Neue Blockkonfrontation als Geschäftsmodell

12. April 2022 0 Von Uli Gierse

In den spanisch sprechenden Ländern hat der russische Propagandasender RT besonders viel Erfolg, heißt es heute in der SZ. Allein auf Facebook hat er 18 Millionen Follower. Vor allem in Mittel- und Südamerika hat man ein offenes Ohr für die Propaganda des Kreml, denn Russland wird immer noch als der natürliche Gegenspieler der verhassten Yankees betrachtet. Und das wirkt: So lädt etwa C5N, Argentiniens zweitwichtigster Nachrichtensender regelmäßig Journalisten von RT ein, um sich die Lage in der Ukraine erklären zu lassen. In Mexico übernahm La Jornada, eine der aufklagenstärksten Zeitungen, Russlands Version vom Massaker in Butscha: Täuschungsmanöver war der Aufmacher auf der Titelseite. RT sendet weltweit in Englisch, Französisch, Deutsch und Spanisch.

Das passt gut zur neuesten Wendung im Propagandakrieg. Der russische Außenminister Sergej Lawrow kündigte am 11.4. an, der „Sonderoperation“ ginge es vor allem auch darum, den „rücksichtslosen Kurs“ der USA zur globale Dominanz zu beenden. Dies steht mit der russischen Propaganda im Einklang, warum die „Sonderoperation“ sich verzögert hat. Angeblich  kämpfe Russland in der Ukraine nicht gegen die Ukraine und den ukrainischen „Nazis“ , sondern gegen die USA und die NATO, heißt es. Niemals werde sein Land eine Weltordnung akzeptieren, die von den USA dominiert werde. Die Vereinigten Staaten gebärdeten sich wie ein Sheriff, der im Saloon das Sagen haben wolle. Russland werde sich nach Osten – Richtung China und Indien – orientieren.

Gleichzeitig sehen wir staunend, dass sich das EU-Land Ungarn einem rechtspopulistischem Demagogen wie Victor Orban erneut anschließt, der seinen Wahlsieg vor allem der Ablehnung jeder Hilfe für die Ukraine zu verdanken hat. Wir erleben, dass in Frankreich die radikale Rechte über 30% der Stimmen im ersten Wahlgang zur Präsidentenwahl bekommt und mit dem Linkspopulisten Melenchon, die EU-Gegner über 50% der Stimmen bekommen haben. Antiamerikanismus ist global offensichtlich klar in der Mehrheit. Das ist leider auch das Produkt der häufig eher als rücksichtslos und arrogant empfundenen Agierens der nach dem Zusammenbruch des kommunistischen Blocks einzig übrig geblieben Supermacht. Aber Antiamerikanismus ist auch ein gut funktionierendes Narrativ, um von eigenen Problemen abzulenken indem man einen äußeren Feind konstruiert.

Getreu dem Motto, der Feind meines Feindes ist mein Freund, plant der Kreml offensichtlich unter dem Deckmantel des Antiimperialismus eine neue Blockkonfrontation. Das passt gut als Geschäftsmodell für einen Rohstoffhändler mit angeschlossener Rüstungsindustrie.

Interessant ist, dass altlinke Narrative wie Antiimperialismus, Antifaschismus und, ja auch Antisemitismus als Globalisierungsmetapher, fröhlich im rechtsradikalen, putinschen Gewand wieder auferstehen.

Da bewahrheitet sich wieder einmal die Totalitarismus-These Hannah Arendts. Das ist keine Hufeisentheorie, sondern orientiert sich an gemeinsamen Merkmalen wie zum Beispiel, dass eine falsche Gesinnung scharf sanktioniert wird.

Menschenrechte und liberale Demokratie sind daher antagonistisch zu totalitären Staaten wie Russland und stehen im Krieg, den die Ukraine gegen das imperialistische Russland austrägt, auf der Kriegsbank. Und deshalb ist es ein schwerer politischer Fehler, wenn man meint, sich in Sorge um den Profit der energiefressenden Alt-Industrie möglichst aus dem Krieg raushalten zu können.

Wir befinden uns im Krieg, der aktuell stellvertretend für die westlichen Demokratien von der Ukraine ausgefochten wird. Und sollten daher auch so handeln als ginge es um unsere Sicherheit.

Denn sollte Putin diesen Krieg gewinnen, dann haben wir die neue globale Blockkonfrontation als Folge. Gegen die dann notwendige Entflechtung allein von der chinesischen Wirtschaft wird ein Energieembargo gegen Russland ökonomisch ein Kinderspiel sein. (Siehe auch https://www.feininger.eu/hat-der-ukraine-krieg-die-dividende-der-globalisierung-pulverisiert/ )