Staatsverträge sind Blödsinn und mit Antisemiten unmöglich

28. Januar 2022 3 Von Uli Gierse

In einem Gastkommentar von Ulrike Becker (siehe Anhang), argumentiert sie gegen den Hamburger Staatsvertrag mit Ditib, der größten türkischen Islamorganisation und der Schura, der Dachorganisation Hamburger Islamvereine, weil diese teilweise von autoritären ausländischen Regierungen gesteuert würden. Ditib von der Türkei und das Islamische Zentrum (IZH) vom Iran.

Ich halte die Begründung  „Beeinflussung durch ausländische Staaten“ für unzureichend, auf dieser formalen Ebene argumentieren auch alle autoritäre Regime wie Russland, China, der Iran oder die Türkei, wenn es um NGOs oder Stiftungen geht.

Trotzdem teile ich das Ziel, diesen Staatsvertrag zu problematisieren und letztlich im Ergebnis so nicht wieder aufzulegen.

Doch dazu muss man ein paar Tabuthemen ansprechen.

  1. Dieser Staatsvertrag mit islamischen Dachorganisationen in Hamburg ist eine Alibiveranstaltung. Wenn man den eingewanderten Menschen schon keine wirkliche Teilhabe in Wahlen zubilligt, was ich richtig finden würde, versucht der Staat ihnen über Verbände – im Namen von Religion – einen Zugang zu gesellschaftlichen Pfründen (da, wo es um kulturelle und soziale Belange geht) offen zu halten. Diese typisch deutsche Tradition der Verteilung von Einfluss an sogenannte gesellschaftliche Gruppen steht in der Tradition der Machtverteilung in mittelalterlichen Städten, die über Zünfte mitregiert wurden. Das entspricht der deutschen Tradition des korporatistischen Staates, aber widerspricht meiner Meinung nach demokratisch liberalen Prinzipien des „One man – one vote“. Das Ergebnis ist, dass z.B. in Bayern an der Spitze des Kontrollorgans für den Öffentlich rechtlichen Rundfunk, dem Rundfunkrat ein katholischer Prälat steht, der sich massiv an der Vertuschung der Verbrechen wegen sexueller Gewalt beteiligt hat. Als Zukunftsmusik: der Rundfunkrat sollte von der Bevölkerung gewählt werden. Das Argument dadurch im Gespräch zu bleiben, verfängt ebenfalls nicht. Gespräche kann man auch unterhalb von Staatsverträgen jederzeit führen.
  • Die Tradition der Staatsverträge gründet sich auf die Verabredung des Staates mit der katholischen und evangelischen Kirche in Deutschland in den 50er Jahren. Das Ergebnis lässt sich sehen: Neben der Kirchensteuer werden die christlichen Kirchen mit 518 MillionenEuro jährlich unterstützt, damit werden u.a. Die Bischöfe bezahlt, Steuern werden auch von Muslimen gezahlt, und so scheint es schlüssig, sie auch an diesen Geldtransfers zu beteiligen. Doch was ist mit der Mehrheitsgesellschaft von Atheisten?
  • Was völlig beim Gerede über Respekt und Anerkennung untergeht ist die Frage, ob diese Praktiken zum Nutzen der freiheitlich demokratischen Grundordnung sind oder nicht? Hier muss das Thema „wehrhafte Demokratie“ diskutiert werden.

Die liberalen Demokratien stehen global wie national unter großem Druck. Global nimmt die Zustimmung oder zumindest die Zahl der autoritären Regime zu. China unterdrückt jede Form von Opposition und hat das „Zwei Systeme-Modell“ in Hongkong beerdigt. Dieses chinesische Modell der Ein-Parteien-Diktatur wird gar als Vorbild für andere Staaten angepriesen. Russland versucht das imperiale Modell der politischen Einflusssphären zu reaktivieren, und verfolgt Oppositionspolitiker gnadenlos. Die Mulahdiktatur im Iran fällt durch eine tödliche Rhetorik von Antisemitismus und der Drohung, Israel zu eliminieren, zusätzlich auf. Erdogan sucht seinen Machterhalt auch zunehmend in der Konstruktion äußerer und innerer Feinde, Aleviten und Kurden können davon ein Lied erzählen. Zudem pflegt die Türkei enge Beziehungen zu Islamisten in Syrien und dem Irak.

In den Ländern der EU gewinnen rechtspopulistische Parteien an Einfluss. In Frankreich droht immer mal wieder gar ein Sieg der Rechtsradikalen bei den Präsidentschaftswahlen. In den ostdeutschen Bundesländern ist die AfD ein starker innenpolitischer Fakt. Der AfD deren Vorsitzender (!) heute seinen Austritt erklärt hat, weil die Partei zu rechts sei, totalitäre Tendenzen habe.

Und die demokratische Mehrheitsgesellschaft guckt sich das ruhig an. Bevor ich zum IZH komme, ein anderes Beispiel: Wenn der Lehrer Höcke zurück in den Schuldienst möchte, kann ihm das kaum verwehrt werden, genauso wenig wir dem AfD-Politiker Jens Maier, der jetzt wieder Richter werden will. Staats- und Verfassungsfeinden wird offensichtlich in Deutschland gern der Dialogteppich ausgerollt. Von denselben Politikern, die sich am 27.1. mit einem #WeRemember Schild fotografieren lassen.

Die richtige We- Remember – Reaktion wäre mit Null-Toleranz gegen Rassismus, Antisemitismus (auch in Gestalt des Anti-Zionismus) und Frauenverachtung  vorzugehen.

Und das heißt: keine staatliche Anerkennung für Organisationen, die von den Mulahs im Iran gesteuert werden wie dem IZH. Mehr muss man dazu nicht sagen. Liberale Demokratien sind nicht für die Ewigkeit gemacht, sondern müssen tagtäglich verteidigt werden. In Deutschland nannte man das mal wehrhafte Demokratie.

Uli Gierse 28.1.2022

Anhang: https://deref-web.de/mail/client/otFWJxkxVTg/dereferrer/?redirectUrl=https%3A%2F%2Fwww.abendblatt.de%2Fmeinung%2Farticle234414131%2FWarum-das-IZH-kein-Partner-Hamburgs-sein-sollte.html

Gastkommentar im Hamburger Abendblatt vom 27.01.2022 : Warum das IZH kein Partner Hamburgs sein sollte 

Von Ulrike Becker

In diesem Jahr soll der Staatsvertrag zwischen der Stadt Hamburg und den muslimischen Verbänden evaluiert werden. 

Der Vertrag steht zunehmend in der Kritik. Von CDU und FDP wird er abgelehnt, innerhalb der Grünen ist er umstritten, die SPD hält an ihm fest. Kritisiert wird er vor allem wegen seines Grundfehlers: Er wurde mit Verbänden abgeschlossen, die teilweise aus dem Ausland beeinflusst werden. 

Dies betrifft die Ditib, deren Imame in der Regel bei der türkischen Behörde Diyanet angestellt sind und von dort ihr Gehalt bekommen. Staatspräsident Erdogan ist ihr oberster Boss.
Dies betrifft die Schura, deren einflussreichstes Mitglied das „Islamische Zentrum Hamburg“ (IZH) ist. Laut Erkenntnissen des Hamburger Verfassungsschutzes ist das IZH ein „weisungsgebundener Außenposten Teherans“, mit dessen Hilfe der in der iranischen Verfassung verankerte Auftrag des weltweiten Exports der „islamischen Revolution“ umgesetzt werden soll. 
Vertreter des IZH waren bis November im Vorstand der Schura vertreten. Hamburgs Innensenator Andy Grote begrüßte die Abwahl der IZH-Repräsentanten: Die Schura habe entschieden, sich vom IZH „auf der Führungsebene“ zu trennen. 

Doch eine echte Entwarnung ist das nicht. Solange sich keine Mehrheit in der Schura findet, das IZH auszuschließen, kann der Verband kein Partner der Stadt Hamburg sein. 
Das sieht die Hamburger Regierung offenbar anders. Bereits im Juni letzten Jahres hat die Bürgerschaft mit den Stimmen von SPD und Grünen einen Antrag zur Neugestaltung des NDR Rundfunkrates beschlossen, in dem Schura und Ditib einen Sitz erhalten sollen. 
Und im Dezember 2021 legte der rot-grüne Senat der Bürgerschaft einen Antrag vor, in dem beiden Verbänden auch ein Sitz im Landesjugendhilfeausschuss zugebilligt wird. Dieser Antrag wird nun im Familienausschuss diskutiert. 

Sollen hier Fakten geschaffen werden, bevor die Evaluation der Staatsverträge öffentlich diskutiert wird? 
Die stillschweigende Ausweitung des gesellschaftlichen Einflusses der beiden Verbände ist problematisch und skandalös. Hinter dem propagierten Ideal der Vielfalt steht de facto eine Parteinahme für den konservativen Islam mit einer offenen Flanke zum radikalen Islamismus. 

Es kann nicht im Interesse einer demokratischen Gesellschaft sein, den Einfluss solcher Verbände ausgerechnet auf die Jugendarbeit und die öffentlich-rechtlichen Medien auszudehnen. 
Vor der Einbindung der Ditib warnt deshalb auch eine aktuelle Handreichung des „Bund der Alevitischen Jugendlichen“. Der Bund bemängelt, dass die Erfahrungen von alevitischen, ezidischen, armenischen oder assyrischen Glaubensgemeinschaften, die Anfeindungen und Gewalt von islamistischer Seite ausgesetzt sind, in der öffentlichen Debatte kaum berücksichtigt werden. 
Der Jugendbund fordert von der Politik ein, was selbstverständlich sein sollte: Eine Kritik an islamistischen Organisationen, die eine antidemokratische Ideologie vertreten. Die Jugendarbeit sollte von verbandsunabhängigen, demokratischen muslimischen Jugendorganisationen geleistet werden.  
Das IZH dagegen vertritt ein Islamverständnis, das die Koran-Auslegung durch islamische Rechtsgelehrte im Iran widerspiegelt. Problematisch ist dies wegen der antisemitischen und israelfeindlichen Ideologie, die alljährlich beim „Al Quds“-Marsch auf die Straße getragen wird. 

Das IZH vertritt aber auch eine Kopftuchpflicht für Mädchen ab 9 Jahren, lehnt die Ehe für alle ab, und diffamiert ein liberales Islamverständnis. Der Buchautor Joachim Wagner beschrieb, wie sich die Abhängigkeit der schiitischen Gemeinden von Teheran praktisch auswirkt: Als drei schiitische Moscheevereinen an einer Beratung über das Ramadan-Fasten an Berliner Schulen beteiligt wurden, ließen sie den Entwurf einer Vereinbarung erst durch das IZH prüfen, das wiederum Religionsgelehrte im Iran um Zustimmung bat. Im Ergebnis wurde der Vorschlag einer Handreichung abgelehnt. 
Organisationen, die aus autokratischen Staaten beeinflusst werden, können keine Partner sein, insbesondere nicht in der Jugendhilfe. Die Abhängigkeit von diesen Staaten stellt eine Gefahr dar, vor der die Politik alle jungen Menschen in Hamburg schützen sollte. 

Ulrike Becker ist Historikerin und Leiterin der Abteilung Forschung im Mideast Freedom Forum Berlin.