Von Dämonen, Zauberwesen und dem Brett vorm Kopf des Bundeskanzlers

Von Dämonen, Zauberwesen und dem Brett vorm Kopf des Bundeskanzlers

16. September 2022 0 Von Uli Gierse

Goethe nannte sie Dämonen. Geister, die von einem Besitz ergreifen, spielen in den Diskussionen hier über den Krieg gegen die Ukraine eine größere Rolle als ich es mir als ehemaliger Geschichtslehrer hätte vorstellen können. (Inspiriert von Carlo Masala im neuen Sicherheitshalber Podcast vom 12.9.2022)

Für alle, die nicht mehr an Geister glauben, man nennt sie heute schlicht Narrative, eingängige Geschichten.

„Man darf Russland / Putin nicht demütigen.“

Ein Narrativ, welches anschließt an die deutsche Rechtfertigung als Rache für Versailles 1918 den Zweiten Weltkrieg angezettelt zu haben. Soll heißen, ein gedemütigter Feind ist zu allen möglichen irrationalen Reaktionen fähig. Bei Hitler ist das nicht auszuschließen. Putin ist jedoch kein Fanatiker, sondern steht einer mafiösen Kleptokratie vor, deren Profiteure vor allem eins wollen, im Luxus leben und in den westlichen Metropolen shoppen. Kurz, deren Erfolg wird nicht in immaterieller Ideologie berechnet, sondern in Dollar, Euro und Yachtlänge. Trotzdem ist es natürlich richtig, dass der „Westen“ ein paar Spielregeln beachtet: Nicht in Russland militärisch agieren und keinen Regimewechsel anzustreben. Aber ein Kriegsziel, welches die Wiederherstellung der Ukraine in den Grenzen von 2014 anstrebt, ist noch keine Demütigung, sondern entspricht dem Völkerrecht.

„Panzerschlachten, Stalingrad und Hiroshima“

Der zweite Dämon, der in Deutschland mächtig ist, ist die Vorstellung, dass Krieg immer so enden muss wie der Zweite Weltkrieg. Es gibt nur Schwarz-Weiß, Sieg oder Niederlage. Man stellt sich Krieg  als totalen Kampf von Panzerarmeen vor und am Ende werden Atombomben geworfen.

Deshalb hat es auch lange gebraucht bis die Deutschen die bedingungslose Kapitulation am 8. Mai 1945 auch ein wenig als den Tag der Befreiung vom Nazi-Wahn ansehen konnten. Es gibt nicht nur Sieg oder Niederlage, sondern auch die Chance, noch einmal neu anzufangen, das galt für Nazi-Deutschland 1945 und das gilt selbstverständlich auch für Russland, wenn es den Krieg gegen die Ukraine verlieren sollte.

Vielleicht ist das auch der Dämon, der Scholz beherrscht. Auf keinen Fall Panzer liefern, denn das ist Zweiter Weltkrieg.

„Inflation“

Und da Putin als ehemaliger (?) KGB-Agent viel von Dämonen weiß, ist sein Wirtschaftskrieg gegen die EU und vor allem Deutschland darauf aus, den deutschen Dämon „Inflation“ als Waffe einzusetzen. Dieses Narrativ wird sowohl von ganz rechts wie auch von der Wagenknechtfraktion innerhalb der Linken aktuell stark befeuert. Es zielt auf den Mittelstand, der, auch das hat man 1933 gesehen, aus Angst um ihr Eigentum bereit ist, auch extreme Lösungen als Chance, den Dämon loszuwerden, ansehen kann. Putin würde aber schon reichen, wenn Deutschland Wagenknecht folgt und die Sanktionen, die langsam zu wirken scheinen, wieder aufhebt. Dann fließt auch das Gas und alles ist gut.

Nichts ist gut! Diese Dämonen können aktuell nur von den tapferen Ukrainern bekämpft und besiegt werden. Geister bekämpft man am besten mit gepanzerten Fahrzeugen: Mardern, Leoparden, Füchsen und Dingos. Zum mindestens letztere sind ja von Scholz jetzt bewilligt worden.

Und das sind keine Zauberwesen, die außer Kontrolle geraten könnten, sondern Mittel die ukrainische Infanterie besser zu schützen. Auch die dämliche Argumentation, die Ausbildung dauere zu lange (Klingbeil), ist reine deutsche Überheblichkeit. Denn das sind, wie gesagt, keine Zauberwaffen, sondern ganz normale Panzer wie auch die schon gelieferten Geparden.  

Irgendwann wird das deutsche Zögern zur unterlassenen Hilfeleistung, die kriegsrelevant sein könnte. Ich möchte das, bitte, nicht erleben!