Olaf Scholz ist nicht Willy Brandt
Mal ganz abgesehen von der körperlichen Zombiehaftigkeit von Scholz gegenüber der körperlich sinnlich, charismatischen Präsenz Brandts hat sich auch die historische Situation grundlegend geändert.
Die Strategie der “Wandel durch Annäherung” , 1963 von Egon Bahr entworfen, war der Versuch im Kalten Krieg humanitäre Verbesserungen für die Deutschen in der DDR zu ermöglichen und die Lage in Europa zu stabilisieren.
In den Jahren nach dem Mauerbau 1961 war die Sowjetunion vor allem daran interessiert den Status Quo in Europa zu befestigen, heute ist Putin und die Russische Föderation darauf aus, den eigenen Machtbereich in Europa auszudehnen und die ehemaligen Sowjetrepubliken, insbesondere die Ukraine, Belarus, Georgien und Armenien, wieder als eigene Einflusssphäre enger an Russland zu binden. Dabei schreckt Putin, er steht für die Oligarchenherrschaft in Russland, auch nicht vor der gewaltsamen Veränderung zurück. Das Annektieren der Krim und die Förderung von Bürgerkriegsszenarien in der Ostukraine, und Georgien zeigen das.
“Wandel durch Annäherung” heute ist daher lediglich eine Appeasementpolitik, die bereit ist die ehemaligen Sowjetrepubliken im Zweifelsfalle zu opfern.
Das fängt ja gut an! Ich stimme deiner Analyse zu und bin gespannt auf die Apparatschick -trifft- Apparatschick-Nummer. Die Schröder – Schwesig – Gazprom – Gang wird auch noch mitspielen. Eins ist für mich klar, Nord-Stream 2 wird nicht ans Netz gehen können, wenn die territoriale Integrität der Ukraine erneut in Frage gestellt wird. Andernfalls ist Finito mit der Ampel.
Klar ist Olaf Scholz nicht mit Willy Brandt zu vergleichen und kann auch lebensgeschichtlich, gegenüber Brandts vielschichtig interessanter Vita, hauptsächlich eine Parteikarriere im semiprovinziellen Hamburg ins Feld führen. Aber der wesentliche Unterschied in der Beziehung zu Russland, besteht sicherlich in den Verhältnissen dort. Die relativ statische alte Sowjetunion hat seit Ende der 80er Jahre unglaubliche Wandlungen in unterschiedliche Richtungen erfahren. Nach neoliberaler Phase und Stagnation unter Jelzin, hat unter Medwedew und Putin eine immer stärkere Rückbesinnung auf sowjetische Großmachtpolitik nach außen und regressiver Rückabwicklung demokratischer und kultureller Errungenschaften der Nach-Gorbatschow-Zeit im Innern stattgefunden. Neben der endgültigen Aneignung des ehemaligen Volksvermögens durch mehr oder minder mafieske Oligarchenstrukturen aus der alten Nomenklatura, ist ein Prozeß der inneren Formierung und der Herausbildung eines rechtsautoritären Staatsgebildes zu beobachten. Dabei dienen auch Homophobie, blanker Rassismus und das Schüren allerlei Ressentiments gegen alle bunteren Teile der eigenen Gesellschaft als probates Mittel. Dies liegt auch nicht nur an der ja verschiedentlich kritisierten Arroganz des Westens gegenüber Russland, sondern ist in verschiedenen postsozialistischen Gesellschaften zu beobachten, von denen ja die meisten sogar EU-Mitglieder sind. Die grundsätzliche Illiberalisierung der betroffenen Gesellschaften nach innen, geht einher mit einer Renaissance des Sündenbockes als wesentliches PR-Instrument der Außenpolitik. Hier treffen sich Russland, Polen und Ungarn bei derEntdeckung immer neuerer außenpolitischer Gefahren ( NATO, Deutschland, George Soros, Flüchtlinge), was sicherlich kein Zufall, wenn auch recht beliebig ist. Das postfaktische Momentum prägt auch hier viel populistisches Handeln. Insgesamt ist aber auf allen Seiten zu beobachten, dass das Geschehen sehr stark in Bewegung ist. Dies unterscheidet die Situation sehr grundsätzlich von den Zeiten der brandtschen Ostpolitik. Auch Willy hätte es heute schwer. Olaf Scholz hat durch die Ermangelung jeglichen Charismas, vielleicht sogar einen Vorteil. Außenpolitisch wird er sicherlich bei den östlichen europäischen Nachbarn, weniger als Konkurrent des eigenen zu illuminierenden Profils wahrgenommen, denn vielleicht als Makler innerhalb des europäischen Interessengeflechts in der Tradition Angela Merkels. Mit Russland verhält es sich grundsätzlich ganz anders. Russland versucht machtpolitisch das alte Instrument der Bipolarität mit der USA zu reanimieren (im Osten ergänzt durch den „neuen“ Player China) und dabei die Europäer an den Rand zu drängen. Russlands aktuelle Situation ist dabei aber prekärer, als eine oberflächliche Draufsicht suggeriert. Die Klimadebatte minimiert den zahlungskräftigen Teil des Marktes für die fossilen Exportprodukte Russlands auf fortschreitender Zeitleiste enorm. Bedenkt man, dass Russlands Bruttoinlandsprodukt sogar von Italien übertroffen wird, scheint der Machtanspruch vermessen und mittelfristig ökonomisch uneinlösbar. Die Gefahr von Kurzschlussaktionen steigt dadurch sicherlich. Grundsätzlich muss der Versuch unternommen werden, Russland einzubinden, allerdings sicherlich nicht auf Kosten des Selbstbestimmungsrechtes anderer Völker. Eine rekonstruierte Sicherheitsarchitektur mit konkreten aber sehr konditionierten ökonomischen Angeboten (Bedingun-gen wie Nichteinmischung, Demokratisierung, Ökologisierung etc.) zur notwendigen Transformation der russischen Wirtschaft, könnte vielleicht erfolgreich sein. Es muss nicht sein, dass der Apperatschik Olaf Scholz dabei von vornherein ohneEffekt bleiben muss. Schließlich verhandelt er ja mit seinesgleichen. Es käme auf einen Versuch an.