Österreich: bittere Wahrheiten für Deutschland

Österreich: bittere Wahrheiten für Deutschland

30. September 2024 0 Von Uli Gierse

Der Wahlerfolg der FPÖ ist so als wäre die NPD in Deutschland stärkste Partei geworden. Die FPÖ war bei ihrer Gründung 1955 schon eine Nazi-Partei und tritt noch radikaler auf als die AfD. Die Österreicher haben offensichtlich die FPÖ zur stärksten politischen Kraft gemacht, nicht aus Protest, sondern weil sie so rechtsextrem sind. Herbert Kickl will Flüchtlinge „konzentriert“ an einem Ort halten, faselt von „Bevölkerungsaustausch“, von „Remigration“ und einer Meldestelle für „politisierende Lehrer“.

Eine Brandmauer gibt es in Österreich nicht, die ÖVP hat schon zweimal mit der FPÖ regiert und in den 80er sogar die SPÖ, trotzdem ist eine Koalition unwahrscheinlich. Mit der FPÖ will niemand koalieren, gerade weil sie die stärkste Kraft wäre und den Kanzler stellen müsste.

Das Wahlverhalten entspricht dem der Ostdeutschen:

  • In allen Altersgruppen mit Ausnahme der Boomern ist die FPÖ stärkste Partei.

      • 50% der Arbeiter haben sie gewählt
      • Menschen ohne Abitur (ohne Bildung?) wählen rechter

      Die Woidke- Nummer, die Wahl zu einer Persönlichkeitswahl zu machen, hat Nehammer versucht, aber es hat nicht funktioniert.

      Die Versuche über linke Inhalte (Wunsch der Grünen Jugend-FunktionärInnen), Stimmen gutzumachen, verfingen nicht. Trotz Reichensteuer-Kampagne verlor die SPÖ erneut und holte ihr schlechtestes Ergebnis ever.

      Die jüngste Flutkatastrophe hat keineswegs den Grünen geholfen, sondern die Klimaleugner gewinnen dazu.

      Was bedeutet das?

      Die österreichischen Nationalratswahlen bestärken die Politiker, die in den Rechtswählen einen allgemeinen Trend in Europa ausmachen. Aber gerade das, wenn es richtig wäre, bedeutet nichts Gutes.

      Denn offensichtlich gibt strukturelle -nicht lokal besondere- Gründe für diese Unzufriedenheit. (Wesentliche These in meinem Buch: Ulrich Gierse: Vorbild Hannah Arendt. Aktive Politik gegen den Hass).

      Das Thema Migration ist noch die letzte Hoffnung für die Mitte-Parteien. Wenn das Thema endlich gelöst wäre, dann wäre alles wieder fein. Das ist aber meiner Meinung nach ein Irrtum, denn wahrscheinlich ist das Thema Migration nur der Trigger, der nationalistische Sehnsüchte nach einer sozial homogenen „Heimat“ befriedigen soll.

      Nein, wir müssen uns mit dem Gedanken auseinandersetzen, dass Hass und Wut und das Hintanstellen von bürgerlichem Anstand gesellschaftliche (das heißt immer auch politisch beförderte) Ursachen hat, die Menschen auf dem Land, Arbeiter in automatisierten Fabriken und gestresste Angestellte verbinden.

      Hannah Arendts, Simone Weils oder Joachim Gaucks Vermutung ist, das hat etwas mit den sozialen Umbrüchen zu tun, die täglich in den Arbeitsstrukturen oder im Leben vor Ort erzeugt werden: Verlassenheit, gesellschaftliche Einsamkeit, Entwurzelung und Entheimatung.

      Dagegen stehen eine neue soziale Beheimatung (Gauck), eine neue Verwurzelung, soziale Geborgenheit und Sicherheit. Man könnte auch sagen: Kneipe und, Supermarkt, Busverbindung und demokratische Teihabe.

      Das heißt nicht, dass man sich auch schnellstens mit dem Herstellen von kontrollierter Einwanderung beschäftigen muss. Die Wirklichkeit ist halt nicht Bullerbü, sondern eine kaputtgesparte Infrastruktur in überlasteten Schulen und nicht ausreichendem Wohnraum.

      Beides, strukturelle Reformen und geordnete Einwanderung, müssen zusammen angegangen werden. Um auch einen versöhnlichen Schluss zu haben, hier noch der Wunsch des österreichischen Schriftstellers Elias Hirschl aus der heutigen SZ.

      „Und mich deprimiert auch die Vorstellung, dass das, was in Österreich in Sachen Rechtsextremismus passiert, in Deutschland meistens schon ein paar Jahre später nachgeholt wird. Ich kann wirklich nur hoffen, dass wir gerade ein möglichst abschreckendes Bild von uns selbst produzieren, einen aufgeplatzten, triefend eiternden Abszess, der so grausig ist, dass alle anderen Länder instinktiv sofort zur Vorsorgeuntersuchung rennen. Das ist aus Österreich geworden. Ein abschreckendes Beispiel, sonst nichts.“

      (https://www.sueddeutsche.de/kultur/oesterreich-wahl-fpoe-wahlsieg-gastbeitrag-elias-hirschl-2024-lux.Mz25iaZUKcty8darXB1F9P)