Putin im Kontext von BRICS und UN

28. März 2022 2 Von Thomas Ertl

von Thomas Ertl

Die UNO-Resolution gegen den russischen Einmarsch in die Ukraine fiel nicht gerade einhellig aus. 40 von 181 Staaten waren anderer Meinung.  25 afrikanische Staaten schlugen sich nicht auf die Seite der Initiatoren. Es sind dies:

  • Äthiopien, Guinea, Guinea-Bissau, Burkina Faso, Togo, Kamerun, Eswatini und Marokko nahmen nicht teil.
  • Algerien, Uganda, Burundi, die Zentralafrikanische Republik, Mali, Senegal, Äquatorialguinea, Kongo Brazzaville, Sudan, Südsudan, Madagaskar, Mosambik, Angola, Namibia, Simbabwe, Tansania und Südafrika enthielten sich.
  • Eritrea votierte mit Russland und den anderen Paria-Staaten Syrien, Nordkorea und Belarus gegen die Resolution.

Es sind einerseits Folgen sowjetischer Solidarität der 1980er Jahre mit den Befreiungsbewegungen in Angola, Mosambik etc. und besonders des ANC in Südafrika gegen Kolonialismus und Apartheid. Andererseits ist es ein Votum gegen die USA und die Industrieländer des Westens, die auch nach der De-Kolonialisierung weiter die afrikanischen Staaten exklusiv als günstige Ressourcen-Länder nutzten. Insbesondere hatte man es auf die metallischen Boden-Schätze abgesehen. Der Westen verstand unter Entwicklungshilfe eher neue Beschaffungsmärkte und die Gelder flossen nicht selten direkt in die Taschen korrupter Entscheidungsträger. Das geht soweit, dass kenianische Bürger den IWF aufforderten, keine Kredite in das Land zu pumpen, da diese eh nur versickern und die Schuldenlage nur verschlechtern,[1] ganz ähnlich wie bei den Hilfspakten in Russland während der Transformationsphase.

Das Votum ist aber nicht nur als Protest gegen diese Politik zu werten. Inzwischen unterhält Russland mit 19 afrikanischen Staaten wirtschaftliche und militärische Beziehungen und ist nicht nur Waffen-Lieferant. Militärische Berater, Bodyguards für Diktatoren und Ausbilder-Einheiten vertiefen die Kooperationen. Indirekt greift Russland mit der Söldner-Truppe “Wagner” in die Konflikte des Kontinents ein. Im Gegenzug erhält Russland Schürfrechte.

Auch hier hat der Westen die Chance vertan, diesen Staaten und Nationen effektiv zu helfen und partnerschaftlich an sich zu binden. Die Kolonial-Strukturen wurden genutzt, um eigene Geschäfte voranzubringen. Die Kinderarbeit in den Kobalt-Minen Kongos für unsere schmucken elektronischen Geräte und E-Autos sind nur die publikumswirksame Spitze des Eisbergs.

Der Einfluss Russlands ist allerdings gegenüber dem Chinas als gering einzuschätzen. China hatte bereits schon zu Maos Zeiten in den 1970er Jahren den Kontinent als nützlich identifiziert und infrastrukturelle Hilfen angeboten. Chinas Einfluss ist groß; über 300 Mrd. USD flossen zwischen 2005 und 2018 in den Kontinent. Chinas Horizont geht über das kurzfristige Geschäft des „Hot Moneys“ von Finanzinvestoren und Weltbank hinaus. Milliardenschwere Projekte wie die Erstellung von Schienennetzen waren längst eine bevorzugte Unterstützung[2]. Tansania wurde schon in den 1970er Jahren ausgeguckt. Im Gegensatz zu IWF/Weltbank wurden keine Annahme von Werten/Dogmen (Junktim) verlangt. Es mussten keine roten Fahnen geschwenkt werden. Da war China immer zurückhaltend, was ihnen weltweit bei den Nicht-Industriestaaten zu Gute kommt.

Staaten, die China die Kredite nicht zurückzahlen, geraten in Abhängigkeit und kompensieren mit Rohstoffen wie etwas Öl Angolas[3]. In 32 afrikanischen Staaten ist China der größte Gläubiger und die vom West beschworene Schuldenfalle ist nichts anderes als das, was vorher durch den Westen erfolgte. Die afrikanischen Staaten könnten bei Druck aus China wieder zum IWF zurückkehren. Dazu müsste dieser seine Strategie freilich ändern.

In diesem Zusammenhang muss auch das Wirken der USA thematisiert werden. Als großer Gewinner des zweiten Weltkriegs war die USA in der Lage, den anderen Nationen nicht nur den USD als Leitwährung aufzuzwingen, sondern auch globale Organisationen unter eigener Führung zu installieren. Diese Institutionen verunmöglichen es den anderen – und vor allem den noch nicht industrialisierten Nationen – einen nennenswerten Einfluss auszuüben. Es war ein neoliberales Programm zur Durchsetzung US-amerikanischer Interessen. Staaten, die Hilfen benötigten, um das globale US-Betriebssystem nicht zu stören, mussten sich dem Diktat des IWF beugen, der direkt aus Washington gebrieft wurde. Daher stammt auch der Begriff „Washington Consensus“: eine neoliberale Agenda.

IWF und Weltbank werden nicht demokratisch, sondern nach dem Prinzip „One Dollar, one Vote“ geführt. Die Machtverhältnisse waren/sind durch USA und andere Industrienationen zementiert.

Die WTO hingegen ist 1995 aus dem GATT (Gründung 1947) entstanden und folgt dem Motto „One Flag, one Vote“. China kam 2001 dazu und konnte schnell viele andere Staaten zu einer Opposition zusammenführen. In diesem Zusammenhang bildeten sich 2006 die BRICS-Staaten (Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika) als Gegenpol zu den etablierten Industriestaaten.  Seitdem haben die USA das Interesse verloren und Trump jammerte jahrelang über die unfaire WTO. Damit wurde auch das Feld für BRICS und vor allem China freigegeben. Russlands Rolle ist auch hier in erster Linie Rohstoff- und Rüstungslieferant. Indien ist dabei Großabnehmer von Waffen und Indien hatte bereits nach dem zweiten Weltkrieg einen Weg zwischen „Sozialismus und Kapitalismus“ verfolgt und war von daher an einer Zusammenarbeit mit der Sowjetunion interessiert. So ist das Votum der BRICS-Staaten, die immerhin über 40% der Weltbevölkerung stellen, nicht weiter erstaunlich.

Die USA stahlen sich aus dem Multilateralismus heraus und bemühten sich seitdem um bilaterale und/oder regionale Handelsabkommen. Die WTO ist nunmehr „tot“. Es hängt ursächlich mit dem imperialistischen Drang der West-Nationen zusammen, voran die USA.

Und unter den BRICS befinden sich militärische Schwergewichte: 3 Atommächte. Zwischen den Staaten Indien und China kommt es allerding auch immer wieder zu Reibereien um Grenzen (Ladakh-Gebirge).[4] Deshalb argwöhnt Indien mit der beabsichtigten Achse China-Russland. Aber Russland ist im Atom-Triumvirat eine ökonomisch schwache Nation. (Abbildung 2 zeigt den Abstand zu Indien/China).

Die Ukraine entwickelte sich nicht schlechter als Russland trotz der Drangsalierung im Osten. Der Rückgang im BIP während der Krim-Annexion ist evident, betrifft aber auch den Aggressor, der anschließend unter den Sanktionen durch den Westen leidet. Rumänien hat das BIP pro Kopf von ca.

Abbildung 2: BIP-Pro-Kopf-Entwicklungen BRICS, Ukraine und Rumänien. Quelle: Weltbank

1.750 USD in 1988 auf ca. 12.900 steigern können und hat Russland (10.126 USD) überholen können.[5]

Die Ukrainer sehen den Nachbarn Rumänien als Profiteur der EU und haben ebenso einen Blick auf die Stagnation des Besetzerlandes Russland. Das ist keine gute Werbung für den russischen Weg und zieht das Ukrainische Volk in die EU. Die baltischen Republiken stehen Rumänien in nichts nach und sind ebenfalls ein Modell zum Nachahmen.

Innerhalb der BRICS befindet sich Russland im Wachstums-Niveau von Brasilien und Südafrika, also den schwächelnden Schwellenländern.  Im Jahr 2013 war Russland noch an Indien dran, aber dann „musste“ Putin seinen Visionen folgend einen anderen Weg gehen, der möglicherweise auch innerhalb der anderen BRICs nicht wirklich gern gesehen wird, weil deren Wohlergehen darunter leiden werden.

Der afrikanische Kontinent bleibt ein Hindernis in der Isolierung Russlands und der Westen sollte endlich um Vergebung bitten und die Hilfe bereitstellen, die dem Kontinent wirklich hilft: Viel „Reparation“ mit Kontrolle der Zuflüsse.


[1] https://www.zeit.de/politik/ausland/2021-04/korruption-kenia-iwf-kredit-corona-hilfe-shitstorm

[2] https://internationalepolitik.de/de/das-ringen-um-afrika

[3] https://www.welthungerhilfe.de/welternaehrung/rubriken/entwicklungspolitik-agenda-2030/wie-hoch-sind-afrikas-schulden-bei-china/

[4] https://www.sueddeutsche.de/politik/indien-china-grenzkonflikt-1.5437638

[5] Das gilt nicht für die Kaufkraft in der eigenen Währung, sondern für Importgüter. Der Rubel ist latent unterbewertet und entfaltet im Inland eine relativ höhere Kaufkraft. Für die beliebten ausländischen Konsumgüter ist ein schwacher Rubel ein Nachteil. Jede Abwertung erzeugt import-induzierte Inflation.