Glaskugel sei wachsam

30. Mai 2022 2 Von Uli Gierse

Stand heute möchte ich eine Prognose abgeben über den Verlauf des Angriffskriegs Russlands gegen die Ukraine aus “deutscher” Sicht. (Wahrscheinlich deshalb, um hinterher recht zu haben. )

Frankreich und Deutschland, personifiziert in Macron und Scholz, sind offensichtlich davon überzeugt, dass die Ukraine den Krieg nicht gewinnen kann und daher ein Kriegsziel, die Ukraine soll gewinnen, Unsinn sei. Auch die sogenannten Realpolitiker in den USA werden je länger der Krieg dauert ähnlich ticken wie Henry Kissinger, der die Ukraine schon mal auffordert, sich auf territoriale Zugeständnisse einzustellen. Der deutsche und französische Wunsch ist es, mit einem Minsk III-Abkommen als europäische Scheinriesen zurück auf dem Risikospielfeld zu sein. Und dann kann man sich, wie es der Fraktionsvorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion Mützenich ausdrückt, wieder um die wichtigen Dinge kümmern. Der Krieg stört da nur.

Auch die Parteispitzen von FDP und Grünen (inklusive der BundesministerInnen) stehen öffentlich hinter dem Scholz-Kurs, abzuwägen und abzuwägen bis der Krieg in seine erste Erschöpfungsphase geht. Diskutiert wird nur hinter verschlossenen Türen. “Wir haben einen guten Kanzler und das ist Olaf Scholz” (Habeck am Sonntag in der Welt am Sonntag). Forderungen nach einem konstruktiven Misstrauensvotum sind zwar verständlich, real aber völlig unwahrscheinlich.

Ich halte den Versuch, den Krieg mit territorialen Zugeständnissen zu beenden, durchaus für eine diskutable Position, glaube aber, dass die Rechnung leider ohne den Wirt gemacht wird. Putin wird nicht zurückstecken, wenn man ihm den Donbass als Beute abtritt. Denn das war genauso wenig das Kriegsziel wie die Neutralität der Ukraine, sondern nur ein vorgeschobener Interventionspunkt (Völkermord an den “Russen” im Donbass). Kriegsziel ist die Vernichtung der ukrainischen nationalen Identität und darüber hinaus die Wiederherstellung der Machtposition Russlands in Europa am liebsten wie nach 1945. Man müsste daher bei einem Waffenstillstand noch mehr Waffen als heute liefern, um eine Fortsetzung des Kriegs abzuschrecken. Diese Waffen sind allerdings nicht da.

Deutschland wird sich daher vorwerfen lassen müssen, die Eskalation des Krieges in Richtung Odessa / Moldavien mit provoziert zu haben, da man sich weigert ausgemusterte Kampf- und Schützenpanzer an die Ukraine zu liefern.

Das Abschneiden der Ukraine vom Meerzugang bedeutet zudem deren ökonomischen Kollaps mitzuverantworten. Gleichzeitig wird dadurch eine EU-Mitgliedschaft sehr erschwert, auch das ist von einigen sicher erwünscht.

Meiner Meinung nach kann und muss man Russlands Vernichtungskrieg nur jetzt stoppen, wo die personellen Ressourcen Moskaus noch beschränkt sind.

Die Alternative wäre, man unterwirft sich der Logik Putins.

Und für die Skeptiker: Ja, das ist gefährlich, Abwarten aber ist noch gefährlicher.