Verbrechen gegen die Menschlichkeit

1. März 2022 0 Von Uli Gierse
Selenskyj vor dem EU-Parlament am 1.3.2022

Auf meiner Liste der schweinemäßig nervigen Angelegenheiten der Verbrechen gegen die Menschlichkeit gibt es seit dem 24.02.2022 einen alten Bekannten, der vorher gar nicht auf der Liste war: Eroberungskrieg in Europa. Das schien nach dem 2. Weltkrieg erledigt.

Wenn man genau hingeschaut hätte, stimmte das aber nicht. Die Krim, die zur Ukraine gehört, wurde 2014 von Russland annektiert. Und mit den ostukrainischen, von prorussischen Separatisten kontrollierten Gebieten Donezk und Lugansk, herrscht seit 2014 Krieg.

Alte Quälgeister wie Antisemitismus, Rassismus oder Frauenfeindlichkeit rücken in den Hintergrund.

Wie konnte es dazu kommen, eine erste (emotionale) Analyse.

Man kann Kriege aus der Vogelperspektive wie ein Schachspiel analysieren. Russland möchte offensichtlich wieder eine imperiale Rolle spielen, und Putin reaktiviert dafür die Mittel des 19. Jahrhunderts, Soldaten und Waffensysteme. Aber dabei unterliegt er einem Missverständnis, Rohstoffhändler, erst recht fossile Rohstoffhändler, sind out. Er kann zwar die Ukraine zerstören, aber die wirtschaftlichen Folgen werden Russland nicht in der ersten Liga, sondern ins weltpolitische Aus katapultieren. Die USA und China sind die, die mit den Mitteln der technologischen Moderne in Liga 1 kämpfen. Und die EU wird durch Putin wachgerüttelt und an die Seite der USA gezwungen, die NATO revitalisiert.  In dieser Sichtweise wird  klar, Putins Pläne sind absurd. Er wird nicht als weltweit anerkannter Imperator enden, sondern als weltweit isolierter Kim Jong Un. Russland darf, solange die jetzigen Kriegsverbrecher herrschen,  nicht mehr mitspielen.

Der verbrecherische Angriff auf die Ukraine ist ein Weckruf an die westlich demokratischen Länder und ihre Einwohner um ihre Freiheit und Demokratie und den Frieden zu kämpfen. Und tatsächlich nimmt der “Westen” diese Aggression ernst und reagiert geschlossen. So gesehen wird aus dem Machtspiel ein Kampf um die Werte in den liberalen Demokratien. Und, da bin ich sicher, steht der Verlierer fest: Putin und leider das russische Volk.

Ja, der heldenhafte Kampf der Ukraine und ihres Präsidenten Wolodymyr Oleksandrowytsch Selenskyj, inspirieren die Demokraten in Europa und der Welt. Wir stehen vor einer neuen Phase der Geschichte, die Welt steuert auf eine Blockkonfrontation zwischen liberal demokratisch kapitalistischen Ländern und autoritär kapitalistischen Systemen zu. Eine Neutralität der Geschäftemacher (Schweiz, Deutschland, Japan, Australien etc.) wie in der Vergangenheit wird es nicht geben.

Das heißt leider auch, dass man sich auf bewaffnete Konflikte einstellen muss. Abschreckung ist daher leider das Gebot der Stunde.

Warum das alles? Aus Größenwahn, unverarbeiteter Vergangenheit, einer narzisstischen Kränkung?

Ich denke, man sollte nicht zu viel psychologisieren, denn das verstellt den Blick für die strukturellen Fragen. Das System Putin beruht auf dem Konsens der Eliten in Staat, Militär, Geheimdienst und den kleptomanen Oligarchen, die Rohstoffrenditen sich selbst anzueignen. Die Gesellschaft ist als Pyramide aufgebaut, das unterscheidet das System Putin nicht von der Herrschaft der sowjetischen Nomenklatura oder dem russischen Kaiserreich. Angeschissen wird immer das russische Volk. 1991 geschah dann etwas, was russische Nationalisten, Chauvinisten und Imperialisten aus der Fassung brachte. Nicht nur das Baltikum oder die kaukasischen Staaten sagten sich von der Russischen Föderation los, sondern auch „Kleinrussen“ und „Belarussen“. Die bisher abhängigen Verwandten verlassen das Haus Russland. Das war eine narzisstische Kränkung, nicht individuell, sondern strukturell. Die Stellung der “Großrussen” als chauvinistischen Patriarchen wurde nicht mehr anerkannt. Und das konnte nur von bösen Geheimdiensten der NATO inszeniert werden. Bullshit.

Cetero censeo: Verbrecher wie Putin müssen vor den Internationalen Strafgerichtshof gestellt werden.