Wirtschaft, Wirtschaft!

17. März 2022 3 Von Uli Gierse

Ich bin sehr angefasst nach der Rede des ukrainischen Präsidenten vor dem Deutschen Bundestag, heute. Genauer, mir kamen die Tränen vor Rührung und ich schäme mich für die Bundesregierung.

Woldymyr Selenskyi hat Recht.

Es ging und geht der Bundesrepublik Deutschland in der Zeit nach 2014, als jede/r wissen konnte, dass auf Putin kein völkerrechtlicher Verlass ist, ausschließlich um die Sicherung von preiswerter fossiler Energie für die deutsche Wirtschaft. Das meinte wahrscheinlich auch das Wording von der rein privatwirtschaftlichen Bedeutung von Nord Stream I und II. Dabei war schon immer klar, dass es Russland bei den Pipelines vor allem um die geopolitische Umgehung der Ukraine und Polens ging, um in einer geopolitischen Eskalation wie aktuell weiter Gas nach Deutschland liefern zu können und Deutschland als Gasjunkie weiter an der Spritze halten zu können. Das ist alles „wunderbar“ aufgegangen. Orchestriert durch die Putinlobbyisten in der SPD und der Union hat sich Deutschland in eine fatale Abhängigkeit von russischen Rohstoffen gebracht. Wlodymyr Selenskyi hat Recht, damit hat sich Deutschland mitschuldig gemacht am Bau der neuen Mauer durch Europa, die nach dem Willen Putins die alten Grenzen der Sowjetunion umschließen soll und deren imperiale Einflusszone das Gebiet der ehemaligen Warschauer Pakt – Staaten umfassen soll.

Und er fordert zu Recht, dass Deutschland alles, was möglich ist, tut um die Ukrainer zu unterstützen.

Dabei ist es sinnvoll immer einen kühlen Kopf zu bewahren, das war sicher auch der Grund, den Bundestag an einer Debatte im Anschluss an die Selenskyirede zu hindern. Kühl heißt, verantwortlich und rational zu entscheiden.

Da verstehe ich die Sorge, dass ein aktives Eingreifen der NATO z.B. im Luftraum der Ukraine, zu einer Eskalation bis hin zu einer atomaren Auseinandersetzung zwischen NATO und Russland führen könnte. Das Risiko ist zwar meiner Meinung nach gering, aber nicht auszuschließen.

Was ich nicht verstehe ist, dass es kein vollständiges Embargo der russischen Wirtschaft gibt, um den Krieg bei einem Kollaps der russischen Wirtschaft schnell beenden zu können. Schnell heißt, bis zum Sommer. Man könnte also ein befristetes Embargo für Gas, Öl und Kohle beschließen, welches solange gilt bis es zu einem tatsächlichen Waffenstillstand und ernsthaften Verhandlungen kommt.

Mit so einem Ultimatum würde wahrscheinlich Gas und Öl im Herbst wieder fließen können. Und wenn es nicht fließt, dann müsste man eben wirtschaftliche und persönliche Einschränkungen zur Verhinderung des Baus einer Mauer in Kauf nehmen. “Wirtschaft, Wirtschaft” ist nicht alles, denn dann wäre das chinesische Modell wahrscheinlich das No-Plus-Ultra.

Danke, Präsident Selenskyi!