Die AfD braucht den Kampf gegen Windräder

Die AfD braucht den Kampf gegen Windräder

12. Januar 2025 1 Von Uli Gierse

Ein Video-Clip zeigt Alice Weidel wie sie in ihrer Bewerbungsrede auf dem AfD- Parteitag mit verzerrtem Gesicht und die Arme breit verschränkt schreit: „Und ich kann euch sagen, wenn wir am Ruder sind, wir reßen alle Windkrafträder nieder. Nieder! Nieder mit diesen Windmühlen der Schande!“ Jeder vernünftige Mensch – selbst Friedrich Merz – weiß, dass das Unsinn ist, will man in Deutschland nicht den Strom abstellen. Aber Weidel geht es gar nicht um eine politische Sachaussage, sondern um die Verstärkung einer Emotion, die auch Merz hat, Windmühlen sind hässlich. Wir – die AfD – machen das, was der Bürger vor Ort will – Windräder weg! Dieser inhaltliche Bullshit zielt auf die Emotionen und die brauchen Rechtsextreme, um eine Erregungssituation am Kochen zu halten, die die eigenen Anhänger mobilisiert. Die Anti-Grünen- Rhetorik von Söder oder das In-Zweifel-Ziehen der deutschen Staatsbürgerschaft für Einwanderer durch Merz will dieselben Emotionen bedienen. Letztlich geht es darum, Hass zu erzeugen, egal wogegen.

Immer mehr Bullshit, das gehört zum Wesenskern einer faschistischen Bewegung, denn das Wesensmerkmal aller faschistischen Bewegungen ist die permanente Mobilisierung. Dazu dienen Stimmungen, Emotionen, und vor allem Hass. Mobilisierung ist immer spiralförmig und zeigt nach oben, das heißt, es muss immer weiter zugespitzt werden. Bricht die Mobilisierung ein, verlieren die Anhänger die Aufmerksamkeit und der Reiz der Bewegung geht verloren. Neurologisch kann man das so erklären: Traditionelle Medien, also Zeitungen, Radio- und Fernsehsender, aber auch die Schulbildung richten sich an die linke Hirnhälfte, wo Sprache, Vernunft und Argumente zu Hause sind. Soziale Medien zielen dagegen in die rechte Hirnhälfte mit der Erzeugung von Emotionen und Bildern, egal ob politisch oder privat. Fake-News, hat man festgestellt, verbreiten sich schneller und weiter als langweilige Fakten über die reale Welt. Diese Schwäche der menschlichen Spezies, vor allem an Klatsch und Trasch, an Emotionen Geschichten und an Skandalen interessiert zu sein, machen sich Musk, Zuckerberg oder TikTok zu Nutze.   

Bewegungen nutzen ebenfalls die emotionalen Kanäle der Kommunikation, auch fortschrittliche. Unverzichtbar ist die Emotionalkisierung von Politik aber für Faschisten. Das beschreibt der Nazi-Ideologen Carl Schmitt so: „Für eine Bewegung gibt es nur eine Sache, die zählt, und das ist, dass sie beständig in Bewegung bleibt. Denn „die Bewegung ist sowohl Staat wie Volk, und weder der heutige Staat … noch das heutige Volk wären ohne die Bewegung auch nur vorstellbar.“[1]

Rechten Bewegungen geht es gar nicht darum, die Wirklichkeit real zu verbessern, sondern es wird eine fiktive Welt als Fluchtort aus der realen Wirklichkeit konstruiert oder phantasiert. Es ist daher wahrscheinlich auch eine Illusion, wenn man meint, Parteien wie die AfD inhaltlich stellen zu können.[1] In einer fiktiven Welt gelten die Inhalte der realen Welt nicht. Man bietet Systemfeinden damit nur eine weitere Bühne. Man kann sie nur bekämpfen, indem man die Wirklichkeit so reformiert, dass sie genügende Bindungskräfte entwickelt, welche ein Abbiegen in eine fiktive Welt verhindern.

Wenn dieser Umstand nicht berücksichtigt wird, dann passieren Fehler wie die diplomatischen Beschwichtigungsversuche der nichttotalitären Welt im Münchener Abkommen oder im Jalta-Abkommen. Jedesmal, wenn man meint, diplomatische Siege errungen zu haben, die kurzzeitig Gewalttätigkeit und Krieg zu vermeiden versuchten, stellte sich heraus, dass es Pyrrhus-Siege waren und die totalitäre Regierung auf Kompromisswilligkeit mit verstärkter Feindseligkeit reagierte. (Könnte sich in der Ukraine wiederholen.)

Man kann totalitäre Bewegungen und Institutionen nicht verstehen, wenn man quasi mit dem gesunden Menschenverstand die bekannten Maßstäbe des „Interesses und der Zweckmäßigkeit“ anlegt. Dagegen ist es leicht, das, was sie tun, zu begreifen, wenn man den Totalitätsanspruch ernst nimmt und einmal annimmt, dass totale Herrschaft keine Utopie ist. Totalitäre Systeme tun das, was sie sagen. Da man dieses Denken nicht gewohnt sei, hält man es auch dann für nicht wahr, wenn es tatsächlich geschieht.

Das heißt konkret: Jede faschistische Bewegung lebt davon, jedes noch verbliebene Tabu anzugreifen. Jedes. Das hält die Anhängerschaft bei Laune und übt einen Sog-Effekt auf andere aus, die noch Bedenken haben, sich anzuschließen. Mit anderen Worten: Aus Abschiebe-Forderungen gegen einzelne Straftäter, werden Ausweisungs-Forderungen gegen ganze Menschengruppen. Zuerst die Menschen ohne feste Beschäftigung, dann gegen z.B. arabischen Einwandern bis Remigration aller MigrantInnen. Und wenn das real nicht möglich ist, wird die nächste Eskalationsstufe die physische Ausrottung sein.

Entscheidend ist, ob die Massenbasis erreicht wird und diese auch erhalten bleiben kann. Das sieht man in Riesa sehr deutlich, das faschistische Spitzenpersonal sieht keinen Grund mehr, sich verbal einzuhegen und sich gesellschaftlichen Normen zu unterwerfen, weil ihre Zielgruppe und Anhängerschaft bereits so groß ist, dass sie ein kritisches Potential darstellt. Es gibt derzeit kein einziges Anzeichen, dass neuerliche „Nazi-Skandale“ wie noch die Debatte um Remigration 2023 der faschistischen Bewegung schaden würden, im Gegenteil.

Umso gefährlicher ist die vermeintliche Einhegungsstrategie von Parteien wie der ÖVP in Österreich oder die rhetorische und inhaltliche Anpassung der CDU/CSU/FDP im Bundestagswahlkampf.

Zum Schluss noch ein Punkt: Die faschistische Bewegung macht Anti-Politik, nicht Politik. Sie steht diametral zu herkömmlichen Politikprinzipien (Debatte, Diskurs, Sachlösungen) und setzt auf etwas anderes: auf die Macht der Stärksten. Da trifft sie sich mit autoritären Cyberlibertären wie Musk oder Zuckerberg, die vertreten das Prinzip einer Mobilisierung durch Polarisierung, gesteuert durch die Algorithmen ihrer Social-Media-Plattformen. Hier werden Emotionen bis zum Hass zum neuen Geschäftsprinzip für Profite in Milliardenhöhe.  Und warum muss „Big Brother“ wie in Orwells Dystopie „1984“ immer zentral von einem staatlichen Gewaltapparat organisiert und kontrolliert werden? Tech-Unternehmen können das doch besser und viel subtiler, allein deshalb dürfen wir nicht naiv sein und auf die Propaganda der angeblich freien Meinungsäußerung hereinfallen.


[1] Schmitt, Carl

[2] Dazu ausführlicher: Ulrich Gierse: Vorbild Hannah Arendt. Aktive Politik gegen den Hass.

[3] Arendt, Hannah: Eichmann in Jerusalem. S.92

[4] Arendt, Hannah: Eichmann in Jerusalem. S.92

[5] Arendt, Hannah: Eichmann in Jerusalem. S.764


[1] Um so absurder die Idee von ARD und ZDF zwei Duelle veranstalten zu wollen: Merz gegen Scholz und Habeck gegen Weidel. Das erste Format ist parteiisch und das zweite Unsinn. Journalistisch korrekt gibt es nur ein Format: ein Triell mit Merz, Habeck und Scholz. Weidel gehört da nicht hin, weil sie das Konzept einer parlamentarischen Demokratie mit Verhältniswahlrecht, Konsens und Kompromiss, ablehnt.