Ukraine-Krieg und Inflation I

Ukraine-Krieg und Inflation I

1. Juli 2022 0 Von Thomas Ertl

Der Ukraine-Krieg hat neben den geopolitischen Verwerfungen auch die Rohstoffpreise weiter steigen lassen, was zum Teil am Embargo der sanktionierenden Staaten liegt, aber auch an Verknappungen Russlands in der Gegenreaktion. Das betrifft nicht nur energetische Rohstoffe, sondern auch Getreide und Speiseöle. Die Inflation, wie wir sie heute sehen, ist allerdings ein Zusammenwirken mehreren Komponenten, die überwiegend nicht dem Ukraine-Krieg geschuldet sind. Dazu weiter unten mehr.

Säkulare Inflation

Um die Begrifflichkeit der „Inflation“ etwas besser einzugrenzen, unterscheiden wir zwischen dem Schreckgespenst der „Inflation“, wie es sich gerade ausbreitet – und die Notenbanken an den Rand ihrer Möglichkeiten bringt – und der uns permanent begleitenden „säkularen“ Inflation.

Technischer Fortschritt steht für Deflation

Die ökonomische Grundtendenz ist eigentlich Deflation, weil mit jeder Verfahrensverbesserung und effizienteren Abwicklung das Produkt billiger werden sollte. Stattdessen verändern sich in diesem Zuge auch die Produkte durch Differenzierung (z. B. Automobile mit grandioser Serienausstattung) und am Ende wirkt es inflationär, was real falsch ist. Auch höhere Kundenansprüche wirken preistreibend. Eine nicht unbedeutende Rolle nehmen die Kosten für Informationen (Data/ Big Data) ein, denn das Marketing incl. des Daten-Managements beansprucht zunehmend mehr Arbeitsplätze, deren Kosten in das Produkt fließen. Die Verbesserungen auf der Produktionsseite verschaffen Platz für die kostspieligen Vermarktungen auf der anderen Seite. Es gewinnt meist der mit der besseren Präsentation und dem besseren Kunden-Zugang. Im modernen Marketing-Jargon ist das Mikro-Targeting der Heilsbringer für mehr Markanteile. Die Zunahme dieser Ausgaben ist ein Teil der säkulären Inflation. 

Aber selbst die säkulare Inflation wird unterschiedlich interpretiert. Als Common Sense unter Ökonomen gelten folgende Merkmale:

  • geringes Wachstum von Investitionen und Demografie
  • kontinuierlicher relativer Ausbau des Dienstleistungssektors aufgrund gestiegener Produktivität der Industrie und neuen Anforderungen an Informationen
  • Ausbleiben erratischer Konjunkturverläufe. 

Die regelmäßigen Lohnerhöhungen auch aufgrund der moderat gestiegenen Preise (Henne-Ei-Phänomen) sind ein Indiz für säkulare (moderate) Inflation: Die Volkswirtschaften sind daran gewöhnt. Damit einher geht das Ziel der Notenbanken wie EZB und FED eine 2-prozentige Inflation anzupeilen. Deflation möchten diese Institutionen vermeiden, damit die Unternehmen die Angebote/Produktionen nicht beschränken, was bei Preissenkungen (Deflation) nach dem Gesetz von Angebot und Nachfrage passieren könnte. Daher gilt die Vermeidung von Deflation als vorrangig gegenüber der Verhinderung von Inflation. Dass hier Grenzen gelten, zeigt die aktuelle Zinsanhebungs-Politik der FED in den USA. Das Leihen von Geld wird so verteuert, dass damit genau diese Komponente – der Geld-Aufblähung – in der Preissteigerungs-Spirale genommen wird. Dazu wird weiter unten intensiver eingegangen. 

Inflation der Vermögenswerte

„Billiges“ Geld verleitet zu Käufen und Bieter-Gefechten (Immobilien, Aktien, Übernahme von Unternehmen) und überschwemmt die Märkte mit Geld. Damit sind nicht Ausgaben für existentielle Güter und Leistungen gemeint, sondern verzichtbare Güter/Leistungen wie teure Kraftfahrzeuge, neues Mobiliar und Urlaubsreisen auf Pump. Denn je mehr qua Schulden gekauft (nachgefragt) wird, desto höher steigen die Preise. Es ist wichtig zu akzeptieren, dass Schulden nicht das Gegenstück zum Sparen sind, sondern Geld-Kredite von Banken/Notenbanken geschöpft werden können. Geschäftsbanken im Euro-System besorgen sich bei der Notenbank die Konto-Gelder und müssen lediglich eine Mindestreserve von 1 % bei der Zentralbank hinterlegen. 99 % sind „neues“ latent inflationstreibendes Geld im Kreislauf. Inflation entsteht, wenn das neue Geld nicht auf entsprechende Produktionssteigerung trifft. Mit anderen Worten: Kreditschöpfung ohne Wachstum schafft Inflation, die nicht mehr als säkular bezeichnet werden kann.

Wohnkosten durch Nullzins-Politik

Die Notenbanken haben mit der Null-Zins-Politik die Inflation von Vermögenswerten beschleunigt und damit eine starke indirekte Inflation der Wohnkosten entfacht. Diesen Umstand hat auch das Bundesverfassungsgericht gegenüber der EZB als negativ angemerkt[1]. Schon damit wird der Wohlstand gemindert, denn die Ausgaben für Schuldentilgung bei Wohneigentum oder eben höhere Mieten bedeutet im Umkehrschluss weniger Budget für das tägliche Leben. Das gilt schlechterdings grundsätzlich für Inflation, die damit in logischer Abfolge auf weniger Konsum hinausläuft. Hier bildet sich der Zielkonflikt aus „billigem Geld” für den Konsum und „tolerierte Inflation“ gegen den Konsum. Die EZB hatte sich für „billiges Geld“ entschieden, weil die Inflation scheinbar nicht beeinträchtigt wurde. Die Wohnkosten wurden ausgeblendet.

Stiegen die Energiekosten, wurde mit dem Hinweis auf eine moderate „Kern-Inflation“ (Argument der FED), also unter Ausgrenzung der saisonal und politisch schwankenden Energie- und Nahrungsmittelkosten, das Nichtstun begründet.


Die EZB hat sich die Lage stets zusammenargumentiert, um die Zinsen niedrig zu halten und die lockere Geldpolitik gegenüber den verschuldeten Süd-Staaten zu legitimieren. Abbildung 1 beweist, dass in den letzten Jahren seit der Pandemie sowohl Dividenden als auch der Dax-Gesamtwert pendeln. Die Dividenden im Jahr 2022 reflektieren den Erfolg des Vorjahres, während die Dax-Werte den (negativen) Augenblick wiedergeben.

[2]

Die Kurve der Wohnkosten bleibt auf Kurs. Engel & Völkers stellen fest, dass auch für 2021 die Preise für Eigentumswohnungen um 12,8 % zum Vorjahr gestiegen sind[3]. Eine Umkehr ist auch für 2022 nicht sichtbar[4]. Es ist immer noch so viel „überschüssiges“ Sparvermögen und Kredit-Liquidität im Umlauf, dass die Preise hoch bleiben. Die EZB hat daran großen Anteil. Wer legt sein Geld-Vermögen in Festgeldkonten an zu null Prozent Zinsen bei 7 Prozent Inflation (Abbildung 1)?

Der in der nächsten Abbildung dargestellte Warenkorb zur Messung der Inflation ist zu über 25 % mit Wohnkosten belastet. Bei Hinzunahme von Einrichtungsgütern liegt der Wert über 32 % im Jahr 2021. In manchen urbanen Regionen zahlen Mieter auch schon bis zu über 40 ihres Nettoeinkommens für das Wohnen ohne Nebenkosten.[5] Im Jahr 1991 lag der Wert noch unter 20 %.

EZB alimentiert Südeuropa

Die Angst vor einem „italienischen Staats-Kollaps“ war stets größer als die Sorge[6] um die Stabilität des Euro. Nachdem Zinsanhebungen unausweichlich sind, um die Inflation zu bändigen und das Aufkaufen von Staatsanleihen beendet werden sollte, standen die „Aasgeier“ schon parat. Die Renditen für italienische Staatsanleihen schossen in die Höhe: von 0,56 % auf 4,1 % seit August 2021. Die Lösung: Die EZB kauft nicht mehr alle EU-Anleihen, sondern nur noch die der stark verschuldeten Staaten: Eine Notfall-Lösung[7]. Das hätte sie schon längst tun können, um die Geldmenge nicht so ungezügelt zu vermehren. Nun kommen natürlich einige Experten um die Ecke und beklagen den Wohlstandstransfer von Nord nach Süd. So ist es nun einmal in einer Gemeinschaft, die auf Solidarität baut. Allerdings muss Italien sich gefallen lassen, bestimmte Auflagen der Schulden-Minimierung zu erfüllen. Die Lage dafür ist so schlecht nicht, da Italien ein BIP-Wachstum von 6,6 % aufweist, allerdings von über minus 9 % kommend.

Die Effekte der Covid19-Lockdowns

Die aktuelle Preisentwicklung ohne Einbeziehung der Ukraine-Krise sind besondere Effekte der Covid-19-Lockdowns, die bezogen auf China immer noch anhalten. Die Lockdowns haben nicht nur viele Arbeitsplätze in den Dienstleistungsbranchen vernichtet, sondern auch den Tourismus (minus 75 % Fluggäste)[8] auf fast Null gesetzt, was sowohl den Bedarf an entsprechenden Fortbewegungsmitteln als auch an Energie (Öl/Gas) drastisch reduzierte. Der Öl-Preis rutschte teilweise unter Null, weil große Tanker auf den Weltmeeren ohne Zielhäfen herumirrten.

China hatte die Gunst der Stunde genutzt und dieses „Gratis“-Öl abgenommen: ein Riesen-Verlust für die Rohöl-Branche. Die allgemeine Drosselung der Öl-Förderung auf diesen Nachfrage-Schock war die eine logische Folge, die Umschichtung der Mikro-Chip-Hersteller auf Nachfrage aus dem Computer-Infrastruktur-Bereich die andere. Mit der Auflösung der Lockdowns wurde die Nachfrage normalisiert bzw. es entstanden Nachholeffekte, die auf reduzierte Produktion stießen.

Die OPEC-Staaten hatten mit den Lockdowns einen Förder-Cut beschlossen, der auch beim Anziehen der Nachfrage nicht gelockert wurde, um den Ölpreis hoch zu treiben[9]. Die Probleme der Wertschöpfungsketten-Störung durch Chip-Mangel im KFZ-Bau führten zur Unterversorgung. Ein markantes Beispiel sind Mietwagen in den Tourismus-Regionen, die aktuell – über ein Jahr nach dem Lösen des Pfropfens – das mehrfache kosten gegenüber der Vor-Corona-Periode. Es wurden zu wenig KFZs geliefert aufgrund des Mikrochip-Mangels.

Die Kehrseite: Der Bedarf an elektronischen Geräten wie Computer, Smart-TV, Spiele-Konsolen wuchs während der Pandemie enorm. Besonders China profitierte davon, was den Energie-Einsatz hochschnellen ließ. Es mussten gar stillgelegte – weil unrentable – Kohlekraftwerke reaktiviert werden, um die Nachfrage befriedigen zu können.  Die Fakten aus dem Frühjahr 2020 sind schwindel-erregend[10]:

  • Microsoft stellte 75 % mehr Nutzungsminuten auf Windows-Geräten fest gegenüber dem Vj.
  • Die weltweit größte Knotenpunkt DE-CIX (Internet-Service-Provider) in Frankfurt erreichte 9.1 Terabit Datendurchsatz pro Sekunde: Der absolut höchste je gemessene Rekordwert.
  • Netflix steigerte die Abo-Zahlen um fast 16 Mio., eine Steigerung von ca. 10 % gegenüber den Quartalen davor.
  • Ebay verzeichnete 200 Mio. Visits auf Kleinanzeigen in der letzten Aprilwoche: Rekord in der Geschichte des Unternehmens.
  • Zoom konnte mit 300 Mio. Teilnehmern im April 2020 eine Steigerung von 2.900 % in 4 Monaten erzielen.
  • Amazon: Plus 26 % mehr Umsatz im ersten Quartal bei deutlich mehr Kosten für Hygiene-Prävention im Logistik-Bereich.
  • Das Cloud-Geschäft des Konzerns (AWS) hatte dieses Problem nicht: Ca. 30 % mehr Umsatz und 40 % mehr Profit.

Die Produzenten von Öl und Mikro-Chips haben es aktuell auch nicht besonders eilig, diese Lücke zu schließen. Das Preisniveau bleibt hoch. Es kann unter Umständen noch steigen, solange die Nachfrage nicht nachlässt. Sollte das passieren, werden wir uns mit der nächsten einschneidenden Rezession auseinandersetzen müssen. Und die wird zudem von den Notenbanken unfreiwillig befeuert, weil nun auch das „(Leih)-Geld“ verteuert wird. Am Ende wird der Außenhandel insgesamt schrumpfen und damit wären besonders die Menschen mit geringen Einkommen betroffen, sowohl global (besonders Subsahara) als lokal/national. Die Menschen, die in den Industrie-Metropolen bereits „gentrifiziert“ wurden, stehen auf der Seite der großen Verlierer auch in dieser Krise. Die De-Globalisierung verteuert das Leben und verringert die Abhängigkeiten im Außenhandel. 

Die in den Covid-Lockdowns verschwundenen Arbeitsplätze wurden nach dieser Phase nicht komplett neu besetzt. Viele der betroffenen Mitarbeiter zog es nicht in die alten weniger gut bezahlten Jobs zurück, sondern suchten sich nach dem Wiederaufflammen der gewöhnlichen Nachfrage – mit Aufholeffekten – andere bessere vergütete Anstellungen.

Das hat einen zusätzlichen Lohndruck entfacht, der die Inflation ebenso treibt wie die Störung der Wertschöpfungsketten und das Ansteigen der Rohstoff-Preise. Selbst der linksliberale Paul Krugman hielt die Inflationsgefahr für gering und musste sich korrigieren. Am Ende gilt dann doch der bekannte Tucholsky-Spruch: „Das Volk versteht das meiste falsch, aber es fühlt das meistens richtig.“[11]Die Inflation ist sehr spürbar auch ohne Statistik.


In der Abbildung 3 wird gezeigt, dass die Ölpreisentwicklung schon immer dann einen großen Einfluss auf die Inflation hatte, wenn es zu Kriegs-Situationen in Öl-reichen Regionen kam. Die USA hatten in den 1960er Jahren die eigene Öl-Produktion zurückgefahren. Davor hatten die USA die Welt mit ca. 60 % des Bedarfs versorgt. Nachdem die Staaten im Nahen Osten deutlich günstiger Öl fördern konnten, verlegten sich die USA auf den Import.

Erst mit dem Fracking in den 2010er Jahren wurde ein anderes Kapital aufgeschlagen, was dann auch zu einem Preisverfall um das Jahr 2015 herum führte. Bis zum 2. Irak-Krieg ließen abrupte Öl-Preissteigerungen die Inflation ruckartig ansteigen. Die Reaktionen waren viel sensibler als in den Jahren nach Finanzkrise, wo der Verlauf als fast synchron erscheint. Die globalen Wachstumsraten sind seit der Finanzkrise deutlich geschrumpft, so dass die Wirkung entsprechend geringer ausfällt.     

Die Ukraine-Invasion ist nur Beschleuniger

Die De-Globalisierung hatte bereits vor dem Ukraine-Krieg begonnen. Der Verlust nationaler Arbeitsplätze durch den Weggang von Unternehmen ins Ausland (Foreign Direct Investments FDI) oder schlichtweg das Nieder-Konkurrieren nationaler Branchen durch günstigeren Import ist kein neues Phänomen. Eine Kombination der beiden Faktoren ist die Verpflanzung eines Teils der eigenen Industrie in ein Schwellenland, dass dann vergünstigt in das Ursprungsland liefert und damit den Rest der heimischen Branche liquidiert. Das löst durch den Verlust der Arbeitsplätze einen Wegfall zahlungsfähiger Nachfrage aus. Wächst eine Ökonomie ausreichend und es entstehen neuen Branchen, ist der Rückgang an Arbeitsplätzen der betroffenen Branchen kompensierbar.

Es gelingt aber zunehmend weniger, die Folgen für die nationalen Ökonomien aufzufangen. Das ist die soziale Komponente der durchschnittlichen Globalisierungs-Gewinne. Es entstehen jenseits des Durchschnitts viele Verlierer. Das sind die ehemaligen Facharbeiter des US-amerikanischen Rust-Belts, des deutschen „Ruhr-Potts“ oder des deutschen Schiffbaus. Stattdessen bilden sich viele neue Jobs in der Dienstleistung zu deutlichen geringeren Entgelten.  

Festzuhalten bleibt, dass die Globalisierung makroökonomisch für die Industrie-Nationen einen wachsenden Wohlstand hervorgebracht hat. Beispiel: Notebooks mit deutlich besserer Leistung kosten einen Bruchteil von denen der 2000er Jahre. Hinzu kommt die nominell deutliche Einkommensverbesserung während dieser Frist. Wir leisten uns Urlaube und Flugreise, die vor 30 Jahren nicht vorstellbar waren bzw. nur der Upperclass zugänglich waren.

Der Wohlstands-Zuwachs ist mit der Pandemie nicht nur ins Stocken geraten, sondern es dreht sich geradezu. Wir verlieren mindestens einen Teil des Benefits.

Nun könnte man meinen, dass es auf der anderen Seite auch Gewinner geben müsste. Das ist zum Teil richtig. Es sind die Staaten und Unternehmen, die für die Preis-Explosion der Rohstoffe verantwortlich sind. Bei genauer Betrachtung sind die Zusammenhänge aber nicht so eindeutig, denn schon vor der Covid-Pandemie gab es deutliche Anzeichen für eine wohlstandsmindernde Entwicklung.

Die FED hat in ihrer Inflations-Betrachtung einen anderen Ansatz als die EZB. Die FED rechnet die Preise für Lebensmittel und Energie aus der Gesamtinflation heraus und bestimmt damit die Kern-Inflation. Steigt diese wie die orange Fläche in Abbildung 4, sind Maßnahmen der Eindämmung erforderlich. Diese Güter/Leistungen sind der eigentliche Markt der relevanten produzierenden Industrien und Dienstleistungsbranchen. Die würden geschwächt, wenn Energie- und Lebensmittel die Haushalt-Budgets überbelasten. Der Vorteil der FED: Sie muss nicht auf verschuldete Unionsstaaten Rücksicht nehmen. Der EURO-Raum ist im strukturellen Nachteil.  

Abbildung 4 zeigt die Wirkung der Energiekosten auf die Gesamt-Inflation. Zudem ist erkennbar, dass die Covid-Pandemie einen speziellen „Brandbeschleuniger-Effekt“ hervorgebracht hat. Der Ukraine-Krieg hat hier kaum eine Bedeutung, allenfalls sind in 2021 Befürchtungen eingepreist. Die nächste Grafik illustriert den Ukraine-Effekt.

Rohöl und Lebensmittel sind existentiell

Die Preise für Rohöl und Lebensmittel sind auch für die Beurteilung der Inflation nicht unerheblich. Es geht nicht um saisonale Schwankungen wegen schlechtem Wetter und lokaler Kriegs-Konflikte. Die aktuelle Inflation ist nachhaltig und das ist schon mindestens seit Mitte 2021 absehbar. Die EZB hatte sich noch andere Erkenntnisse hin-modelliert, was an der Kompetenz dieser eigentlich ökonomischen Regierung der EU zweifeln lässt.

Die FED hatte schon längst Gegenmaßnahmen in der Pipeline. Nun hat neben der Britischen Notenbank (BoE) auch noch die zurückhaltende SNB (Schweizer Notenbank) den Leitzins kräftig erhöht und damit den EURO restlos ins Abseits gestellt. Der EURO notierte am 01. Juli unter 1,05 USD und hat damit in einem Jahr 12 % gegenüber dem USD eingebüßt. Auch das treibt die Inflation in der Euro-Zone nach oben. Wir importieren damit Rohstoffe, die in USD gezahlt werden, entsprechend teurer. Das gilt natürlich auch bedingt für andere Importe außerhalb der EU.

Rohstoffe sind Input für Wertschöpfungsketten und Massenkonsum

Energie und metallische Rohstoffe sind Inputs für Lebensmittel und Kunststoff-Produkte. Eine Inflation dieser Komponenten ist niemals zu vernachlässigen. Sie münden mit den Kosten direkt in die Preise der Endprodukte. Daimler Truck konnte deutliche Preiserhöhungen durchsetzen, weil die Abnehmer froh um jede Lieferung sind. Ähnlich ist es im Baugewerbe. Die Inflation hat alle Bereiche erreicht. Und das ist ein Ergebnis der De-Globalisierung, des Covid19-Schocks und nunmehr auch der Ukraine-Invasion. Was sich davon in welche Höhe auflösen lässt, ist schwer zu taxieren. Aber es wird ein schmerzlicher Teil an Wohlstands-Verlust übrig bleiben. Die Inflation wird sich teilweise von den Schocks erholen, aber nicht von den gestörten und liquidierten Wertschöpfungsketten. Die Energie-Preise werden auch deutlich höher bleiben bis die erneuerbaren Energien greifen. Das wird mindestens 10 Jahre dauern, wenn nicht gar länger bei dem Tempo der Umgestaltung und dem bremsenden Effekt der Ukraine-Krieges.

Teil 2 folgt


[1] Bundesverfassungsgericht 2020; o. S.

[2] https://de.statista.com/statistik/daten/studie/4761/umfrage/dividendenzahlungen-der-dax-unternehmen/; https://de.statista.com/statistik/daten/studie/609521/umfrage/monatlicher-mietindex-fuer-deutschland/;

[3] Engel&Völkers 2022; o.S.

[4] Immoheld 2022; o.S.

[5] Blickle et. al 2019; o.S

[6] Die Konsequenzen wären dann ziemlich sicher der Zerfall des EURO-Systems und damit auch eine Zerreißprobe für die EU

[7] Blechner 2022, o.S.

[8] Statistisches Bundesamt 2021; o.S.

[9] Hosp 2021; o.S.

[10] Wille 2020; o.S.

[11] Kennedy 2021, o.S.

[12] Public Eye geht von einer Gründung im Jahr 2008 aus.

[13] Deslandes 2021; o.S.

[14] Handelszeitung 2022; o.S)

[15] Deslandes 2022; o.S.

[16] Handelszeitung 2022; ebenda

[17] Kollbrunner 2021; o.S. [1] Kenk 2021; o.S.

[18] Kenk 2021; o.S.

[19] Mautes 2021; o.S.

[20] Zeit-Online 2022; o.S.

[21] Briesemann/Lambrecht 2022; o.S.

[21] Krugman/Obstfeld 2006; S. 674ff

[23] Fuchs et. al; o.S.; die Türkei griff Kurdenmilizen in Nord-Syrien an. Die USA erhoben daraufhin Strafzölle auf türkischen Stahl und beendeten die Verhandlungen über ein Handelsabkommen.

[24] Güsten 2020; o.S.; Die Türkei kaufte russische Abwehrraketen als NATO-Mitglied und ignorierte Warnungen der USA

[25] Senz 2022; 0. S. (Stand 26.06.2022) [1] Finanzen.net 2022; o.S.

[26] Finanzen.net 2022; o.S.

[27] Höhler 2021; o.S

[28] Jom-Kippur-Krieg; arabische Staaten verhängten ein Öl-Embargo

[29] Pumpe 2022; o.S. [1] Fred 2022; o. S./Bank of Japan 2022; o.S./ Bundesbank 2022; o.S.

[30] Fred 2022; o. S./Bank of Japan 2022; o.S./ Bundesbank 2022; o.S.

[31]Amado 2021; o.S.

[32] Keynes 1936; S. 37 ff

Literaturverzeichnis

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Blechner, Notker 2022: „Droht eine neue Euro-Schuldenkrise?“. https://www.tagesschau.de /wirtschaft/finanzen/euro-schuldenkrise-ezb-italien-anleihenmarkt-zinsen-zinswende-101.html. 17.06.2022.

Blickle, Paul et. al 2019: Arbeiten für die Miete. https://www.zeit.de/wirtschaft/2019-12/mietbelastung-mietpreise-einkommen-wohnen-deutschland. 17.06.2022.

Bundesverfassungsgericht 2020: Urteil des Senats vom 5. Mai 2020, Randnummer 173. https://www.bundesverfassungsgericht.de /SharedDocs/ Entscheidungen/DE/2020/05/rs20200505_2bvr085915.html. 17.06.2022.

Deslandes, Marion 2021: Shein, die chinesische Dampfwalze der Fast Fashion. https:// https://de.fashionnetwork.com/news/Shein-die-chinesische-dampfwalze-der-fast-fashion,1322576.html. 19.06.2022.

Deslandes, Marion 2022: Shein soll Finanzierungsrunde in Höhe von einer Milliarde Dollar vorbereiten. https://de.fashionnetwork.com/news/Shein-soll-finanzierungsrunde-in-hohe-von-einer-milliarde-dollar-vorbereiten,1394220.html. 19.06.2022.

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FRED 2022: Federal Funds Effektive Rate. https://fred.stlouisfed.org/graph/?id=RIFSPFFNA. 27.06.2022

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