Warum werden zunehmend rechtsradikale Parteien gewählt?
Sonneberg ist ein Menetekel, erstmalig siegt ein rechtsradikaler Kandidat gegen ein Bündnis aller demokratischen Parteien. Wie konnte es dazu kommen? Es herrscht Ratlosigkeit vor.
Selbstverständlich ist die Lage komplex, sonst gäbe es ja auch kein Problem.
Merz meint die Ampel sei schuld, insbesondere die Grünen und wenn man die Grünen nur noch härter bekämpfte könne auch AfD-Wähler überzeugen. Verloren hat der CDU-Kandiadt, der aber auch die Schuld bei der Ampel sieht. SPD und Grüne sehen die CDU in der Verantwortung, denn die habe sich verbal der AfD angepasst und damit deren Positionen normalisiert. Dieses Argument wird von Jan Böhmermann zugespitzt, nicht die Anpassung an Rechts sei allein das Problem, sondern der ungenügende Kampf gegen rechts, das sieht die Antifa sicher ähnlich.
Ergebnis sei dann:
Daneben gibt es immer wieder die Erzählung, die ihr Vorbild in den angeblichen Gründen für den Nazierfolg in der Weimarer Republik wieder aufnimmt: diese Wähler seinen durch Ängste vor dem sozialen Abstieg zu Rechtsradikalen geworden. Wobei es eigentlich richtig Angst vor dem wirtschaftlichen Abstieg heißen müsste, denn hier geht es um Jobs und deren Bezahlung.
Annika Joeres hat das in der ZEIT vom 19.Juni so analysiert:
Ein guter Text, aber dann wäre das in Sonnenberg nicht passiert. Denn die wirtschaftliche Lage im kleinen südthüringen´schen Landkreis, der Teil der Metropolregion Nürnberg ist, ist eigentlich gut. Der Landkreis liegt im bundesdeutschen Mittelfeld und sowohl in Berlin als auch zum Beispiel im Landkreis Lüchow-Dannenberg ist das Durchschnittseinkommen kleiner.
Ich glaube deshalb, dass der zweite Punkt, den Joeres in ihrem Text anspricht, das wesentlich größere Problem benennt:
Hannah Arendt nennt es „Verlassenheit“, auf englisch „lonliness“ (Einsamkeit), dem Verlust an einem sozialem Gegenüber, der Menschen empfänglich macht für die Bindung an rechts- wie linksradikalen Bewegungen, die zum einen Schutz und zum anderen eine Ideologie anbieten, die die Ursache für das eigene Unwohlsein benennt. Aktuell sind das vor allem identitäre Ideologien von Überfremdung durch Einwanderung. Und eine antistaatliches Narrativ, dem Kampf gegen die da oben, die ein „normales“ Leben mit Currywurst und SUV zerstören oder gar die Ölheizung rausreißen wollen.
Dieser Kulturkampf funktioniert, weil alle demokratischen Parteien rechts der Mitte sich anschließen mit der Parole: Gegen “Habeck” und das links-versiffte Kreuzberg mit Lastenrädern und Gendern. Dieser Kulturkampf ist sicher nicht durch die Böhmermannpose, hart dagegen, zu gewinnen, sondern nur durch die Stärkung der Zivilgesellschaft und dem Neuaufbau von öffentlichen Orten in den Landkreisen und den abgehängten Vierteln der Großstädte durch die Schaffung von Kommunikationsorten und sozialer Wärme durch Geselligkeit. Das ist aber, und deshalb wird er wahrscheinlich gar nicht erst angefangen, ein langfristiger Kampf um soziale Wärme, um die tatsächliche Umsetzung von Freiheit zusammen mit anderen. Jede Streichung von Mitteln dagegen, wie in den aktuellen Haushaltsplänen geplant, ist selbstzerstörerisch. Die symbolische Erhöhung des Mindestlohns ebenfalls. Der Kampf gegen Rechts ist kein Nebenpunkt, nichts für Bierzelte, wenn man weiß, dass rechtsradikale Politik in der Regel tödlich endet.