Ukraine-Krieg und Inflation Teil 2

Ukraine-Krieg und Inflation Teil 2

3. Juli 2022 0 Von Thomas Ertl

Globalisierung ist Deflation – und oft schädlich

Der größte Freund des fossilen Verbrauchs ist der sinnlose Massenkonsum, der den Planeten an die Grenzen bringt. Das beste Beispiel ist die Kleidung, von der inzwischen mehr als 5-mal so viel pro Kopf der Industrienationen verbraucht wird als in den 1950er Jahren. Michael Kläsgen hat in der Süddeutschen Zeitung vom 27/28. November 2021 darauf hingewiesen, dass wir 3 Planeten bräuchten, wenn alle so konsumieren würden wie die Deutschen.

Ein prägnantes Beispiel für den deflationierenden Globalisierungseffekt ist die im Jahr 2002[12] gegründete chinesische Textilien-Online-Plattform Shein.com.  Das Unternehmen erhöhte seinen Umsatz allein im Jahr 2021 gegenüber dem Vorjahr um 40 % auf 14 Mrd. USD und seit der Gründung wächst der Umsatz um durchschnittlich 57 % p.a. Die Bewertung von Shein liegt aktuell bei 100 Mrd. USD und damit über dem Wert von H&M und Inditex zusammen. Namenhafte Investoren wie Sequoia Capital (Venture-Capital aus Silicon Valley) und IDG Capital sind in das Unternehmen eingestiegen[13], dass mit kostenlosem Versand und Retouren ab einem Warenwert von 39,00 € wirbt.[14] Shein hat in den USA inzwischen Platz 1 im Marktsegment „Fast Fashion“ eingenommen und gilt als drittgrößtes „Start-Up“ nach ByteDance (TikTok) und SpaceX (Elon Musk)15].

Das preis-drückende Geschäftsmodell folgt der klassischen Internationalisierungs-Blaupause der Industrienationen und dem Logistik-Model Amazons. Mit Produktion in China und Logistik-Zentren in 220 Ländern und der Ausrichtung auf Jugendliche (Generation Z) und junge Erwachsene wurde bereits die Frequenz der Amazon-App überholt.[16] Es ist keine Überraschung, dass diese Art der Deflation – verursacht durch ein rigides Geschäftsmodell – von NGOs wie Public Eye kritisiert wird. Die Vergütung der Arbeitnehmer ist miserabel bei 12h-Schichten und 6 Werktagen[17]. Darin und im industriellen System der Economies of Scale (Massenproduktion) liegt der Vorteil des Konzerns und auch der Konsumenten. Dass damit zugleich der Preis für Baumwolle steigt, wird an anderer Stelle wieder sichtbar.

Dass mit der Billigst-Strategie (meistens Mode-Plagiate) und den Versand-Retouren-Policen die Ressourcen strapaziert werden, ist den Betreibern selbst bewusst, denn das Green-Washing in der Unternehmenskommunikation ist überaus absurd angesichts der „7-Euro-Wegwerfartikel“. Es werden dabei keine Zertifikate verwendet, sondern nur behauptet nachhaltig zu fertigen. Die NGO Fashion Transparency Index hat Shein mit 0 von 20 möglichen Punkten bei einer Analyse von 250 Modehändlern bewertet.[18] Es ist aber nicht nur der Rohstoff Baumwolle, der hier verbraucht wird, denn der Preis lässt auch den hohen Verbrauch an Kunststoffen vermuten, also Rohöl.

Der Zusammenhang von Inflation und Ressourcen-Verbrauch

Die Ausplünderung unserer Umwelt wird dabei immer teurer, weil immer tiefer gebohrt werden muss, auf die Meere ausgewichen wird; und immer mehr Kunstdünger eingesetzt werden muss, damit Fleisch auf den Tisch kommt. Das alles ist inflationstreibend und wir erhalten jetzt die Quittung für den ungezügelten Konsum. Anfänglich hat es einen Deflations-Effekt und wenn die Kosten für die Ressourcen-Gewinnung steigen, ist es das Gegenteil. Die Externalisierungskosten durch „Reparatur“ der Umwelt kommen noch hinzu. 

Die Bevölkerungsexplosion von zwei auf über 7,5 Milliarden Menschen in 100 Jahren hat das Problem immens vergrößert. Außer Frieden als Voraussetzung für die Umgestaltung unseres Wirtschaftens ist das Zurückdrängen des Massenkonsums die größte aktuelle Herausforderung. Statt Black Friday benötigen wir einen „Kauf-nix-Tag“, stellt Michael Kläsgen zurecht fest.  Das würde Druck aus dem Fossilien-Kessel nehmen und die Inflation der Energiepreise bremsen bzw. umkehren. Wenn aber nach den Konsumorgien der Industrienationen und der Chinas auch noch die indische Volkswirtschaft dieses Paradigma bedient, ist der Planet unter den aktuellen Bedingungen nicht mehr zu retten. Es braucht mehr als Erneuerbare Energien. Auch die demografische Entwicklung wird nicht ohne Einfluss sein. Das mag jetzt düster klingen, ist aber nach 50 Jahren „Club of Rome“-Warnung (Grenzen des Wachstums) keine ganz neue Erkenntnis.

Fazit: Die Inflation ist vielschichtig

Die destabilisierende Inflation hat unterschiedliche Ursachen und kann sich sogar aus mehreren Quellen zusammensetzen, die nicht unbedingt im Zusammenhang stehen. Die aktuelle Inflation ist aus einer Markt-Inflation, einer künstlichen Rohstoff-Verknappung und einer politischen „Waffe“ zusammengesetzt. Die Inflation ist auf dem Weg in die Zweistelligkeit auch bei sonst stabilen Volkswirtschaften wie Deutschland und die USA.

Die Markt-Inflation reflektiert einen Überhang der Nachfrage gegenüber dem Angebot. Die Covid-Pandemie hat in den ersten beiden Quartalen im Jahr 2020 zu einem ruckartigen Rückgang der Nachfrage durch staatlich angeordnete Lockdowns geführt. Der Angebotsüberhang führte zum Preisverfall (Deflation). Die Unternehmen haben daraufhin die Produktions- und Leistungskapazitäten angepasst, so dass bei Auflösung der Lockdown die Nachfrage wieder aufflammte, aber die Kapazitäten nicht entsprechend angepasst werden konnten.

Das betrifft Arbeitskräfte wie in der Gastronomie und Logistik, Materialen wie Baustoffe und Input-Produkte wie Mikrochips für Wertschöpfungsketten. In Deutschland gingen die Neuzulassungen von KFZs im Jahr 2020 um ca. 20 % zurück und im Jahr 2021 nochmals um 10 %. Die Preise erhöhten sich um tlw. mehr als 10 % und auch die Gebrauchtwagen sind 15 % teurer als Im Jahr zuvor[19]. Es besteht Knappheit, die sich nicht schlagartig auflöst.[20] Auch wenn die Covid-Pandemie als Ursache ausgemacht ist, bleibt diese Inflation länger gegenwärtig bis ein Gleichgewicht von Angebot und Nachfrage gefunden ist. Wahrscheinlich werden die Preise nicht mehr das alte Niveau annehmen, da die Anbieter die Kapazitäten eher vorsichtig anpassen werden. Der größte Teil des Preisschubs wird erodieren. Diese Markt-Inflation ist überwiegend vorübergehend. Ein strukturelles Element ist die Verrentung der Baby-Boomer, deren Geburt so lag, dass sie aktuell in großen Mengen in den Ruhestand gehen. So hat sich der Arbeitsmarkt an Fachkräften auch deshalb ausgedünnt und treibt die Lohnkosten aufgrund der großen Nachfrage für den Ersatz der Baby-Boomer.

Die zweite Komponente der aktuellen Inflation sind die Energie-Preise, die anfangs im Jahr 2020 dramatisch verfielen. Auch dort wurden die Kapazitäten besonders der Öl-produzierenden Staaten angepasst und nicht auf das notwendige Niveau für die Nachfrage nach den Lockdowns erhöht.[21] Auch dieser Umstand treibt die Inflation und ist nicht nur Ergebnis von Angebot und Nachfrage, sondern entspricht einer Kartell-Absprache oder wie in diesem Fall einem Ausscheren aus einer Vereinbarung der OPEC-Staaten Nigeria und Libyen. Der Preis wird hier durch Marktmacht bestimmt, ist also eine monopolistische Inflation.

Energetische Rohstoffe, die für die globale Produktion unabdingbar sind, wurden nicht selten als politische Waffe eingesetzt, um bestimmte politische Ziele zu realisieren. Bei den diversen Kriegen im Nahen Osten reagierten die erdölproduzierenden Staaten mit Embargo und Rationierungen, um die Solidarität des Westens mit Israel zu sanktionieren[22]. Oder es sollte gezielt die USA treffen wie beim Sturz des Schah-Regimes im Iran 1979. In diesen Fällen stiegen die Ölpreise um mehrere Hundert Prozent und trafen die Industrieländer in einer Phase wirtschaftlicher Stagnation.

Daraus entwickelte sich im Zusammentreffen mit der Erdöl-Preiserhöhung eine Stagflation, die Kombination von Stagnation und Inflation. Diese Erscheinung tritt nun auch im Jahr 2022 in den Vordergrund. Die Energie-Inflation ist der Macht der Energie-Ressourcen-Länder geschuldet. Russland als aktueller Aggressor spielt diese Karte neben der militärischen auch aus. Das betriff besonders die Preise für Gas. Die Rationierung der Gas-Volumina und die Spekulation der Finanzmärkte um dieses verknappte Gut haben die Preise bereits um mehrere Hundert Prozent steigen lassen (siehe Titelbild). Hier handelt es sich wie bei den Ölpreis-Schocks um politische Inflationen, also politisch verursachte Inflation. China kauft das vom Westen mit Embargo belegte russische Öl weit unter Weltmarktpreis ein, der aber immer noch höher ist als vor der Ukraine-Invasion.

Zu den politischen Inflationen zählen auch jene, die durch politische Sanktionen entstehen. Diese Erscheinungen sind üblich, wenn Staaten wie z. B. die Türkei aufgrund von Sanktionen der USA in den Jahren 2019[23] und 2020[24] getroffen werden. Der Handel und die politische Stabilität nehmen ab, so dass wie in diesem Fall die türkische Lira enorm an Wert verliert und Importe drastisch verteuert werden. Inzwischen liegt die Inflation in der Türkei bei über 70 % und die türkische Lira[25] hat gegenüber dem USD fast 90 Prozent in einem Jahr verloren[26]. Die Verteuerung der Importe wie in USD gehandelte Rohstoffe ist extrem und destabilisiert die Volkswirtschaft zusätzlich. Die türkische Ökonomie leidet seit den politischen Unruhen rund um den gescheiterten Putsch 2016 und den militärischen Verstrickungen in Syrien. Dass ist alles andere als verlockend für ausländisches Kapital, dass sich seit Jahren aus der Türkei hinausbewegt.[27]  

Aktuell haben wir für die USA und EU eine Addition von säkularer, marktlicher (Nachfrageüberhang als Folge der Pandemie-Lockdowns), monopolistischer Preissetzungen (Absprache der Öl-Fördermengen) und politischer Verknappungen (Gas-Zufuhr-Russlands und Embargos des Westens). Hinzu kommen Effekte der Deglobalisierung bzw. Autonomiebestrebungen des Westens und der Dekarbonisierung. Die wirkt anfänglich eher preistreibend.

Kurz- bis mittelfristig wird nur die marktliche Inflation zurückgehen. Alle anderen Komponenten werden die Preise hoch halten und einen nachhaltigen Wohlstandverlust festschreiben. 

Die politische Inflation wird sich durch einen militärischen Misserfolgs Russland möglicherweise minimieren. Die hohen Energiepreise sind dem Ukraine-Krieg geschuldet, aber auch dem gestörten Verhältnis der westlichen Industrienationen zu anderen Energie-Exportstaaten Afrikas, Lateinamerikas und Staaten des Nahen Ostens wie den Iran. Eine diplomatische Offensive und eine echte Unterstützung der Entwicklungs- und Schwellenländer könnten den Preis für Öl und Gas senken.

Die Rolle der Notenbanken in der Inflationsbekämpfung

Eine besondere Herausforderung ist aber das Durchbrechen der marktlichen Lohn-Preis-Spirale, die sich bereits kräftig dreht. Die Haushalte müssen die Einbußen durch die Inflation kompensieren, sonst kontrahiert die zahlungsfähige Nachfrage noch weiter. Insofern haben sich die Organisationen der Arbeitnehmer bereits in Stellung gebracht, um einen Inflationsausgleich zu erzielen. Die Inflation hat aber auch die Unternehmen erreicht, denn auch die müssen Energie und Materialien einkaufen. Also werden diese höheren Kosten an die Konsumenten weitergegeben. Die nun steigenden Entgelte der Arbeitnehmer werden wiederum in die Produkte eingepreist, so dass sich eine Aufwärtsspirale herausbildet. Erschwerend wirkt der Effekt der Wohnkostensteigerung, die von der Notenbank durch das „billige“ Geld und die Null-Zinspolitik heraufbeschworen wurde.

Den Notenbanken bleibt nur noch die Kontraktion der Geldmenge durch höhere Zinsen, die das Kaufen auf Pump eindämmen, und der Beendigung des Aufkaufens von Staatsanleihen. Es liegt auf der Hand, dass damit die Nachfrage auf der einen Seite geschwächt und das Investieren auf der anderen Seite erschwert wird. Eine Rezession ist unvermeidlich und die einzige Option die dauerhaft drehende Lohn-Preis-Spirale zu bremsen. Der Preis ist hoch und von der Notenbank mit verursacht.

Die Alternative einer Prolongation des „quantitative easing“, der lockeren Geldpolitik, würde alle makroökonomischen Substanzen gefährden. Angefangen von einer schwindenden Wettbewerbsfähigkeit auf internationalen Märkten durch Preiserhöhungen und/oder daraus folgenden Druck auf den EURO, der durch weiteren Verlust gegenüber dem USD die Importe weiter verteuern würde. Die Inflation ist die schlechteste Alternative als Dauerzustand. Hohe Inflation höhlt Ökonomien aus und ein Blick auf problematische Staaten zeigt, dass ein Zögern in der Beseitigung hoher Inflation eine noch größere Leidensphase der Bevölkerung auslöst. Die Türkei ist dafür ein prägnantes Beispiel. Die Aktivitäten der Notenbanken wie FED, BoE und der SNB beweisen, dass die Notenbanken mit Ausnahme der EZB erkannt haben, dass die Inflation das makroökonomische Hauptproblem ist.

Der Notenbank-Schock unter Paul Volcker im Jahr 1979

Eine Blaupause für die aktuelle Situation lässt sich wirtschaftshistorisch an den USA festmachen. Im Jahr 1979 gab es weltweit und besonders in den USA eine ähnliche Situation. Die Inflation war relativ hoch und wurde durch rapide steigende Ölpreise zum großen Problem für die Administration unter Präsident Jimmy Carter. Der Grund für die starke Inflation im Vorlauf war die Entbindung des USD von anderen starken Währungen besonders Westeuropas und Japans. Der USD als Weltleitwährung hatte einen grandiosen Rückschlag hinnehmen müssen, da eine versprochene Golddeckung gegenüber den Währungspartnern nicht mehr gewährleistet werden konnte. Mit anderen Worten: Die USA hatten zur Finanzierung ihrer kostspieligen Kriege in Südostasien so viel USD „gedruckt“, dass die Goldreserven der USA bei weitem nicht ausreichten, um gegen andere Währungen konvertieren zu können. Das hatten die USA aber versprochen, vereinbart und nun nicht mehr halten können. Präsident Nixon kündigte im Jahr 1971 deshalb die Goldfixierung des USD auf, was natürlich zu einem Vertrauensschwund führte. Nach Aufgabe der Wechselkursfixierung floateten die starken Währungen DM und Yen in die Höhe und der USD verlor. Deutsche Bundesbank und Bank of Japan setzten die Zinsen hoch, um Inflation zu vermeiden. Die Leitzinsen wurden zeitweilig bis zu 12 % (kein Jahresdurchschnitt) angehoben, was zusätzliches Kapital anzog. Andere Staaten wie UK und Italien trauten sich nicht zu, diesen Abstand zum USD aufzubauen und hatten große Probleme in der Ölpreis-Krise 1973[28] die Öl-Rechnungen zu begleichen[29]. Der Ölpreis vervierfachte sich in dieser Zeit. Die Aufwertung der DM gegenüber dem USD verhalf Deutschland über die schwierige Zeit, denn die Öl-Preiserhöhungen in USD wurden durch die Aufwertung stark abgemildert.

Die US-Notenbank FED erhöhte mit dem Nixon-Schock den Leitzins, um den USD-Absturz aufzufangen, was die Exportwirtschaft beschädigte und das Wachstum blockierte. Deshalb wurden die Zinsen wieder gesenkt mit dem Ergebnis, dass die Inflation mit über 10 % zurückkam. Es war ein hektisches geldpolitischen Treiben, dass in der Therapie zwischen Wachstum und Inflation hin und her taktierte. Das Resultat war am Ende eine Stagflation, weil die Inflation selbst bei Stagnation der Wirtschaft nicht verschwinden wollte. 

Die Schwäche des USD führte zu einer heftigen importierten Inflation in den USA für alle ausländischen Produkte, besonders denen aus Japan und Deutschland. Auch das Öl verteuerte sich erheblich. Mit der Ölpreiserhöhung 1979 durch die Geschehnisse im Iran war es um die Stabilität der US-Wirtschaft komplett geschehen. Auch hier hat eine politische Inflation ohne Drehbuch die Notenbank zur rigorosen Zinserhöhung gezwungen: Die Kauflust qua Schulden sollte gebremst werden. Das gelang unter Paul Volcker mit Zinserhöhungen auf durchschnittlich über 16 % und in der Spitze von ca. 20 % im Jahr 1981. Eine Inflation, die über dem Zins liegt ist ein sicheres Zeichen für Fehlentwicklungen, die erst nach dem Volcker-Schock deutlich abnahmen.

Abbildung 6 zeigt die Problematik vor dem Volcker-Schock auf. Eine ähnliche Konstellation entstand im Euro-Raum nach der Staatschuldenkrise nach 2010 und gipfelt aktuell in einem realen Negativ-Zins von ca. minus 7 Prozent im EURO-Raum.   

Die Therapie vor dem Volcker-Schock versagte:

Der FED-Vorsitzende unter Nixon, Alfred Hayes, wollte Inflation und Rezession simultan bekämpfen. Er scheiterte mit der Stopp-and-Go-Politik.[30] Die Verbraucher konsumierten, weil sie weitere Preiserhöhungen erwarteten und die Unternehmen investierten nicht, weil sie weitere Zinserhöhungen mit negativen Nachfrage-Folgen erwarteten.

Das von John Maynard Keynes [31]immer wieder betonte Vertrauen als Basis für gleichgewichtiges Wachstum war dahin, denn die Notenbank war für die Marktakteure nicht mehr berechenbar. Paul Volcker stellte dieses Vertrauen durch deutliches Anheben des Leitzinses über die Inflation wieder her. Der Preis war eine heftige Rezession mit nachhaltigem stabilem Wachstum nach der Rosskur. Die Konsumenten beendeten den hektischen Kaufdrang, weil sie Vertrauen in das Ende der Inflation entwickelten. Die Kosten für neue Investitionen über Verschuldung waren vorerst so hoch, dass auch die Angebotsseite vorsichtig wurde.

Auf die heutige Situation bezogen wird mit Zinserhöhungen und dem Ende der lockeren Geldpolitik der Geldkreislauf verlangsamt. Als erstes trifft es die Baubranche und alle Ausgaben, die gewöhnlich mit Krediten (vor)finanziert werden. Eine Rezession ist unvermeidlich. Die politische Dimension der höheren Energiepreise durch Drosselung von Gaszufuhren und Öl-Embargos sind der Solidaritätspreis für die Unterstützung der Ukraine und der Abwehr russischen Imperialismus geschuldet. Wer das nicht will wie etwa die Ungarn innerhalb der EU, sollte sich ein anderes politisches Lager suchen.

Die Inflation ist in der Gesamtheit auf viele politische Fehler zurückzuführen:

  • Globalisierungsgläubigkeit und Glorifizierung von Just-in-time-Wertschöpfungsketten:
    • Entstehen von „teuren Abhängigkeiten“
    • Verlust von Know-How und Wettbewerbsfähigkeit
  • Appeasement-Politik gegenüber Russland
    • Rohstoffe werden deutlich teurer
    • Militär wird aufgerüstet
  • Festhalten an fossilen Energieträgern anstatt Ausbau erneuerbarer Energie:
    • Rechtzeitige Substitution hätte kostensenkende Wirkung
    • Die Kosten für Klimaschäden steigen.
  • Vernachlässigung der sozialen Frage (Verteilung):
    • Sozial schwache Gruppen müssen subventioniert werden.
    • Der Zusammenhalt in der Gesellschaft wird bedroht
    • Verzicht auf sozial gerechtfertigte Steuerausgaben und Hinnahme von Steueroasen
  • Geringschätzung/Übervorteilung von Schwellen- und Entwicklungsstaaten:
    • Finanzierung der Migrationen aus perspektivlosen Regionen
    • Diese Staaten wenden sich als Partner vom „Westen“ ab

Die Aufstellung zeigt, dass die politische Komponente von Inflation erheblich ist. Inflation ist nicht gottgegeben und außerhalb der undramatischen säkularen Inflation ist vieles möglich, Vertrauen in Preisstabilität zu schaffen. Geld ist in erster Linie ein Tauschmittel, auch dann, wenn es wie bei der Vermögensbildung der Aufbewahrung dient.

 Wenn das Tauschmittel ständig nennenswert verliert, geht auch das Vertrauen in Volkswirtschaft und Staat verloren. Aber auch die Funktion als liquides Aufbewahrungsmittel für die Alterssicherung ist nicht zu unterschätzen. Wenn über einen Zeitraum von 13 Jahre ein negativer Realzins von fünf Prozent hingenommen werden muss, geht die Hälfte der Ersparnisse verloren. Wir liegen aktuell bei minus sieben Prozent und die Phase der Negativzinsen beträgt nun schon über 10 Jahre bei einer kurzen Unterbrechung.