
Gibt es für die Politik in der demokratischen Mitte im Zeitalter der Erderwärmung auch Kipppunkte?
Nach der Bundestagswahl ist vor dem nächsten Kipppunkt.
Nun kommt erst mal schwarz-rot. Wahrscheinlich vier Jahre Stillstand. Die AfD ist nun bei 20% und wenn sie nicht doch noch verboten werden sollte, dann ist sie 2029, wenn es die schwarz-rote Regierung nicht völlig verkackt, bei 30%. Und das alles, weil Robert Habeck und die Grünen gescheitert sind.
Robert Habeck hatte das Wagnis auf sich genommen, Mehrheiten für einen moderaten Wandel zu mobilisieren. Dieser neue Politikstil und einer Bündnispolitik, die Brücken bauen will und Kompromisse als normales Ziel von Politik begreift, ist jedoch krachend gescheitert. Ricarda Lang fordert dagegen, mehr zu kämpfen – die Leute wollen uns kämpfen sehen.
Doch gibt es wirklich eine Alternative zur Habeck-Politik? Die Reichinnek-Performance? Das gab es doch schon zwischen 1982 und 1998 bei den Grünen, ohne Erfolg, gut für 10%.
Habeck hat erstmals den Versuch gemacht, die Komplexität der Wirklichkeit in der Politik nicht zu unterschlagen, sondern sie zu erklären. Er hat keine apokalyptischen Dystopien über den Klimawandel (wie ich unten) oder die Rechtsentwicklung an die Wand gemalt, sondern Zuversicht plakatiert nach dem Motto „Wir schaffen das.“, Deutschland hat so viel Potential. Doch dieser Versuch ist genauso gescheitert wie der von Angela Merkel, die 2015 in der „Flüchtlingskrise“ versucht hat, aus ihrer Totstellnummer herauszukommen. Das hat damals wie heute nicht funktioniert, im Gegenteil ist 2015 durch die Merkel`sche Hinwendung zu einer humanen Flüchtlingspolitik die damals so gut wie tote AfD reanimiert worden. Dasselbe hat dann Merz 2025 fertiggebracht, als er einen Antrag zur Zurückweisung an der Grenze mit Hilfe der AfD im Bundestag verabschieden wollte, er hat sogar auch noch die Linke mit reanimiert. Anpassung an Rechtspopulisten, zeigt jede Studie, führt nur zu deren Normalisierung und rassistische Narrative sind der beste Trigger für rechtspopulistische Politik. Die gesellschaftliche wie politische Mitte hat bei Polarisierungskampagnen immer schlechte Karten, denn den Wettbewerb um die radikalsten Forderungen können Parteien, die einen Konsens in der Mitte anstreben, nicht gewinnen. Doch woran ist Habeck gescheitert?
Offensichtlich sind zwei von drei Wählern und Innen nicht bereit, sich ernsthaft auf die Herausforderungen der Zukunft einzulassen und dazu bereit zu sein, eine Umstellung auf eine nicht fossile Zukunft mitzumachen. Doch eine Wählerbeschimpfung wäre zu billig, denn niemand, außer den Grünen und die nur sehr verzagt, hat über die realen Herausforderungen des Klimawandels gesprochen, nicht die Politiker der Union oder der SPD, noch die Medien. Im Gegenteil wurden die Grünen und Robert Habeck von Söder und der CSU zum Hauptfeind zum Hassobjekt gemacht.
In Deutschland gilt die heimliche Übereinkunft nicht über reale Probleme zu reden, denn das könnte den Wähler ja überfordern. Das gilt für die Herausforderungen der Sicherheitspolitik in Europa und die reale Verteidigung der liberalen Demokratie nach innen wie außen. Doch zurück zur Klimapolitik, denn sie ist eine Singularität in den zunehmend gehäuft auftretenden Krisen dieser Welt.
Mal angenommen, Russland beherrscht ganz Europa, die USA ganz Amerika plus Grönland und China Asien und Afrika. Das wäre übel, aber ließe sich auch wieder ändern. In der Politik ist immer (!) ein Neuanfang möglich, sie ist nie alternativlos.
Bei der Klimakrise ist es aber anders, denn da geht es nur als Folge um den Lebensraum der Menschen. Real wird in der Atmosphäre eine physische Barriere von CO² und anderen Treibhausgasen aufgeschüttet, die die Wärme der Sonne nicht mehr in den Weltraum verpuffen lässt, sondern in der Atmosphäre hält. Diese Käseglocke ist dann auch nicht kurzfristig auflösbar, sondern deren Abbau wird bei Null-Emissionen Jahrhunderte dauern.
Erste Folgen sind aber nicht erst in Jahrhunderten (Nach uns die Sintflut), sondern schon in den nächsten Jahrzehnten noch heftiger als heute zu spüren. „In einer zwei Grad wärmeren Welt werden in Südeuropa die meisten der heute existierenden Ökosysteme nicht mehr überleben.“[1] Umgangssprachlich: Tomaten, Gurken, Orangen aus Spanien gibt es dann nicht mehr. Und bei drei Grad?
Wer sich schon gut auskennt, kann den folgenden Abschnitt (kursiv), in dem ich die Folgen des Klimawandels skizziere, überspringen.

Was erwartet uns bei einem Temperaturanstieg von 3 Grad?[2]
Wenn der aktuelle Trend der Treibhausgasemissionen und der globalen Erwärmung anhält, könnte die Erde bis zum Ende dieses Jahrhunderts, also ungefähr um 2100, eine Erwärmung von etwa 3 Grad Celsius über dem vorindustriellen Niveau erreichen. In Szenarien, in denen keine signifikanten Maßnahmen zur Emissionsminderung ergriffen werden, könnte die Erde sogar eine Erwärmung von 3 Grad oder mehr bereits in den 2060er Jahren erreichen.
Und wenn die Erderwärmung um 3 Grad Celsius im Vergleich zum vorindustriellen Niveau steigt, hat dies tiefgreifende und weitreichende Auswirkungen auf das globale Klima, die Ökosysteme und die menschliche Gesellschaft. Viele der derzeitigen Auswirkungen des Klimawandels würden sich verstärken, und es würden noch schwerwiegendere Folgen eintreten. Hier nur die wichtigsten: Hitzewellen würden intensiver und häufiger auftreten. Dürren und Wasserknappheit würden in vielen Regionen, insbesondere in Afrika, dem Nahen Osten und Südeuropa, zunehmen. Dies könnte zu Ernährungsunsicherheit, Wassermangel und Konflikten über Ressourcen führen. Stärkere Regenfälle und Überschwemmungen würden häufiger auftreten. Der Anstieg des Meeresspiegels würde durch das Schmelzen von Gletschern und das Abschmelzen von Eisschilden in Grönland und der Antarktis beschleunigt werden. Schätzungen gehen davon aus, dass der Meeresspiegel um bis zu 1 bis 2 Meter steigen könnte, was insbesondere Küstenstädte und tiefliegende Inselstaaten gefährden würde. Millionen von Menschen, die in Küstennähe leben, wären von Überschwemmungen und Landverlust betroffen. (siehe unten Kipppunkte) Das Artensterben würde zu einem massiven Verlust der biologischen Vielfalt führen. Viele Arten, insbesondere im Korallenriffbereich, in tropischen Regenwäldern und in kalten Regionen, würden ihre Lebensräume verlieren. Es käme zu stark veränderten Ökosystemen. Wälder, Süßwasserressourcen und andere natürliche Systeme würden sich verändern oder kollabieren. In tropischen Regionen könnten die Regenwälder zurückgehen, während die Arktis und Gebirgssysteme dramatisch verändern würden. Es käme zu vielen Ernteausfällen. Hitze und Wasserstress könnten die Produktion von wichtigen Nutzpflanzen wie Weizen, Mais und Reis beeinträchtigen, was zu einem Rückgang der Nahrungsmittelproduktion und einer Erhöhung der Nahrungsmittelpreise führen könnte. Die Anbaugebiete müssten sich verändern. Einige Regionen könnten für bestimmte Nutzpflanzen unbrauchbar werden, während sich andere Regionen möglicherweise zu neuen landwirtschaftlichen Anbauflächen entwickeln. Diese Verschiebungen könnten zu globalen Ungleichgewichten in der Nahrungsmittelversorgung führen. Ein Temperaturanstieg von 3 Grad könnte die Verbreitung von Krankheiten begünstigen, die durch Insekten wie Mücken übertragen werden, etwa Malaria, Dengue-Fieber und Zika. Diese Krankheiten könnten sich in Regionen ausbreiten, die bisher weniger betroffen waren. Es käme zu einer erhöhten Sterblichkeit. Der allgemeine Gesundheitszustand könnte durch mehr Hitzewellen, Luftverschmutzung und Wassermangel beeinträchtigt werden. Besonders gefährdet sind ältere Menschen, Kinder und arme Bevölkerungsgruppen. Mehr Migration und größere soziale Konflikte: Eine erhöhte Zahl von Naturkatastrophen, wie Überschwemmungen und Dürren, könnte Millionen von Menschen zur Migration zwingen, was zu einer „Klimaflucht“ führen könnte. Dies könnte in einigen Regionen zu Konflikten über Ressourcen und politische Spannungen führen. Die Auswirkungen des Klimawandels könnten zu enormen wirtschaftlichen Verlusten führen. Infrastruktur, Immobilien und Produktionsstätten in Küstenregionen und gefährdeten Gebieten könnten zerstört werden. Landwirtschaftliche Erträge würden in vielen Regionen zurückgehen, was zu Einkommensverlusten führen könnte, und die Kosten für Gesundheitsversorgung und Notfallmaßnahmen würden drastisch steigen. Das alles würde zu einer Verschärfung der sozialen Ungleichheit führen. Der Klimawandel würde arme Länder und vulnerablere Bevölkerungsgruppen stärker treffen, da diese weniger Ressourcen haben, um sich an die Veränderungen anzupassen. Die Verknappung von Wasser und Nahrungsmitteln würde die bestehende soziale Ungleichheit weiter verschärfen und könnte zu zunehmenden Konflikten führen.
Dazu kommen die Kipppunkte im Klimawandel, das sind kritische Schwellenwerte bei deren Überschreiten unumkehrbare oder sich selbst verstärkende Veränderungen eintreten. Diese Prozesse können das globale Klima drastisch verändern. Das Schmelzen des Grönländischen Eisschilds würde den Meeresspiegel um bis zu 7 Meter ansteigen lassen und zu einer Veränderung der ozeanischer Strömungen führen wie dem Golfstrom. Das wiederum hätte für Nordeuropa kältere Winter und heißere Sommer im Süden zur Folge und noch stärkere Hurrikane an der US-Ostküste. Das Tauen des Permafrosts würde große Mengen Methan (starkes Treibhausgas) zur Folge haben und zu einer Verstärkung der globalen Erwärmung führen. Das Absterben des Amazonas-Regenwaldes wäre der Verlust eines wichtigen CO₂-Speichers und ein unersetzbarer Verlust von Biodiversität. Das Korallensterben durch Ozeanversauerung und Erwärmung würde den Zusammenbruch vieler Meeresökosysteme und damit den Verlust von Nahrungsquellen für Millionen Menschen bedeuten. Dazu kämen unabsehbare Folgen durch das Schmelzen des Eises der Antarktis.
2084 – 100 Jahre nach Orwell
In den nächsten 10 bis 20 Jahren werden wir es genauer wissen, ob wir die Klimaziele reißen werden und wenn, was passiert dann?
Dann ist eine liberale Demokratie unvorstellbar und wir könnten uns eine links-, grüne-, liberale Politik in den selbigen stecken. Dann kommt entweder eine faschistische Diktatur, die Europa zu einer mittelalterlichen Festung (Mauer) mit High-Tech-Waffen ausbaut (mit oder ohne Russland) und jede Migration zu verhindern sucht. Alle potentialen Unterstützer deportiert oder Schlimmeres. Wirtschaftliche Folgen wäre ein Europa, welches auf den europäischen Wirtschaftsraum allein angewiesen ist. Globale Auseinandersetzungen zur Eroberung von noch bewohnbaren Flächen nicht ausgeschlossen. Die Alternative wäre eine Ökodiktatur, die nicht viel besser wäre, aber zusätzlich noch auf null-fossilen Brennstoffen beharren würde. In einer Ökodiktatur könnte man auch auf die Idee kommen, dass die Anzahl der Verursacher, der Menschen, reduziert werden müssen, will man überleben.
Es ist daher alternativlos, nicht den Klimawandel in den Mittelpunkt der Politik zu rücken und zwar auch seine dystopischen Aspekte. Denn das Zeitfenster ist so eng, dass es nur eine geringe Chance gibt, nicht in einer Dystopie zu landen. Aber eine dystopische und polarisierende Politik ist das Gegenteil einer parlamentarischen Demokratie. Wir würden uns daher den Ast, auf dem wir sitzen, selbst absägen. Deshalb gibt es zu Team-Habeck keine Alternative im Stil, im Inhalt schon, denn in der Opposition ist es nicht zwingend, den Kompromiss schon vorweg zu denken und nur Konsensfähiges zu formulieren. Also ein bisschen Dröge und Hofreiter im Team-Habeck wäre gut. Jedenfalls in den nächsten vier Jahren, danach steht Politik auf der Kippe wie das Klima auch.
[1] https://www.sueddeutsche.de/projekte/artikel/wissen/austrocknung-bodenfeuchte-wasser-boeden-kontinente-erde-e271236/?reduced=true
[2] Mit Hilfe von Chat/GPT
Moin Uli,
Stimme im Grundsatz mit deinen Überlegungen überein, sehe aber kein Scheitern der Grünen, sondern eine Unreife der Gesellschaften, wenn man das überhaupt so bezeichnen kann.
Mit 14 % der Wählerstimmen der Grünen (2021) ist eine Umgestaltung kaum möglich. Die Werte zur vorletzten EU-Wahl in einem deutlich freundlicheren Umfeld waren da hoffnungsvoller. Doch der konservative Widerstand der Fossil-Apologeten wurde nach Corona geradezu zum Furor. Dann kamen noch einige unnötige Pannen dazu und das Feindbild der Grünen war perfekt gezeichnet. Die Entwicklung ist nicht auf Deutschland beschränkt. Insofern macht dein globaler Aufschlag auch Sinn. Was kommt denn nun, auch unter Schwarz-Rot?
Stillstand? Den kennen wir aus der Merkel-Ära und lässt uns nicht erschaudern, aber das Problem ist die Zunahme rechtsradikaler Einflüsse. Die AFD ist in einigen Umfragen schon fast auf Union-Niveau und sie müssen dafür nichts tun. Die Mitte zerlegt sich selbst. Die Union hat mit dem Wahlbetrugs-Move wohl noch einige in AFD-Richtung oder Paralyse geschickt. Andere sind wie du richtig feststellst TikTok-Heide gefolgt, weil sie nicht wie Habeck agierte. Ich war am Ende von Habeck enttäuscht. Spätestens da hätte er Flagge zeigen müssen, stattdessen vermisste er den Lindner, weil er mit ihm viel Spaß hatte. Kann es sein, dass das Habeck’sche Weltbild nicht die Realität abbildet?! Lindner war auch vor der Ampel NEOLIBERAL und fossil-anbetend.
Es entwickeln sich apokalyptische Szenarien. Dazu zählt der potenzielle Einsatz nuklearer Waffen und natürlich die Erderwärmung.
Aber bei allem berechtigten Zweifel am Verstand des Homo Sapiens ist der Menschheit durchaus ein Turnaround zuzutrauen. Die Geschichte hat es bewiesen, denn die liberale Demokratie fiel auch nicht vom Himmel.
1. Kann sich in den USA der Wind noch einmal drehen. Das Land ist noch nicht verloren.
2. China ist nicht Russland, die Bemühungen erneuerbare Energien zu fördern sind offensichtlich. Der Smog in den Großstädten hat die KP aufgerüttelt. Und es ist eine Verantwortungshaltung der KP erkennbar. China bleibt in mancher Hinsicht eine Sphinx: Autokratie hin oder her.
3. Russland wird ökonomisch schwach bleiben und damit kein Vorbild für andere Nationen sein. Ein Brain-Drain wird sich fortsetzen, was aktuell auch in den USA nach dem Universitäten-Bashing zu beobachten ist.
Ok, das ändert nicht viel an der Konjunktur für Autokratien, aber eine Universalität ist nicht gegeben. In Polen wurde die Pis-Partei abgewählt, in Brasilien konnte sich Bolsonaro nicht noch einmal durchsetzen. Diese Völker entschieden sich gegen rechtsgerichtete Politik. Es ist kein Naturgesetz, dass in Krisen „rechts“ gewinnen muss.
In Deutschland konnte eine zerstrittene Regierung und die Fortsetzung der Handlungsunfähigkeit merkelscher Staatsführung die Mitte der Gesellschaft nicht stärken. Wenn die Mitte nicht liefert, wird man ihr den Rücken kehren. Inflation und „illegale“ Einwanderung bewegen die Menschen. Wenn man diese Fakten ignoriert, wird die AFD weiter an Zuspruch gewinnen. Da hilft es auch nichts, wenn die Notwendigkeit einer Arbeitsmigration Mantra-artig vorgetragen wird. Es sind verschiedene Paar Schuhe und die Ohnmacht von Staat und EU-Staatenbündnis ist evident. Das seit mindestens 10 Jahren und damit eine langanhaltende Vitaminspritze für rechtspopulistische Bewegungen. An dieser Frage hat sich die Politik seit einigen Jahren machtpolitisch verändert.
Da können wir uns noch lange über Klimapolitik und die Gründe für faschistische Tendenzen von Verlustangst-geplagten Menschen auseinandersetzen. Die AFD wird zuschauen und weiter gewinnen. Ich habe keine Lösung für das Problem, aber das Wegschauen ist die falsche Therapie. Das Thema wird mit langen Fingen und langen Zähnen angefasst, am besten ausgeblendet. Der Verdacht, in das inhumane Lager abgewandert zu sein, wiegt schwer. Also besser wegducken und nur dann aus dem Busch kommen, wenn Merz über Paschas und Zahnarzttermine schwadroniert. Auch der „sozialdemokratische“ Verweis auf den Rückgang der Einwanderungszahlen und Zunahme der Abschiebungen verfängt nicht. Zu offensichtlich ist, dass eine Lösung weit entfernt ist. Und wenn der „schmutzige“ Deal mit der Türkei und Libyen nicht wäre, hätten wir hier noch weit größeres Probleme. Das ist so schön weit weg, kostet aber Milliarden Euro – jährlich. Und es ist bezüglich der Lage besonders in Libyen extrem inhuman. Die Aufregung darüber hält sich auch bei den „Gutbürgern“ in Grenzen. Wir können die globalen Probleme nicht in Deutschland beseitigen, aber an der Lösung mitwirken. Im Übrigen müssten wir Trump eine Rechnung über die Integrationskosten schicken, denn die Fluchtbewegungen aus dem Nahen Osten sind wesentlich durch die Kriege der USA verursacht worden. Ein weiterer Teil ist durch das Verbrennen fossiler Energien (Dürren und Überschwemmungen) getriggert. Auch hier sind die USA maßgeblich beteiligt.
Und damit wären wir bei politischen Kipppunkten. Die Klimaproblematik bekommen wir nur über politische Weichenstellungen in den Fokus. Die Gesellschaft muss sich über die Entzauberung der AFD neu sortieren. Längst hätte man die als gesichert rechtsextremen Landesverbände verbieten können. Das wäre ein Signal des Staates gewesen, faschistische Tendenzen effektiv zu bekämpfen. Es hätte die Diskussion um Faschismus befeuert. Aber auch hier hat es der Staat vorgezogen zahnlos zu bleiben. Dazu benötigt es eine 2/3-Mehrheit der zuständigen Gerichte, was in Zukunft nicht einfacher wird.
Der Fokus auf Klima wird uns aktuell nicht entscheidend weiterbringen. Mit der russischem Pistole am Kopf haben wir akut andere Probleme. Die Agenda wird von den Autokratien diktiert. Und erst wenn wir das wie vor den vorletzten EU-Wahlen, also vor dem Sperrfeuer der aktuellen Krisen, drehen können, wird grüne Politik wieder hegemonial als bestimmendes Narrativ. Dann wird auch BlackRock wieder ESG-Aktien ins Schaufenster stellen. Dazu müssen wir unter anderem das Ukraine- und Migrationsproblem in den Griff bekommen. Gelingt das nicht, wird es dystopisch auch für sorglose Gemüter.
LG Thomas
Lieber Thomas,
dein Argument leuchtet mir ein. Du schreibst: „Der Fokus auf Klima wird uns aktuell nicht entscheidend weiterbringen. Mit der russischem Pistole am Kopf haben wir akut andere Probleme. Die Agenda wird von den Autokratien diktiert. Und erst wenn wir das wie vor den vorletzten EU-Wahlen, also vor dem Sperrfeuer der aktuellen Krisen, drehen können, wird grüne Politik wieder hegemonial als bestimmendes Narrativ. Dann wird auch BlackRock wieder ESG-Aktien ins Schaufenster stellen. Dazu müssen wir unter anderem das Ukraine- und Migrationsproblem in den Griff bekommen. Gelingt das nicht, wird es dystopisch auch für sorglose Gemüter.“ Die Reihefolge lässt sich wahrscheinlich nicht abkürzen oder verändern. Also eins nach dem anderen, auch wenn es schon der Schritt über den Abgrund ist. So ist es in der Wirklichkeit. Wolkenkuckuckheim ist der Raum der Ideologie.
Habeck habe erstmals den Versuch gemacht, die Komplexität der Wirklichkeit in der Politik nicht zu unterschlagen, sondern zu erklären, heißt es am Anfang des Artikels. Dem ist zu widersprechen: Denn zur Komplexität, die erklärungsbedürftig ist, gehört auch, den Unterschied zwischem Kompromiss und Koalitionsvertrag einerseits und der eigenen Programmatik und den eigenen Werten andererseits deutlich zu machen. „Brücken bauen“ kann man nur, wenn die Brückenpfeiler auf festem Grund stehen. Insofern ist der Ruf nach dem Habeck-Stil nicht alternativlos, sondern erfordert wohl dosierten Hofreiter, mindestens in den sieben noch verbliebenen Regierungsbeteiligungen, aber auch in der Opposition. Die beiden Fraktionsvorsitzenden haben dies bei der Lockerung der Schuldenbremse schon mal geübt.
Sich nett und kompromissbereit zu zeigen, wie Habeck reicht nicht, weil die eigenen Werte dabei vernachlässigt werden. Wer alles toll findet, was doch nur Kompromiss ist, muss sich nicht wundern, wenn sogar Teile der Stammwählerschaft Verrat rufen, weil dieser Kompromisscharakter nicht erklärt wird.
Hans Dall
Ja, die Habeck-Strategie hat nicht funktioniert, auch weil Teile der Grünen-Wähler und Innen den Reichinnek-Move attraktiver fanden. Diese altlinke Startegie wäre allerdings für eine Partei der Mitte auch nicht erfolgreiche bei Wahlen, denn das haben die Grünen 20 Jahre lang gemacht- ohne Erfolg. Eine linke „Werte“-Polarisierung ist gut für`s Gemüt, aber ändert an den Verhältnissen nichts. Aber die Grünen haben nicht nur nach links verloren, sondern 2/3 der Wähler und Innen gar nicht erreicht und das ist fatal, denn der Klimawandel droht die Politik überhaupt unmöglich zu machen, er ist nicht in überschaubaren Zeithorizonten rückgängig zu machen.
Und dabei geht es auch nicht um grüne Werte, sondern um Physik. Das Zeitfenster schließt sich gerade und von der schwarz-roten Koalition oder Trump, Putin und Xi ist da keine Wende zu erwarten. Will man die Mehrheitsverhältnisse in Bezug auf eine Zukunftspolitik umdrehen, muss man allerdings die Menschen, die aktuell nicht mitmachen wollen, erstmal erreichen. Da reicht nicht der Ricarda Lang- Appell, zu kämpfen, sondern da muss man die kulturelle Hegemonie erst noch erlangen. 2019 standen wir in Deutschland kurz davor, doch dann kam Corona. Dabei gilt es die Dramatik der Situation deutlich zu machen, auch mit seinen dystopischen Anteilen und konkrete, berechenbare Maßnahmen mit sozialem Kompensationen vorzuschlagen. Daran fehlt es insbesondere im Verkehrs-, Gebäudedämmungs- und Industriesektor. dazu bräuchten wir eine offene (!) Debatte und den Mut in sachlichem Tonfall den Ernst der Lage überhaupt erstmal zu thematisieren. Und wer könnte das außer Robert Habeck? Wie Hannah Arendt sagen würde, das Wagnis der Öffentlichkeit einzugehen, also auch kritisiert zu werden und das bessere Argument gelten zu lassen, braucht Mut. Die Alternative ist die Barbarei für lange Zeit oder Klima,Klima, Klima!
Der Unterschied zwischen Habeck und Hannah arendt ist u.a., dass unser Robert in Regierungsverantwortung war, Arendt vom Spielfeldrand aus viel Wahres zum politischen Prozess beisteuern konnte. Wie geht das: (notwendige und sinnvolle) Realpolitik zu verbinden mit einer Werte-Debatte, die nicht nur „gut fürs Gemüt“ ist, sondern den Unterschied zwischen Wünschenswertem und Machbarem aufklärt? Gerade nicht wie Ricarda Lang, die die Klimaschutzreform toll fand, weil nun auch entlang neuer Autobahnen Solaranlagen gebaut werden. Sondern zu sagen: Scheiße, wir halten eine andere Politik für nötig (siehe Grünen-Programm), wollten aber wegen dieser Differenz zu den anderen Koalitionären nicht die Koalition sprengen. Gerade wenn der Unterschied zwischen Kompromiss und eigenen Werten nicht deutlich gemacht wird, entsteht – berechtigt – das Gefühl: Habeck ist ein Umfaller und seine Partei begeht Verrat an den grünen Zielen. In dieser Verdeutlichung zwischen Kompromiss und eigenem Programm liegt die Kritik an den Bremsern in der Koalition. Ohne die Differenz deutlich zu machen, bekommen diejenigen Auftrieb, die meinen: die da oben stecken alle unter einer Decke.
Lieber Hans,
ich könnte dir recht geben, wenn man die Ampelzeit betrachtet, aber die ist vorbei. Die Grünen und Habeck sind mit ihrem Appell an die Vernünftigen gescheitert. Habeck unterscheidet drei Modelle wie man Wahlkampf machen könne:
Das Wohlfühlmodell Angela Merkels: Alles ist gut und nichts soll sich ändern. „Sie kennen mich.“ Dahinter steht die Absicht, die politischen Konkurrenten zu demobilisieren und keine Dissonanzen zuzulassen. Real ist das das Prinzip Gummiwand.
Das Standardprogramm seit der Erfindung von Parteien als konkrete Interessenvertreter von Klassen: „Die anderen sind Schuld.“ Die klassische Ressentimentpolitik oder neudeutsch die Spaltung der Gesellschaft zulasten von Minderheiten, Migranten, Arbeitslosen oder Armen durch die Besitzenden. Politischen Gegnern werden zu Feinden gemacht. Ab 2022 waren die Grünen Ziel dieses Freund-Feind-Schemas durch die AfD, CSU und Teilen der CDU. Letztlich wird so getan, als wären alle Probleme weg, wenn man selbst am Ruder sitzt. Die Probleme bleiben jedoch, das fällt momentan Freidrich Merz auf die Füße.
Habeck selbst hat versucht sich an dem Modell 3 zu orientieren: „Die Probleme und Chancen, die man sieht, spricht man auch aus, auch wenn man noch keine konkrete Lösungen hat.“ Politik als Bohren dicker Bretter, ein Plädoyer für eine mündige Politik mit mündigen Bürgern und Innen.
Dieses Modell wollte aber fast niemand, genauer 88,4% der Wähler und Innen. Das Modell „Mündige Bürger für eine mündige Politik“ ist nicht gewählt worden. Wähler und Innen entscheiden sich bei Wahlen genauso wie alle Wähler und innen vor ihnen. Sie orientieren sich immer noch an dem Parteienmodell der Klassengesellschaft des 19.Jahrhunderts. Da war klar, welche Partei welche Interessen vertrat, Parteien waren soziale Sprachrohre von realen sozialen Interessen. Dieses Modell lkam aber schon nach dem Ersten Weltkrieg in die Krise, weil sich die sozialen Verhältnisse umbauten. Aus der Klassengesellschaft, in der die sozialen Rollen weitgehend festgelegt waren und Aufstiegschancen eher Mangelware blieben. Mit der Entwicklung hin zu einer Massengesellschaft, die auch die einfachen Leute als Konsumenten entdeckte, war die Zuordnung von Partei und sozialem Auftrag nicht mehr so eindeutig.
Die Parteien haben, um zu überleben, darauf reagiert und sich zu Ideologie-Parteien, zu Weltanschauungsparteien umgebaut. Es ging real nicht mehr um konkrete Klassenpolitik, sondern um identitätspolitische Programme. Wie in einem anständigen Supermarkt-Regal bedienen unterschiedliche Parteien darum weniger konkrte Klassen als unterschiedliche Grundüberzeugungen:
Die SPD verliert schleichend ihre Verwurzelung in der Arbeiterklasse, wird aber immer noch als Partei der kleinen Leute identifizert, ihr wird die Kernkompetenz für soziale Gerechtigkeit einzustehen zugeschrieben.
Die CDU/CSU, die sich aus dem katholischen Zentrum herausgebildet hatte, ist zwar nicht mehr die Partei der Kirche und des Bürgertums, wird aber als die kompetenteste Partei in der Wirtschaftspolitik angesehen. Einfach deswegen, weil sie Wirtschaftsinteressen am nächsten steht.
Die Grünen werden, wie schon der Name nahelegt, mit ökologischen Fragen verknüpft und alle Bemühungen sich eher links anzusiedeln, indem man die sozialen Fragen in den Mittelpunkt rückt oder sich als bürgerliche Mitte zu präsentieren, sind bisher gescheitert. Ihre Zuständigkeit für Umweltpolitik wird als einzige Kompetenz akzeptiert.
Die AfD wird zwar als ausländer-, als migrantionsfeindlich identifiziert und gilt aber deshalb paradoxerweise auch als besonders kompetent in der Lösung der Probleme, die sich in der Integration der Migranten und Innen stellen.
Die FDP gilt als die Partei der Interessenvertretung kleiner Lobbygruppen und als ideologische Bewahrer der Schuldengrenze. Für den Einzug in den Bundestag hat das nicht mehr gereicht.
Die Linke und deren Abspaltung BSW haben als Markenkern eine Friedenspolitik, die zwischen der Akzeptanz von Großmächten wie Russland und einem grundsätzlichen Pazifismus hin- und herschwankt. Die Linke hat den Einzug in den Bundestag geschafft, weil sie sich auch noch als die Antifa-Partei gerieren konnte, nachdem Merz die Brandmauer zu AfD einzureißen begann. Das BSW ist dagegen mit mit ihrer Strategie, AfD-nahe in der Migrationsfrage aufzutreten, an der Fünfprozenthürde knapp gescheiert. Auch da schlug wieder die Priorität oder die Schublade der ideologischen Zuschreibung zu. Man wählt das Original.
Die Wähler und Innen haben das Angebot Habecks, anders Politik machen zu wollen, abgelehnt. Sie haben stattdessen weiter ideologische Schubladen gewählt. Sie fanden Robert Habeck zwar am sympathischsten, aber die Schublade Grün verkleinerte sich auf die Stammwählerschaft der wohlhabenden Szenegebiete. Die Nicht-Grünen- Wähler wollen ihren Wohlstand absichern und auch nicht durch mehr Klimaschutz in Gefahr bringen. Die gesellschaftlichen Mehrheiten für ökologische Veränderungen sind weit weg.
Dabei ist es Blödsinn, Klimaschutz den Grünen allein als Aufgaben- und Kompetenzbereich zuzuschreiben. Denn das geht alle an! Die Merz-Koalition bewegt sich klimapolitisch auf dem Ampel-Pfad, deshalb ist die Grünen-Kritik daran auch wohlpfeil. Insgesamt reicht es aber nicht, weil die Wähler und INnen ihre Freiheit zum Konsum verteidigen und an Freiheiten darüber hinaus nicht interessiert sind. Ich hoffe daher, dass Merz & Klingbeil nicht scheitern, Trump eingehegt wird und Putin verliert. Dann kann man vielleicht wieder über Zukunft reden. Aber mein Glaube daran, ist sehr schwach. Anscheidend wird sein, ob sich die Union selbst zerlegt und die SPD ihre Rolle findet. Die Finanzmärkte schlauer sind als MAGA und die Ukraine – dank Merz – endlich genügend Waffen bekommt. Schöne Ostern!
Scheiße, Du hast Recht.