Bei CDU/CSU und SPD feiert die neoliberale  Denke des 20. Jahrhunderts fröhlich Urständ

Bei CDU/CSU und SPD feiert die neoliberale Denke des 20. Jahrhunderts fröhlich Urständ

9. März 2025 0 Von Uli Gierse

„Mit einem Sondervermögen von 500 Milliarden Euro bringen wir unser Land wieder in Form – durch Investitionen in Straßen, Schienen, Bildung, Digitalisierung, Energie und Gesundheit. Gleichzeitig sichern wir mit zusätzlichen Mitteln die Verteidigungsfähigkeit Deutschlands und Europas, denn der Schutz unserer Freiheit ist unverzichtbar. Klar ist, dass wir die Ukraine weiter unterstützen wollen.(…) Bekenntnis zu Klimazielen: Wir stehen zu den deutschen und europäischen Klimazielen, wohlwissend, dass die Erderwärmung ein globales Problem ist und die Weltgemeinschaft es gemeinsam lösen muss. Wir arbeiten entschlossen daran, diese Klimaziele einzuhalten. Wir wollen Klimaschutz, soziale Ausgewogenheit und wirtschaftliches Wachstum pragmatisch und unbürokratisch zusammenbringen.“[1]

Im Antrag zum Sondervermögen heißt es jedoch lediglich, dass dieses „für Investitionen in Infrastruktur“ dienen soll. Eine nähere Spezifizierung wie sie im Sondierungspapier vorgenommen wird fehlt. Näheres soll durch ein Bundesgesetz konkretisiert werden. Auf gut Deutsch, die Grünen sollen einen Blankocheck von 500 Mrd. für die Wahlgeschenke der schwarz-roten Koalition unterschreiben.

Die Grundgesetzänderung zur Aufhebung der Schuldenbremse für die Wiederherstellung der Verteidigungsfähigkeit sollte für die Grünen kein Problem sein, das Sondervermögen ist allerdings nicht zustimmungsfähig, sondern sollte vom neuen Bundestag konkretisiert werden. Das dafür die Stimmen der Linken erforderlich sind, ist kein Nachteil, sondern die Prüfung der Realitätstauglichkeit der „neuen“(?) Linken.

Das, was im Sondierungspapier vorgestellt wird, ist absolut dürftig. Neben den großmäuligen Drohungen gegen Einwanderer wird nur Klientelpolitik (Gastwirte, Pendler) gemacht. Das Papier zeigt, dass weder die Union noch die SPD eine Vorstellung von der geopolitisch notwendigen Zeitenwende haben. Offensichtlich hat man weder eine Idee gegen den Neoimperialismus Russland, noch dem der neuen US-Regierung. Wirtschaftspolitisch, aber vor allem in Bezug auf die notwendigen nationalen wie globalen Maßnahmen gegen die Erderhitzung hat nur neoliberale Antworten. Aber auch in der Sozialpolitik stimmt offensichtlich die SPD der neoliberalen Ideologie der Union zu wie man an den Maßnahmen gegen Bürgergeldempfänger sieht.

Die Individualisierung der Verantwortung für prekäre Armut wirkt sich beim  Bürgergeld so aus: Es wird erwartet, dass jeder für seinen eigenen Erfolg oder Misserfolg verantwortlich ist. Jemand, der das für sich nicht klarkriegt, soll auch keinen Anspruch durch das Bürgergeld haben. „Bei Menschen, die arbeiten können und wiederholt zumutbare Arbeit verweigern, wird ein vollständiger Leistungsentzug vorgenommen.“

Sozialpolitik wird als Wettbewerb organisiert. Anstatt Zusammenarbeit und kollektive Lösungen zu fördern, wird der Einzelne in eine Konkurrenzsituation gedrängt. Auch das Führt dazu, dass soziale Bindungen schwächer werden, da Menschen dazu neigen, sich selbst zu maximieren, statt sich gegenseitig zu unterstützen. Und das wiederum ist eine der wesentlichen Ursachen für Rechtsradikalismus, gesellschaftliche oder soziale Einsamkeit ist der fruchtbare Boden für ideologische Verbohrtheit. (Siehe mein Buch.)

Eingriffe zur Minimierung von sozialer Ungleichheit und einer gerechten Teilhabe an öffentlciehn Aufgaben zum Beispiel durch eine Vermögenssteuer oder Reform der Erbschaftssteuer, gar eine Milliardärs-Steuer, sind nicht geplant. Ebensowenig kommen ökologische Maßnahmen wie der Abbau klimaschädlicher Subventionen für fossile Brennstoffe oder gar Eingriffe in die freie Fahrt auf den Autobahnen vor.

Wenn es heute nur noch um die Verteidigung des eigenen Konsumverhaltens geht, ist der Kampf gegen die Erdhitzung verloren, aber nicht nur der. Artenschutz und nachhaltigen Ressourcenverbrauch sind dann unmöglich. Wenn wir so weiter machen, wird der Earth Overshoot Day sich weiter in Richtung Januar bewegen.

Fälschlicherweise dachte man, dass die imperialistische Inbesitznahme von konkreten Ländern schon im 20. Jahrhundert gescheitert wäre, das Verhalten Russlands und auch das Trump`sche Gerede deuten allerdings auf eine Renaissance des Imperialismus, des Rechts des Stärkeren, hin.

Real gab es das aber auch schon länger, wenn man sich das konkrete Handeln der multinationalen Konzerne ansieht, die die Länder des globalen Südens als billige Rohstofflieferanten betrachten und die Umwelt ohne Rücksicht auf die lokalen Gemeinschaften oder Ökosysteme ausbeuteten. Die Folgen dieser Praxis werden häufig nicht in die Kalkulation der Kosten und Gewinne einbezogen. Diese Form der Ressourcenextraktion erinnert an koloniale Praktiken, bei denen die natürlichen Ressourcen von ehemals kolonialisierten Gebieten für die Vorteile anderer Länder ausgebeutet wurden. Die Auswirkungen des Klimawandels sind weltweit ungleich verteilt. Die am stärksten betroffenen Regionen sind oft auch die, die am wenigsten zur Verursachung des Klimawandels beigetragen haben – nämlich viele Länder im globalen Süden. Neoliberale Wirtschaftspolitik fördert die Interessen der Industrieländer und multinationaler Konzerne, während die Stimmen und Bedürfnisse der am stärksten betroffenen Länder ignoriert werden. Dies verstärkt die ungleichen Machtverhältnisse und macht deutlich, wie koloniale Strukturen im modernen globalen Kapitalismus weiter bestehen.

Ein weiteres koloniales Element im neoliberalen Ansatz besteht darin, dass die negativen Auswirkungen des Klimawandels (wie Überschwemmungen, Dürren und Naturkatastrophen) oft in ärmeren Ländern und bei benachteiligten Bevölkerungsgruppen anfallen. Diese Länder haben kaum die Mittel oder die Macht, sich gegen die Auswirkungen zu schützen, die oft durch die Industrialisierung der wohlhabenderen Länder verursacht wurden. Neoliberalismus bietet wenig Unterstützung für eine gerechte Umverteilung der Ressourcen, um diese globalen Ungleichgewichte zu adressieren, was zu einem weiteren Verschärfen der globalen Ungleichheiten führt.

Der neoliberale Fokus auf globalen Handel, die Förderung von Investitionen und die Maximierung von Gewinnen führen häufig zu einer Fortsetzung kolonialer Denkmuster, indem sie bestehende Machtstrukturen und Ungleichgewichte aufrechterhalten. Diese Denkmuster manifestieren sich auch in den globalen Klimaverhandlungen, wo reiche Länder ihre Verantwortung für den Klimawandel herunterspielen und arme Länder, die am wenigsten zur Krise beigetragen haben, weiterhin die Hauptlast der Konsequenzen tragen müssen.

Um eine gerechte und nachhaltige Zukunft zu schaffen, ist ein Umdenken erforderlich, das die Bedürfnisse der am stärksten betroffenen Länder und Generationen in den Mittelpunkt stellt und nicht nur den freien Markt.

Kurz und gut, die Investitionen in Autobahnen und Brücken sind notwendig, aber ohne ein Konzept der ökologischen Transformation, national wie global, ist das alles nichts. Es ist schlicht sinnlos und deshalb auch nicht zustimmungsfähig. Dazu braucht man Konzepte und eine andere Denke und nicht ein Sondervermögen, welches die Politik der Gießkanne zumindest in den nächsten 10 Jahren festschreibt.


[1] https://www.spd.de/fileadmin/Dokumente/Sonstiges/20250308_Sondierungspapier_CDU_CSU_SPD.pdf