Silvester völlig aus dem Häuschen

Silvester völlig aus dem Häuschen

7. Januar 2023 0 Von Uli Gierse

Eine Woche nach Silvester muss man feststellen: Die deutsche Gesellschaft findet Migranten offenbar gefährlicher als Reichsbürger.

Drei Beispiele:

Christopf de Vries, CDU-Bundestagsabgeordneter aus Hamburg:

Katja Adler, FDP-Bundestagsabgeordnete:

3. CSU- Landesgruppe im Bundestag:

Rechte Ideologen rufen dann in Richtung Staat immer wieder nach „härteren und schnelleren Strafen“, die CSU nennt das dann Rechtsstaatdebatte. Dabei ist der Rechtsstaat gar nicht das Problem, auf Polizistinnen, Krankenwagen oder Feuerwehr mit Pyrotechnik zu schießen ist verboten und strafbar. Es geht ihnen offensichtlich darum, den fremdenfeindliche Ressentiments zu mobilisieren. Das wird dem Gewaltproblem aber nicht gerecht. Es gibt nicht nur kollektive Gewaltexzesse in Stadtteilen mit hohem Migrationsanteil, sondern auch in Sachsen[1] oder in München beim Oktoberfest[2]. Und zweitens hat Gewalt immer einen spezifischen Entstehungsgrund, der genau analysiert gehört. Es ist offensichtlich ein gesellschaftliches Problem, egal ob in Sachsen oder in Neukölln. Und dafür gibt es die Gewaltforschung. Das ist jetzt nicht mein Thema, aber da wird genau hingeguckt wie sich solche Gewaltausbrüche situativ entwickeln und welche Ausgangsbedingungen dafür förderlich sind. [3]

Hier geht es mir darum, dass erstens immer wieder von interessierter Seite die Debatte angeheizt wird, wer ein guter Deutscher ist, bestimmen die privilegierten Stammbaum-Deutschen gern selbst. Wenn ein Deutscher mit Migrantionshintergrund sich daneben nimmt, dann ist er raus. So wird ein ständiges Misstrauen produziert, gerade auch bei den Kindern der „Gastarbeiter“- Generation, die aktiver Teil der deutschen Zivilgesellschaft sind. Beispiel: Carlo Masala, einer der beliebtesten und angesehensten Experten zum Ukrainekrieg, der als Reaktion auf die Forderung der CDU-Berlin, die Vornamen der Randalierer zu veröffentlichen, so reagierte:

Dabei ist es gar nicht so schwer, darüber zu reden, was Angetrunkene mit Feuerwerkskörpern bewaffnete Kids aus z.B. Neukölln dazu gebracht hat, kollektiv auszuflippen und Krankenwagen und Feuerwehr anzugreifen. Adi Kara, ein Berliner Sozialdemokrat bringt es auf den Punkt:

Der ganze Tweet: Adi Kara auf Twitter: „💥🧨💥🧨💥🧨💥🧨 Wir müssen über die #Silvesternacht in Berlin sprechen. Viel zu falsch sind die Lehren, die rechts und links jetzt vorschnell gezogen werden. Rassismus auf der einen Seite. Sprachlosigkeit auf der anderen. Ein Thread. 🧨💥🧨💥🧨💥🧨💥“ / Twitter

Was bleibt von dieser Debatte? Wir, die Zivilgesellschaft in Deutschland, haben weder den Mut noch den Durchhaltewillen uns ernsthaft mit den eigentlich so erwünschten Einwanderern auseinanderzusetzen. Das würde zuerst einmal heißen, sie ernst zu nehmen, als Person und als Nachbar.

Das Zusammenleben und der Zusammenhalt setzt ein Mindestmaß an Vertrauen und Akzeptanz von Spielregeln wie, dass wir Polizei, Krankenwagen und Feuerwehr brauchen und sie deshalb nicht bekämpfen. Wenn man allerdings ausgegrenzt wird aus der Community, dann braucht man sich auch nicht um deren Regeln zu kümmern. Es nutzt nichts die Spaltung der Gesellschaft zu beklagen und die Gemeinschaftshymne „You never walk alone…“ zu beschwören, wenn man nichts für die Knüpfung von gesellschaftlichem Miteinander materiell wie ideell tut, sondern wie z.B. ein Lokalpolitiker der SPD aus Frankfurt, der voll im Wahlkampfmodus, nach den Silvesterkrawallen gegen Migranten hetzt.  Sie sollten „zu Hause randalieren, „aber nicht bei uns“.[4] Und er stellt rassistisch fest:  Es handele sich um „Menschen ohne Gehirn“, die evolutionär gesehen „noch weit vor den Affen“ einzuordnen seien. So kommen wir jedenfalls nicht weiter, weder in Neukölln noch in Sachsen oder in München. Es ist kein Problem von Migration, sondern von mangelhafter Integration in die Zivilgesellschaft egal mit welchem Vornamen. Auch Otto und Gustav sind unter den Randalierern. Das können wir nur gemeinsam stemmen.


[1] In zahlreichen Kleinstädten und Dörfern Sachsens hat es in der Silvesternacht Schäden durch Pyrotechnik und Vandalismus gegeben. Das ergibt eine Analyse der Polizeiberichte der vergangenen Tage. https://saechsische.de/sachsen/randale-und-vandalismus-ueber-silvester-auch-in-sachsens-kleinstaedten-5803567-plus.html…

[2] Beim Oktoberfest gab es letztes Jahr übrigens an die 2000 Polizeieinsätze, Angriffe auf Beamte, Schlägereien mit Maßkrügen, sexuelle Übergriffe. Wir erinnern uns alle an die Diskussionen um die toxische Kultur der bayerischen Minderheit und ihrer jungen Männer. Starkbierverbot?

[3] Siehe Tweed von Prof. Menno Baumann Menno Baumann auf Twitter: „So, wie angekündigt ein Thread über #Gewalt gegen #Einsatzkräfte von #Feuerwehr, #Rettungsdienst & #Polizei unter dem besonderen Eindruck der #Silversternacht – aus Sicht der #Gewaltforschung. Es wird lang und komplex… 1/68 https://t.co/El0Vhr35g5“ / Twitter

[4] SPD-Politiker vergleicht Silvester-Randalierer mit Affen (Video) (berliner-zeitung.de)