
Trump Zölle: „Liberation Day“ der anderen Art
USA: Autokratie und Protektionismus haben Geschichte__
USA: Autokratie und Protektionismus haben Geschichte__
Donald Trump baut „seine“ USA in einem atemberaubenden Tempo nach faschistoidem Muster um. Die USA sollen wieder stark werden und das ist in der Trump’schen Welt nur unter Eliminierung von Opposition, Diversität und Toleranz möglich. Im Feininger haben Uli Gierse und andere das Thema ausführlich behandelt. Ob nun der Begriff Faschismus passt oder nicht ist nicht relevant. Entwicklung und Muster beschreiben die Aushöhlung der Demokratie wie in anderen Autokratien (Russland vorne weg) bereits geschehen. Die US-Zivilgesellschaft tut sich noch schwer mit Protesten, aber einige namhafte SozialwissenschaftlerInnen wie Marci Shore, Timothy Snyder und Jason Stanley haben mit dem Verlassen ihrer Universitäten Richtung Kanada (Toronto) ein Zeichen gesetzt. Vielleicht ist es eine Symbolik mit Verweis auf düstere Zeiten in Deutschland: Hier werkelt etwas wie Faschismus.[1] Faschismusforscher Snyder: „Wir leben im Jahr 1938“.[2] Universitäten werden unter Druck gesetzt und deren Mittel gestrichen, wenn die Trump-Dekrete nicht umgesetzt werden. Dazu zählen auch die Verhaftungen von protestierenden Studierenden auf dem Campus durch US-Sicherheitskräfte. Die Universitätsleitungen knicken ein. Ein Brain-Drain setzt ein und der europäische Westen hofft auf einen Richtungswechsel der Wissenschaft in die noch verbliebene „freie Welt“.
Auch durch Migration vor allem deutscher Wissenschaftler wurden die USA in und nach dem zweiten Weltkrieg massiv gestärkt. Das könnte sich unter Trump ändern. Noch ist es nur ein wenig Hoffnung. Mit einem Zoll-Rundumschlag wird der Demokratie-Abbau protektionistisch flankiert: Die Produktion soll „heim ins Reich“, der Welthandel aus den USA herausgehalten werden. Der Eklat ist vorprogrammiert und die Börsen nehmen bekanntlich die Entwicklung vorweg. Zwischen dem »Liberation Day« (2.April) und der globalen Reaktion (4. April) gab der Dow-Jones-Index knapp 10 % nach, mehr als beim Covid-19-Crash 2020.
Trumps China-Obsession
Als Trump am 2. April den »Liberation Day« ausrief, konnte es nicht größer sein: Die USA befreien sich von den Fesseln des Freihandels, der nach Trumps Lesart nur unfaires Handeln gegenüber den USA mit sich bringt. Es ist die neoliberale Ideologie, die den exzessiven Handel in die Welt getragen hat. In der Tat hat die Globalisierung durch Spezialisierung und optimale Allokation den Wohlstand gesteigert. Aber nicht zu übersehen sind die Globalisierungsverlierer auch in den USA. Es war die Freiheit des US-Konzerne und ihrer finanzstarken Investoren an der Wallstreet, denen die Produktion in den USA zu teuer wurde. Das Zurücklassen eines Rust-Belts war eine freie Entscheidung der Unternehmen gegen das Modell des sozialen Zusammenhalts. Das gilt auch für den restlichen Westen. Die Verschiebung der Industrie nach Südostasien brachte deren Aufschwung mit sich. Technologie wurde vorrangig in das „kommunistische“ China transferiert. Die USA waren ganz unbegründet ohne Sorge. Aber China wollte nicht auf ewig die verlängerte Werkbank des Westens sein. Und hier werden die Grenzen gesetzt: Freier Handel darf in Trump-Lesart nicht die US-Hegemonialmacht beeinträchtigen.
Der Westen hat dort ein Produktivkapital aufgebaut, das die Handelsrichtung bereits deutlich aus China heraus bestimmt. Schätzungsweise 50 % der chinesischen Exporte werden durch ausländische Unternehmen, die den Lohnstückkostenvorteil seit drei Jahrzehnten suchen, abgedeckt.[3] Allein die Europäische Handelskammer vertritt in China über 1.700 Unternehmen vom Mittelständler bis zu großen Konzernen wie BP, Siemens, Bayer, Bosch, Henkel, BASF, Daimler und Volkswagen. Insgesamt wurden in China schon im Jahr 2020 über 1 Mio. ausländische Unternehmen gelistet.
In dieser Zeit des westlich-industriellen Exodus wurde ein Wirtschaftsgigant herangezüchtet, der den internationalen Konzernen exorbitante Profite sicherte. Für diese Profite wurde der eh schon angeschlagene Zusammenhalt der US-amerikanischen Gesellschaft weiter beschädigt. Doch nun war der Schuldige gefunden: China. China hatte den Spieß umgedreht und begann nach der US-Finanzkrise 2007-2009 mit Direktinvestitionen in den USA. Das Volumen stieg an, während US-Firmen in China nicht mehr willkommen waren. China brauchte den Westen nicht mehr. Trump 1.0 hatte China bereits in der ersten Amtszeit daran gehindert, weiter in den USA zu investieren. Auch wurden Zölle gegen China erhoben, von unfairen Praktiken gesprochen, die WTO sabotiert und das begonnen, was wir gerade erleben. China wird nun mit insgesamt 54 % Zöllen, die EU mit 20 % belegt. Es ist auch hier ein Körnchen Wahrheit enthalten, denn die massiven staatlichen Subventionen Chinas bedrängen alle anderen Wettbewerber. Zölle sind ein Mittel gegen unfairen Wettbewerb. Nur werden fast alle Nationen mit Zöllen belegt: USA gegen den Rest der Welt von Ausnahmen abgesehen. Selbst Staaten, mit denen die USA einen Handelsüberschuss aufweisen, werden pauschal mit 10 % Zöllen belegt. Es ist nicht nachvollziehbar, es ist Gaga. Selbst Inseln mit exklusiver Pinguin-Bevölkerung sollen betroffen sein: Hochkonjunktur für Satiriker.
Trumps GAGA-Zoll-Formel und die Realität
Ein Blick auf die Attacke gegen die EU kann Aufschluss geben. Trumps vollmundige Erklärungen der Zoll-Werte sind schlicht erfunden. Die Formel „Handelsdefizit/Importvolumen x 0,5“ ermittelt exakt die Werte der Trump-Zoll-Tafel. Bei der EU sind es nach Trump 39 % und wir sollten froh sein, dass der Zoll großzügigerweise nur ca. die Hälfte davon betragen soll. Trump verkauft sich als „gnädig“.
Der durchschnittliche Zollsatz der EU beträgt gegenüber dem Ausland (Nicht-EU) ca. 5 %, die der USA analog 3,3 %. Unter Berücksichtigung von Produktklassen-Gewichtung schrumpft die Differenz lt. WTO auf 0,5 Prozentpunkt: 2,7 zu 2,2 Prozent. Diese Differenz ist nicht der Rede wert und die EU hat durchaus Verhandlungsbereitschaft signalisiert, einige Zölle zu verhandeln, so auch die Zölle auf Kraftfahrzeuge, die in den USA 2,5 % gegenüber der EU betragen, während die EU 10 % auf US-Fahrzeuge berechnet.
Trumps Erklärung zum EU-Bashing sind die in der EU durchschnittlich erhobene Mehrwertsteuern (Einfuhrumsatzsteuer) von 19 bis 22 Prozent. Das setzt Trump mit Zöllen gleich, obwohl hier kein Unterschied zwischen In- und Ausland besteht. Es liegt folglich keine Diskriminierung vor: Kein Vorteil für die EU-Länder; Mehrwertsteuer zahlen alle.
Die Wissenschaft entlarvt Trumps Zollpolitik als pures Lügengebäude
Die bloße Feststellung, dass alle Welt in die USA exportiert und damit vermeintlich das Land schwächt, fußt auf zwei mehr oder weniger bewussten Ausblendungen US-amerikanischer Geschichte und Wirtschaftspolitik. Das geregelte Weltwirtschaftssystem wurde nach dem zweiten Weltkrieg unter Führung der USA in den Verhandlungen von Bretton Woods in den USA auserkoren: Freihandel unter der Leitwährend des US-Dollars.

Abbildung 1: Daten: FRED St. Louis. ©te |
Die Situation nach dem Krieg lässt sich einfach beschreiben: Nur die USA hatten keine beschädigte oder gar zerstörte Industrie und im Gegensatz zu den Europäern und Japan wurde wenig Kapital vernichtet. So begann der Feldzug US-amerikanischer Unternehmen von Coca-Cola, Ford, Walmart etc. über die Kontinente. Die anderen Staaten sollten die Grenzen für den US-Export freihalten. Das schuf auch in Deutschland viele neue Arbeitsplätze in US-Unternehmen wie Ford, Johnson & Johnson, John Deere, Procter & Gamble etc. Das hält bis heute an, auch wenn der industrielle Bereich (Automobile etc.) mehr und mehr durch Dienstleistungen (Internet-Unternehmen) ersetzt wird. Direktinvestitionen wie etwa der Bau des Tesla-Werks in Grünheide bedeutet, dass Tesla weniger in die EU exportiert. Es wurde stattdessen Kapital in die EU eingeführt. Genauso verhält es sich mit dem größtem BMW-Werk Spartanburg – nur andersrum – in South Carolina. Das war die Welt bis die USA mit den globalen Entwicklungen nicht mehr zufrieden war. Trump haderte nicht als Erster. Schon Ronald Reagan versuchte das emporkommende Japan mit Auto-Zöllen einzubremsen. Es gelang nicht. Japan konterte mit Direktinvestitionen in den USA und schockte die US-Autobauer auf deren Terrain. Der Effekt waren zwar neue Arbeitsplätze, aber alte verschwanden noch mehr und Japans Werke waren deutlich produktiver mit weniger Personal. Das nennt man Wettbewerb.
Der Welthandel wurde nach den Vorstellungen der USA konfiguriert und der internationale Zahlungsverkehr sollte mit US-Dollars abgewickelt werden. Nun passt dieses Regelwerk den USA nicht mehr. Was ist passiert? Die anderen Volkswirtschaften wie Deutschland, Japan und später auch Südkorea entwickelten sich unter der Schirmherrschaft der USA prächtig. Sie wurden Konkurrenten besonders in industrieller Fertigung. Einige Dekaden später entstand mit China ein noch viel größerer Widersacher, der sich nicht den „Geboten“ des Westens unterordnet. Abbildung 1 zeigt die Veränderung der US-Leistungsbilanz seit Mitte der 1970er Jahre. Davon fast völlig unbeeindruckt ist das BIP.
Das BIP pro Kopf der USA hat sich auch besser entwickelt als die gescholtenen OECD-Industrienationen Japan und Deutschland. Die Armut in den USA ist ein Verteilungsproblem bzw. Ausdruck eines fehlenden Sozialstaates. Das ginge auch anders; denn die USA sind reich.

Abbildung 2: Daten: IMF © te |
Die Umstände eines steigenden Leistungsbilanzdefizits bei besseren BIP-Raten lassen nur den Schluss zu, dass besonders die USA Nutznießer der Globalisierung waren. Vielleicht oder ganz bestimmt nicht die überwiegende Mehrheit der Bevölkerung, denn die sozialen Verwerfungen sind evident. Die Volkswirtschaft ist überdies auf „Pump“ aufgebaut, wenn Ausländer für die Güter des Lebens sorgen und gleichzeitig das Geld dafür ausleihen. Ist es die Verschuldung, die Trump antreibt? Er möchte wohl nicht nur als Friedensstifter in die Geschichtsbücher eingehen, sondern auch als Staatssanierer. Hintergrund ist die libertäre Idee des 19.Jahrhunderts vom minimierten Staat ohne soziale Aufgaben und niedrigste Steuern. Der US-Staat soll auf das Mindeste zurückgedrängt werden. Die angedachten Steuersenkungen der Trump-Clique sollten mit Zöllen – vorbei am öffentlichen Haushalten – über eine externen Zoll-Einnahmen-Agentur finanziert werden. Es ist alles auf Dekrete aufgebaut, was in der Summe einem Putsch gleichkommt. Die USA erleben eine Restauration in Cowboy-Zeiten.
Freilich sind die US-Schulden erheblich und auf Dauer keine Lösung. Ein erster Schritt wäre die Stärkung der nationalen Wirtschaft. So weit so gut, aber Globalisierung ist aber kein Nullsummenspiel. Die Wegnahme bei anderen bedeutet nicht die eigene Zunahme, wenn es um Inputfaktoren geht. Die verwobenen Lieferketten sind fragil und der Ausfall von Produktionsstufen oder auch nur die Verteuerung derselben bedeuten Wohlstandsverlust. Das ist bei den Trumpisten immer noch nicht angekommen. Nun gibt Trump offen zu, dass der Weg steinig sein könnte, was eh jeder sehen kann: Börsenkurse gehen runter. Die Inflationsentwicklung bleibt abzuwarten, aber renommierte Experten wie die „Wirtschaftsweise“ Ulrike Malmendier, die an der University of California in Berkeley Ökonomie lehrt, erwarten eine drastische Entwicklung.[4] Wer soll die in Südostasien ausgelagerte Schuhproduktion oder eben die I-Phones in den USA fertigen? Zu welchen Kosten? Die Inflation wird kräftig anziehen und eine Götterdämmerung wird folgen.
Die negative Handelsbilanz ist dem US-Dollar und den Kriegen geschuldet
Die USA importierten Waren, fertigten selbst relativ weniger und zahl(t)en mit US-Dollars, die beim Ausland geliehen wurden. Der US-Dollar leidet durch die Funktion als Weltleitwährung unter dem Triffin-Dilemma[5]: Die hohe internationale Nachfrage nach US-Dollar treibt seinen Preis und bewirkt mit dieser Überbewertung einen Einkaufsvorteil bei Importen und Nachteil im Export. Zudem sorgt die US-Dollar-Flut in den USA für eine Liquidität der Kapitalmärkte, die zinssenkend wirkt. So sind Kredite in den USA genuin günstiger als außerhalb. Die besondere Konstellation von defizitärer Handelsbilanz und der damit verbundenen Staatsschulden wird auch als US-spezifisch „twin-deficit“ genannt. Der latent überbewertete US-Dollar ist die Ursache und Wirkung zugleich. Schon damit ist das Argument eines „unfairen“ Agierens der US-Handelspartner widerlegt. Das Gegenteil ist der Fall, da die USA auf Dollar-Leitwährung bestanden und 1971 die Versicherung gegen mutwilliges Gelddrucken (Inflation) einseitig beendeten: Die Goldbindung des US-Dollars wurde durch Ex-Präsident Nixon aufgehoben, weil die Inflation bedingt durch Kriege nicht mehr mit den Goldbestände gedeckt werden konnte. Was wir heute an Turbulenzen erleben, hat dort seinen Ursprung. Die USA haben alle anderen über den Tisch gezogen. Die Grafik von Leistungsbilanz und BIP-Entwicklung beweist den Trump’schen Unsinn. Die USA haben massiv profitiert und Probleme wurden „exportiert“:
Als Folge der Goldentkopplung und diverser Kriege entwickelte sich in den 2000er Jahren die Voraussetzungen der US-Finanzkrise. Der externe Schock lag Jahre zurück. Es war wieder der Preisauftrieb für Öl und Gas, unter anderem aufgrund von Unruhen und Attentaten im Irak und Rebellenangriffen auf Förderanlagen in Nigeria. Von 2001 bis 2006 verdreifachte sich der Preis für Öl und sorgte analog für einen Inflationsschub von 1,6 % im Jahr 2002 auf 3,4 % im Jahr 2005. Um diese Entwicklung zu brechen, erhöhte die FED die Zinsen. Der Krieg im Irak selbst hat den USA nach Schätzung des Cost of War-Projekts der Brown University nahe bei 2 Billionen US-Dollar gekostet. Der Soldaten-Sold des Militärs pushte die Inflation. Diesem Geld stehen keine Warenangebote gegenüber. Die Produktion von Panzern und Kampfjets binden dagegen Ressourcen, was die Konsumgüter indirekt verteuert. Das dafür notwendige Geld wurde schlicht „gedruckt“, da der US-Dollar – von der Goldbindung befreit – beliebig bereitgestellt werden konnte. Um aber den Konsum und damit die Volkswirtschaft zu stimulieren, sollten die Konsum- und Investitionskredite über die Senkung des Leitzinses verbilligt werden.[6]
Was folgte, waren Orgien von KFZ- und Immobilien-Deals unter Führung von US-Finanzunternehmen. Der Banken-Crash hätte durch die US-Administration verhindert werden können. Stattdessen wurde das geldgebende Ausland mit den Kreditausfällen belegt. Global und auch in Deutschland wurden immense Verwerfungen ausgelöst. Es existieren für diese Zeit makroökonomische Grafiken, wo es in den Jahren 2007 bis 2010 nur südwärts zeigt. Die Welt hatte den USA einen erheblichen Teil der Krise abgenommen. Dann stellt sich Trump hin, spricht von unfairen Europäern, die die USA „ausgeplündert und vergewaltigt“[7] hätten. Vom Irak-Krieg hatten die deutschen Politiker abgeraten. Hätten die USA des Republikaners George W. Bush nicht die antiislamistische Obsession verfolgt, wäre die Welt heute besser und die US-Finanzkrise wäre möglicherweise nicht ausgebrochen.
Wesentlicher Treiber waren die US-Kriege, die teilweise von der NATO getragen wurden. Im Übrigen müssten wir Trump eine Rechnung über die Integrationskosten schicken, denn die Fluchtbewegungen aus dem Nahen Osten sind wesentlich durch die Kriege der USA verursacht worden. Das Interesse an Weltordnung ist deshalb auch geringer geworden, weil das US-Fracking eine relative Energie-Autarkie mit sich brachte und der Nahe Osten eigentlich nur noch lästig ist. Partiell wurden Truppen abgezogen und nur das Israel-Iran-Problem steht einem Abzug aller Truppen entgegen. Die USA haben Europa mit den Nahost-Manövern extrem geschädigt, von den beteiligten Nationen im arabischen Raum ganz abgesehen. Und natürlich brauchten die USA ein Riesenmilitär für die Aufgaben der selbstgewählten Weltpolizei-Funktion. Jetzt, wo das Interesse an dieser Position nachlässt, werden die Europäer als Parasiten hingestellt. Letzteres ist allerdings ein Problem, denn die Weltpolizei fällt aus und die EU steht militärisch aktuell „blank“ da. Es gilt militärisch nachzuholen. Dabei geht es um den Schutz der Ukraine und das, was danach kommen könnte. Nicht unbemerkt bleiben die Zollausnahmen Trumps für Russland und Belarus. Die Ukraine wurde nicht ausgenommen.
Noch ein Wort zu den von Trump immer wieder vorgetragenem Handelsdefizit der USA gegenüber der EU. Die Differenz ist in 2023 48 Mrd. EUR bei einem Volumen 1,6 Bio. EUR. Das ist fast zu vernachlässigen. Der Dienstleistungsüberschuss der USA gegen die EU ist enorm und die GAFAM-Unternehmen verschieben ihre Umsätze nicht nur nach Dublin, sondern überall hin. M.a.W.: Die Datenlage ist eher zugunsten den USA verzerrt. Aus der Zeit vor der ersten Wahl Trumps in 2016 ist sogar erkennbar, dass die USA von der EU direkt profitiert haben: Es gab einen Saldenüberschuss, der inzwischen nicht mehr gilt, aber lange vorherrschte. Auch jetzt ist ein Vorwurf der „Übervorteilung“ reine Propaganda.
Abbildung 1: Saldenüberschuss der USA gegenüber der EU von 2007 bis 2017 |

Quelle: https://www.agenda-austria.at/grafiken/ leistungsbilanzueberschuss-der-usa-mit-der-eu/ |
Es sind die Primäreinkommen der USA, die den Ausschlag geben. Im Fall der USA sind es die Gewinne der US-Unternehmen, die von der EU in die USA transferiert werden. Die Offshore-Standorte der Internetkonzerne auf den karibischen Inseln würden dieses Ergebnis noch verstärken. Die Grafik zeigt somit auch die Schwachstelle im US-Handel. Es sind die überaus erfolgreichen Internetkonzerne, die als Reaktion auf die Trump’schen EU-Zölle mit einer Digitalsteuer zur Kasse gebeten werden könnten. Das Problem der EU ist die Abstinenz europäischer Angebote, so dass diese Maßnahme auch Inflation nach sich ziehen würde. Ein Rückgang der GAFAM-Gewinne wäre dennoch zu erwarten. Die EU muss sich technologisch weiterentwickeln, um den GAFAM-Unternehmen etwas entgegensetzen zu können. Dieser Bereich wurde ebenso ausgespart wir die Verteidigungsfähigkeit der EU. Die EU ist abhängig von ausländischer IT, fossiler Energie und militärischen Produkten.
Auslandsschulden sind Ausdruck von Importüberschüssen
Die Dominanz von US-Dollar als Weltzahlungsmittel und Wallstreet als privilegiertem Finanzplatz bescherte eine überbordende Verschuldung von Staat, Unternehmen und Haushalten gegenüber den Exporteuren. Japan und China zählen zu den größten Gläubigern der USA. Während Trumps erster Amtszeit – von 2016 an – wurde die Leistungsbilanz noch negativer. Der Zoll-Krieg mit China und anderen verschlechterte die Lage in den USA. Reagans Irrtum wiederholte sich. Das wird auch jetzt der Fall sein, wenn US-Firmen nicht mehr auf günstige ausländische Bauteile zugreifen können. Die Inflation wird ihren Lauf nehmen und die US-Produkte zusätzlich verteuern. Das Merkantilismus-Modell des 19. Jahrhunderts als Gegenentwurf zur internationalen Arbeitsteilung wird der Weltwirtschaft und den USA Schaden zufügen, soviel ist sicher. Natürlich ist der Aspekt nationaler Sicherheit nicht zu ignorieren. Eine Abhängigkeit mit dubiosen Staaten ist nicht zu empfehlen. Das könnte China einbeziehen, aber die „harmlose“ EU ist eher Opfer als Täter. Mit China lassen sich Geschäfte abwickeln, die außerhalb nationaler Risiken liegen. Und ein Blick auf die Ausnahmen des Zoll-Amoklaufs lässt erkennen, dass auch die Trump-Administration nicht komplett in den Hurrikan läuft. Es wird bei allem Donnerwetter auch mit Verhandlungsbereitschaft kokettiert, was China vorerst nicht beeindruckt.
Trump wird sich damit auseinandersetzen müssen, dass China mit Ausfuhrstopp einiger Seltener Erden reagiert. Seltene Erden wurden in den USA abgebaut bis die billige Quelle Chinas aufgetan wurde. Jetzt muss der US-Bergbau reaktiviert werden. Die höheren Kosten wird Trump erklären müssen. Die neuen US-Zölle hat China 1:1 gekontert. Trump hofft nun auf einen Deal mit China: TikTok gegen Zölle. Wenn Chinas Unternehmen Bytedance TikTok (USA) den USA überlässt, würde Trump mit China neu verhandeln. Diese Farce ist vom Freihandel übrig geblieben.
Die USA werden verlieren
Außer besonderen Baustoffen ist auch die Chip-Produktion Taiwans von den Zöllen vorerst ausgenommen. Die USA belegen alles mit Zoll, was sie – wenn auch vermeintlich – substituieren können. Mit Stahl, Aluminium, Automobilen und andere technische Geräte wie z.B. Klimaanlagen sind Produkte dabei, die in der Zeit vor der Hyper-Globalisierung wichtige Fertigungen des Rust-Belts waren. Es sind die ehemals von den Demokraten beherrschten Staaten, die nach der industriellen Erosion in Trump den Heilsbringer sahen und tlw. noch sehen. Die ehemaligen Arbeitnehmer dieser Branchen stehen gar nicht mehr zu Verfügung und die Produktionswelt hat sich seitdem enorm verändert. Der Einsatz von Robotern steht einer Massenbeschäftigung im Weg. Insofern wird das Rückholen der „alten“ Industrien schwierig, auch wenn Südkorea unter dem Trump’schen Druck eine große Automobilfertigung (Hyundai Motor Group Metaplant America HMGMA) im US-Bundesstaat Georgia von 300.000 auf 500.000 Einheiten pro Jahr steigern will.[8] Das macht für Hyundai Sinn, denn das junge Werk hat durchaus Potenzial; und eine Direktinvestition in einem Land mit viel Kaufkraft ist perspektivisch rentabel. Diese Entwicklung könnte auch für deutsche Hersteller unabdingbar sein. Aber alle diese Unternehmen sind das Ende einer langen Lieferkette aus vielen Ländern. Diese Produkte werden sich mit den Zöllen verteuern und das Problem nicht verkleinern. Vielmehr werden sich Nationen wie Deutschland mit einem 10-prozentigen US-Exportanteil neue Märkte suchen, wo die Bedingungen besser sind. Nachteilig wird für alle anderen auch der hohe Zoll für China, denn deren Exportindustrie wird sich noch mehr nach Europa orientieren, denn die EU hat mit 450 Mio. Einwohnern den global größten Binnenmarkt. Das werden die USA bei EU-Gegenmaßnamen auch spüren, wenn die US-Produkte durch Zoll verteuert werden. Es wird nur Verlierer geben. Das hat wohl auch schon Elon Musk erkannt, der inzwischen ein Null-Prozent-Zollabkommen zwischen den USA und EU fordert.[8a]
Dennoch haben die Trump’schen Drohungen Wirkung gezeigt. Auch Taiwans Super-Chip-Fab TSCM investierte schon 2020 in den USA und wird 2028 eine weitere Fab errichten. TSCM erwartet mit diesem Schritt ebenfalls höhere Kosten, was bei zunehmender Konkurrenz auf die Erträge drücken wird.[9] Vietnam wiederum befürchtet einen heftigen Rückschlag der eigenen Industrie und bietet Trump Null-Prozent-Zoll an, wenn es zu einer bilateralen Einigung kommt. Daraufhin gingen die Kurse der US-Schuhhersteller (Nike etc.) wieder nach oben, nachdem der 46 %-Zoll gegen Vietnam zu Kursverlusten geführt hatte.[10]
Die USA verschonen vorerst Taiwans Chip-Produktion, weil der Bau von Fabs mehrere Jahre dauert und die USA sich nicht selbst versorgen können. Fast jedes technische Gerät wird mit Halbleitern bestückt. Ein Grund, warum die EU und Deutschland viel Energie auf den Ausbau dieses Sektors verwenden. Es wird wichtiger denn je. Das gilt auch für Japan und Südkorea. Für die südasiatischen Staaten könnte Europa damit attraktiver werden: Fertigung und Margen bleiben in den Hersteller-Ländern und Europa bezieht die Chips zu besseren Preisen als die US-Abnehmer.
Während der Zoll-Orgien haben Wirtschaftsvertreter Japans, Chinas und Südkoreas Kontakt gesucht und nach über 5 Jahren ein Handelsministertreffen abgehalten. Ziel ist die Beschleunigung eines festgefahrenen Freihandelsabkommens.[11] China sucht zudem mehr Nähe zur EU, was aber auch so gedeutet werde kann, dass die fehlenden Absätze des US-Marktes nach Europa wandern sollen: Noch mehr E-Autos, Textilien etc. Das Problem wird ökonomisch nicht kleiner.[12] Aber es könnte genutzt werden, um Chinas Einfluss auf Putins Russland „herauszuhandeln“. Es würde eine Friedensdividende winken, wenn in der Ukraine die Zerstörung beendet werden könnte.
Die geopolitische Dimension ist offenkundig. Die USA und damit auch der US-Dollar – erste Anzeichen sind sichtbar – werden geopolitisch an Einfluss verlieren. Die Restwelt könnte sich weiter regelbasiert austauschen und die Chance nutzen, Aggressionen einzudämmen. Es könnte am 2. April ein „Liberation Day“ für die USA gewesen sein, aber ganz anders als es sich Donald Trump vorgestellt. Die noch nicht „Durchgeknallten“ dieser Welt könnten sich auf einen Minimalkonsens gegen diese Verrücktheiten zusammenschließen und auch die US-Wähler könnten aufwachen ob des drohenden nationalen Desasters. Nur wird der Wähler irgendwann einsehen müssen, dass es nicht nur um Inflation geht, sondern um Freiheit. Der Weg wird ein weiter sein. Ex-Präsident Barak Obama macht sich mehr Sorgen um die Freiheit der Universitäten als um die Zollpolitik einer inkompetenten Führungscrew.[13] Die Faschisierung der US-Gesellschaft ist wohl auch wirklich das größere Problem. Die Zollmechanismen kann die Trump Administration nicht aushebeln, aber das „Project 2025“ wird vorangetrieben, auch wenn Trump sich verbal davon distanzierte. Alles irgendwie „Linke“ und „Woke“ soll eliminiert werden.[14] Es wurde Zeit, dass Obama seine Stimme erhebt und in Washington und anderen Städten große Demos gegen Trumps Politik angekündigt sind.
[1] Michael Hesse 2025; o.S.: Wissenschaftler verlassen die USA wegen Trump: „Es wird zu einem Bürgerkrieg kommen“. https://www.fr.de/kultur/gesellschaft/wegen-trump-politik-nach-kanada-intellektuelle-verlassen-usa-93656493.html. 04.04.2025
[2] Jonas Breng und Eva-Maria Schnurr 2025, o.S.: »Wir leben im Jahr 1938«.
[3] GWBMA 2021, o.S. und Flassbeck/Steinhardt 2018, S. 25.
[4] Moritz Küper 2025, o.S.: Melmendier: Schwer in Trumps Vorgehen eine Logik zu erkennen. https://www.deutschlandfunk.de/zoelle-und-folgen-interview-mit-der-wirtschaftsweisen-ulrike-malmendier-100.html. 05.04.2025
[5] Der belgisch-amerikanische Ökonom Robert Triffin formulierte dieses Problem auf einer Konferenz eindringlich.
[6] Thomas Ertl 2024, S. 224f: Multikrise der Globalisierung. Metropolis Verlag Marburg
[7] Stefanie Bolzen 2025, o.S.: „Unser Land wurde geplündert und vergewaltigt”. https://www.welt.de/politik/ ausland/ article255853144/Trumps-neue-Zoelle-Unser-Land-wurde-gepluendert-und-vergewaltigt.html. 05.04.2025
[8] Electrive 2025, o.S.: Wegen US-Zöllen: Hyundai erwägt Ausbau von US-Elektroauto-Werk. https://www.electrive.net/2025/02/19/wegen-us-zoellen-hyundai-erwaegt-ausbau-von-us-elektroauto-werk/. 04.04.2025.
[8a] Tagesschau 2025, o.S.: Musk spricht sich für Freihandelszone mit Europa aus. https://www.tagesschau.de/ausland/amerika/musk-europa-zollpolitik-100.html. 06.04.2025
[9] Yuchen Lie 2025, o.S.: Taiwan: Sorge wegen US-Investitionsplänen von Chip-Gigant. https://www.dw.com/de/taiwan-investitionspl%C3%A4ne-von-chiphersteller-sch%C3%BCren-sicherheitsbedenken-in-taipeh/a-71914337. 04.04.2025
[10] Shoez 2025, o.S.: Trump: Vietnam signalisiert Bereitschaft zu Zollsenkung. https://shoez.biz/trump-vietnam-signalisiert-bereitschaft-zu-zollsenkung/. 04.04.2025
[11] Felix Lill 2025, o.S.: Trump-Zölle haben unvorhergesehene Folgen: Aus Rivalen werden plötzlich Freunde. https://www.fr.de/wirtschaft/dank-donald-trumps-zoellen-naehern-sich-china-japan-und-suedkorea-an-93663792.html. 05.04.2025
[12] Deutschlandfunk 2025, o.S.: China will mit EU zusammenarbeiten – Trump signalisiert Gesprächsbereitschaft. https://www.deutschlandfunk.de/china-will-mit-eu-zusammenarbeiten-trump-signalisiert-gespraechsbereitschaft-100.html. 05.04.2025
[13] Frances Vinall and Justine McDaniel 2025, o.S.: Obama calls on citizens, colleges and law firms to resist Trump agenda. https://www.washingtonpost.com/politics/2025/04/05/obama-trump-universities-intimidation/. 05.4.2025
[14] Deutschlandfunk 2025, o.S.: Setzt Trump den radikalen Plan „Project 2025“ um? https://www.deutschlandfunk.de/trump-project-2025-100.html. 05.04.205