Und da fällt uns doch auch wieder Russland ein, das ohne große Gegenwehr des Westens die Krim annektieren konnte.[12]

Auch wenn Masala etwas sehr optimistisch einen Weltkrieg ausschließt, so gibt er doch Hinweise auf die Gefahren, die auch mit 25 Millionen ethnischen Russen in den Randstaaten zu tun haben:

„Denn er (der Nationalismus; Autor) gibt der russischen Staatsführung den notwendigen innenpolitischen Rückhalt, um gegebenfalls militärisch in Nachbarstaaten zu intervenieren (Georgien 2008, Ukraine 2014) oder diesen mit militärischen Maßnahmen zu drohen, …“

Das sind Folgen der Verblockung. Die „heimliche“ Unterstützung durch die anderen BRICS-Staaten zur UN-Resolution bezeugt den Riss der Weltordnung, wenn es sie denn je gegeben hat. Die andere Militärmacht China sieht sich auch in potenziellen Konflikten mit dem Westen. Es ist einerseits das Nicht-UN-Mitglied Taiwan, dass von China als eigen angesehen wird und aktuell noch brisanter das Südchinesische Meer. Dort schwelt der Konflikt um die Wirtschaftszonen, die China in den 1940er Jahren selbst gezeichnet hat und durch einen mit einer China-Fahne bestückten Archipel-Felsen legitimieren will.

„Nirgendwo auf der Welt konzentriert sich so viel militärische Feuerkraft:
Chinesische Kriegsschiffe, amerikanische Flugzeugträger, philippinische Zerstörer, vietnamesische Fregatten, ungezählte Kampfjets – dazu hunderte Fischerboote, die sich ihr Recht auf einen guten Fang ertrotzen wollen.“ (Holger Senzel und Steffen Wurzel)[13]

Es geht auch hier um Rohstoffe wie Öl und Gas im Meer, um Fischgründe und auch um die Verbindung zwischen den Ozeanen. Ein Drittel des Welthandels passiert diese Region.

Es muss ein Autonomie-Index entwickelt werden

Die USA sind nicht mehr Hegemon, sondern nur noch Teil-Hegemon auf Bewährung. Bei einer Widerwahl Trumps wäre es womöglich zum totalen Bruch mit Europa gekommen. Das entspricht auch dem Wunschdenken von Russland und China, wahrscheinlich aller BRICS-Staaten. Russlands Verstrickungen in den US-Wahlkämpfen und auch in den Brexit-Kampagnen sind nicht frei erfunden.[14] Die USA sind zwar ein reiches Land, aber hoch verschuldet und bezogen auf Ressourcen nicht vollständig autonom. Als Import-Land könnte ein Paradigmenwechsel nicht nur den Binnenmarkt stärken, sondern auch die Export-Industrie. Dazu müsste der USD abgewertet werden und die damit noch höheren Auslandsschulden geschultert werden. Das wäre der Preis für die letzten Jahrzehnte als Globalisierungs-Profiteur.

Für Europa kommt es nicht besser, besonders für Deutschland. Die Vorzeichen sind andersrum, denn Deutschland ist Exportweltmeister. Das braucht viel Ressourcen und ausländische Märkte. Die Rohstoffabhängigkeit gegenüber Russland und die Markt-Abhängigkeit gegenüber China beschreibt das vermeintliche Dilemma und eine Teil-Lösung. Die Exporte nach China müssen reduziert werden. Es sollte – wie im Stabilitätsgesetz von 1967 festgelegt – das Außenhandelsgleichgewicht hergestellt werden. Ein Handel mit autokratischen Staaten sollte nur in gegenseitiger Abhängigkeit erfolgen, ähnlich einer militärischen Abschreckung, wenn es keine Substitutions-Optionen gibt. Dazu sollte ein Bewertungssystem installiert werden, dass in Form eines Index die Bandbreite des bilateralen Handels mit solchen Staaten hinterlegt. Dazu können auch die üblichen Indices wie zur Demokratie, Korruption, GINI etc. mit einfließen. Der „Ease of Doing Business Index“(Weltbank) ist gottseidank Geschichte.[15]

Das wäre auch ein Besinnen auf die nationale bzw. europäische Wirtschaftskraft. Das bedeutet auch ein Zurückfahren der Macht multinationaler Konzerne incl. Finanzindustrie. In der aktuellen Welt tanzen diese Unternehmen den Staaten auf der Nase herum. Die Internetkonzerne beherrschen die digitale Infrastruktur und Information. Die Finanzkonzerne streuen das Kapital ungeachtet politischer Risiken in die optimale Verwertung. Und die Konten aus Gewinnübertragungen finden wir auf den steuervermeidenden karibischen Inseln, Panama, Malta, Zypern, … und dem US-Bundesstaat Delaware.

Bei drohendem Zahlungsausfall sollen IWF und Steuerzahler, also immer Steuerzahler, für den Schaden aufkommen. Die wirtschaftlichen Folgen des Ukraine-Kriegs tragen auch die Steuerzahler.  Billiges Gas und Öl werden nun aber der Vergangenheit angehören und Europäer müssen sich temporär auf weniger Wohlstand einstellen. Angesichts der ukrainischen Leiden ist das nicht viel.

Zum Abschluss kommt noch einmal Felbermayr zu Wort:

„Wir müssen den Märkten misstrauen.“ Relativierender Nachsatz: „Aber wir müssen auch den Bürokratien und den staatlichen Organisationen misstrauen.“[16] 

Das kann fast so stehenbleiben. Er sollte aber den politischen Horizont vergrößern. Die Globalisierungs-Dividende ging größtenteils in die Taschen der Unternehmen, aber auch in die Taschen der Konsumenten. Der Preis war/ist wachsender Autonomie-Verlust. Jetzt wird monetär abgerechnet. Felbermayr kritisierte im österreichischen Kurier nicht nur die Bereicherung einiger Weniger: “Hier haben wenige Leute aus Energiewirtschaft und Politik in Deutschland die falsche Entscheidung getroffen, sich derart von Russland abhängig zu machen”.[17]

Die Globalisierung hat die Richtung verändert

Anders urteilt die amerikanische Finanzministerin Yellen zur Globalisierung:

“Diese Verbindung hat den USA und vielen anderen Ländern auf der Welt Gewinne gebracht”.

Und das ist genau das Problem der aktuellen (Un)Ordnung: Die USA wollen die Fehler der letzten Jahrzehnte im Umgang mit Schwellen- und Entwicklungsländern und der eigenen Bevölkerung nicht eingestehen. Dass der Handel auf Augenhöhe funktioniert und Vorteile für alle Beteiligten bringt, zeigt ein Rückblick auf die Zeit vor der Hyper-Globalisierung. Da haben die Industriestaaten untereinander gehandelt und produktionstechnische Größenvorteile einsetzen können. Diese Economies of Scale wurden durch Verlegung in „Billig-Länder“ ersetzt, weil noch mehr „verdient“ werden konnte. Immer mehr Unternehmen bzw. Produktionen wanderten nach Asien und Latein-Amerika ab. Frau Yellen sollte sich nach dem Preis für den Abgang US-amerikanischer Unternehmen aus den Fly-Over-States erkundigen. Die zurückgelassenen Arbeitnehmer bilden heute das Rückgrat für die radikalisierten Trump-Fans.

Ist es das wert gewesen, eine gespaltene Gesellschaft auf dem Boden der Globalisierung entstehen zu lassen? Dieser Schaden wird Generationen beschäftigen. Das ist die Dividende der USA. Abbildung 4 zeigt einen aus Sicht der USA desaströsen Vergleich mit den anderen starken Handelsnationen.

Auch die Direktinvestitionen sind folgerichtig mehr und mehr in die USA gegangen, während in der Zeit vor der Hyper-Globalisierung noch die USA das Land mit den größten Initiativen im Ausland waren. Es findet auch ein schleichender Ausverkauf US-amerikanischer Unternehmen statt.

Neben klassischen Auslands-Investitionen[18] (FDI: Foreign Direct Investment) kam/kommt es immer mehr zum Aufkauf und nennenswerter Beteiligungen an US-Firmen durch chinesische Konzerne wie Wanda, HNA etc. Zwischen Januar 2005 und Juni 2018 flossen über 170 Mrd. USD.[19] chinesischer Sparvermögen und Währungsreserven in Unternehmen, Immobilien etc. der USA. Zwischen 2014 und 2017 kaufte China in den USA Unternehmen für ca. 120 Mrd. USD ein. Erst im Jahr 2016 nach der Wahl Trumps hatte sich das Investitionsklima für China erheblich verschlechtert.

Der Austausch befindet sich insgesamt auf dem Niveau von 1996 und ist damit ein sicheres Symptom für eine De-Globalisierung. Dazu hat es nicht der Ukraine bedurft. Dieser Konflikt ist zwar auch nicht von den tektonischen Verschiebungen der letzten Jahrzehnte zu trennen, aber gleichsam auch ein Relikt des „kalten Krieges“. Schon die Misere der Gas-Lieferungen macht deutlich, dass nichts voneinander unabhängig beurteilt werden kann: China kauft seit Ende 2021 über einen langfristigen Vertrag[20] LNG-Gas in den USA ein und verkauft ein Teil davon mit Aufschlag an Europa, dass am Tropf der russischen Gasleitungen hängt[21]. Es ist das China, dass die USA so vehement bekämpft. Wo ist die Trennlinie der Blöcke? Die USA könnten es in Zukunft nach Europa verschiffen und China kauft das Gas bei Putin. So wäre zumindest den Block-Interessen genüge getan. Alles wird aufgrund der Distanzen noch viel teurer, oder? Es ist ein Reset oder „gehen Sie zurück auf Los“ in das Jahr 1989.


[1] https://kurier.at/amp/wirtschaft/felbermayr-ukraine-krieg-beendet-glorreiche-jahre-der-globalisierung/401957701

[2] Der gebürtige Österreicher leitet seit Oktober 2021 das Österreichischen Instituts für Wirtschaftsforschung (WIFO) und ist Experte für Internationale Ökonomie und gilt als echtes „Schwergewicht“ auf diesem Gebiet

[3] Organisation for Economic Co-operation and Development

[4] https://www.diepresse.com/6094979/wifo-chef-felbermayr-welthandel-ist-nicht-in-der-krise

[5] World Trade Organisation:  1995 aus der in 1947 entstanden GATT (General Agreement on Tariffs and Trade)

[6] https://amp2.wiwo.de/politik/ausland/ifw-praesident-felbermayr-der-machtkampf-zwischen-den-usa-und-china-dauert-mindestens-20-jahre/24852826.html

[7] http://larrysummers.com/2015/04/17/aiib-we-have-lost-influence/

[8] Es bleibt spekulativ, ob Putin sich wirklich gewandelt hat. Die Legitimation durch arrogante und antirussische Haltungen des Westens wurde frei Haus geliefert. 

[9] Die Realisten verstehen sich als Gegenpol zu Liberalen im Sinne kantianischer Ideen einer Weltfriedensordnung. Die Realisten setzen auf militärisches Gleichgewicht und Abschreckung, um Frieden zu sichern. Dieses Paradigma hat gerade Hochkonjunktur.

[10] Felbermayr in https://kurier.at/amp/wirtschaft/felbermayr-ukraine-krieg-beendet-glorreiche-jahre-der-globalisierung/401957701

[11] Masala, Carlos: Welt-Unordnung, S. 65ff; 2. Veränderte Auflage 2018, C.H.Beck-Verlag,

[12] Vielleicht hatte sich der Westen von Gabriele Krone-Schmalz beraten lassen, die noch heute behauptet, dass es sich um eine Sezession (Abspaltung) anstatt einer Annexion gehandelt hat und Putin nur die Bevölkerung gegen die ukrainische Regierung schützen musste. Das wäre völkerrechtlich irrelevant.

[13]https://www.deutschlandfunk.de/pekings-imperialismus-der-konflikt-im-suedchinesischen-meer-100.html

[14] https://www.nytimes.com/2017/11/15/world/europe/russia-brexit-twitter-facebook.html

[15] Dieser Index soll herausstellen, wo die Bedingungen für Unternehmensgründungen am besten sind. Der letzte Index mit nachvollziehbaren Werten ist von 2017. Prüfungen haben ergeben, dass die Zahlen nach 2017 manipuliert wurden. Ganz vorn dabei: China und Russland. Der Index wurde von der Weltbank eingestellt.

https://www.worldbank.org/en/news/statement/2021/09/16/world-bank-group-to-discontinue-doing-business-report

[16] https://www.diepresse.com/6094979/wifo-chef-felbermayr-welthandel-ist-nicht-in-der-krise

[17] https://kurier.at/wirtschaft/felbermayr-ukraine-krieg-beendet-glorreiche-jahre-der-globalisierung/401957701

[18] Darunter sind materiell neue Investitionen wie Fabriken zu verstehen. Auf der grünen Wiese sind dies „Greenfield-Investments“ wie bei TESLA in Brandenburg. Bei „Brownfield“ werden Brachen bzw. leere Gebäude genutzt. 

[19] https://www.finanzen.net/nachricht/aktien/chinas-us-investitionen-ausverkauf-in-den-usa-das-alles-gehoert-china-in-den-vereinigten-staaten-7025222

[20] https://www.wiwo.de/lng-us-gas-nach-china-statt-europa-laut-insider-strebt-china-mitten-in-der-gaskrise-milliardendeal-an/27708774.html

[21] https://table.media/china/news/china-verkauft-us-erdgas-an-europa-weiter/