„USA – ein neuer Faschismus?“ Ja, ein Techno-Faschismus! 

„USA – ein neuer Faschismus?“ Ja, ein Techno-Faschismus! 

27. März 2025 2 Von Bruno Heidlberger

Antwort auf Uli Gierse https://www.feininger.eu/usa-ein-neuer-faschismus/

Wir wissen, Geschichte wiederholt sich nicht. Gleichwohl fragen wir uns, wie ist es möglich, dass immer wieder Politiker mit autoritären und narzisstischen Persönlichkeitsstörungen an die Macht kommen? Warum erliegen immer wieder Menschen der Verführung des Autoritären?

Da ist sicher einmal der Wunsch nach einem starken Führer in Zeiten der Krise, nach einfachen und schnellen Lösungen. Das geht nicht ohne Feindbilder und Lügen. Die Führer selbst stilisieren sich als unfehlbar. Jede Kritik gilt als Verrat. Dem entspricht die Gleichschaltung der Medien und die Beseitigung der demokratischen Institutionen. Die Hoffnung auf Partizipation und die Angst vor Ächtung und Bequemlichkeit bringt den Opportunisten hervor. Hinzu kommt die Gewöhnung. Man glaubt, es wird schon nicht so schlimm kommen. Auch heute sehen wir ähnliche Mechanismen, die man auch als faschistische Mechanismen bezeichnen kann, aber noch kein faschistisches System als Ganzes definieren.

Geschichte wiederholt sich nicht, gleichwohl können sich bestimmte Dynamiken, Elemente, Strukturen, Merkmale und politische Muster autoritärer und totalitärer Herrschaft wiederholen. Hannah Arendt spricht deshalb auch von „Elementen totaler Herrschaft“. Wer die Frage nach heutigen faschistischen Entwicklungen durch den Vergleich mit dem historischen Faschismus beantworten möchte, geht in die historistische Falle.

Dennoch macht es Sinn faschistische Ziele, Methoden, Merkmale und Praktiken in den Blick zu nehmen, wie z. B. Umberto Ecco in „14 Merkmale des Ur-Faschismus“ [1]

oder Zeev Sternhell in „Faschistische Ideologie“ oder Jason Stanley.

„Jason Stanley, der an Yale University Philosophie lehrt, identifiziert in seinem Buch „Wie Faschismus funktioniert“ zehn Säulen faschistischer Politik und zeichnet ihren erschreckenden Wiederaufstieg und ihre Geschichte nach. Ob das die Mythologisierung der Vergangenheit einer Nation ist, ein gegen die Wissenschaft und Experten gerichteter Anti-Intellektualismus oder auch die Kriminalisierung von Minderheitengruppen – diese Säulen formen die Sprache und die Überzeugungen, die Menschen in ein „Wir“ und ein „Sie“ unterteilen. Die faschistischen Taktiken greifen ineinander und entwickeln zusammen eine ungeheure Kraft, die letztlich eine für die Appelle einer autoritären Führung anfällige Gesellschaft formt.“

aus: Faschismus und die mythische Vergangenheit, Jason Stanley[2],

Zu dem sehr empfehlenswerten Buch habe ich eine ausführliche Rezension, mit Blick auf die aktuelle Entwicklung in den USA und Deutschland, verfasst, die nächste Woche bei socialnet.de erscheint.

Dort schreibe ich mit Bezug auf Hannah Arendt:

„Trumps Wahl 2016 öffnete die Tür für eine libertäre autoritäre konservative Revolution nach innen und eine imperiale neoliberalistische Revolution nach außen; für einen illiberalen Regimewechsel, mit einer entkernten Verfassung. Mit dem historischen Faschismus hat dieser neue digitale autoritäre Herrschaftstypus nichts zu tun. Jürgen Habermas spricht von einer »Art der libertären Abschaffung der Politik«[16]; Politik als eine allein durch neue Technologien gesteuerte Form der Unternehmensführung – frei von gültigen gesellschaftlichen Normen und Intuitionen – frei von Politik. Hannah Arendt war es, die vor der »Entpolitisierung« nicht allein in Diktaturen gewarnt hat, die »hier so radikal« auftrete, dass »sie das politische Freiheitselement in allen Tätigkeiten vernichtet und sich nicht nur damit zufriedengibt, das Handeln, also die politische Fähigkeit par excellence, zu zerstören«.[17] Die gesamte Neuzeit habe Freiheit und Politik voneinander getrennt. »Politik [als] die Sorge um eine Lebensversorgung« (208) könne der Rechtfertigung totalitärer Diktaturen dienen, denn, »[…] wenn es in der Politik nur um Sicherheit und Lebensinteressen geht, so hätten wir keinen Grund, die Tyrannis prinzipiell abzulehnen […]« (204). Ein Blick nach Russland und China genügen. »Der Sinn von Politik ist Freiheit«, schreibt Arendt, »vorausgesetzt, dass Politik es mit der Welt zu tun hat und nicht mit dem Leben und dass Freiheit dort beginnt wo die Sorge um das Leben aufgehört hat, die Menschen zu zwingen, sich so oder anders zu verhalten« (210). Der Wachstumsprozess gesellschaftlichen und privaten Reichtums, der im Spätkapitalismus auf die Spitze getrieben wird, sei nur möglich, »wenn die Welt und die Weltlichkeit des Menschen ihm zum Opfer gebracht werden«[18]. Joe Biden warnte in seiner Abschiedsrede vor der Macht eines technisch-industriellen Komplexes und vor einer unkontrollierten Oligarchie der Superreichen.“

Thomas Jefferson hat mit seiner Befürchtung Recht behalten, Amerika werde sich nach und nach zu einer Plutokratie entwickeln. Broligarchen sind die neuen Herrscher der digitalen Welt. Macht, Gier und die Zerstörung der Demokratie. Diese selbsternannten Halbgötter, die sich als „Sovereign Individuals“ sehen, sind die neuen Pharaonen, die sich über die Gesetze und Demokratie erheben.

„He who saves his country, violates no law“ – Donald Trump – die Kettensäge.

Wie Du weißt, hat Arendt in Vita activa und in diversen Vorträgen aus den 60er Jahren bereits vor der Selbstzerstörung, des auf unbegrenztes Wachstum beruhenden, nicht politisch gezähmten, kapitalistischen Systems gewarnt, eines Systems, das nicht die Freiheit, sondern die Ökonomie, ins Zentrum der Politik stellt und so, Politik überflüssig zu machen droht.

Stanleys These lautet, dass der Faschismus »keine neue Bedrohung darstellt, sondern vielmehr eine ständige Versuchung ist«. Er folgt damit Theodor W. Adorno These: »Der Faschismus ist als Rebellion gegen die Zivilisation nicht einfach eine Wiederholung des Archaischen, sondern dessen Wiedererzeugung in der Zivilisation durch die Zivilisation selbst.«

Sind wir „in die nächste Epoche der Weltgeschichte eingetreten“? wie manche meinen oder handelt es sich um einen backlash zwecks Zerstörung der liberalen Demokratie mit seinen Institutionen, um die Beseitigung von gleichen Rechten für alle – um die Zerstörung einer politischen Ordnung, die in den USA mehr als 240 Jahre überdauert hat. Um eine regressive instrumentelle Form der Dialektik der Aufklärung? Ich meine, es ist ein Rückfall hinter die Aufklärung Kants und der Beginn der Zerstörung der normativen Grundlagen der Moderne.

So gesehen handelt es sich um eine rechtslibertäre nationalistische Konterrevolution. Ein Bündnis von Ultranationalismus, Technologieriesen und fossiler Industrie. Vielleicht passt hier der Begriff: digitaler fossiler Faschismus 2.0. oder Techno-Faschismus.

Rainer Mühlhoff schreibt auf dem Verfassungsblog:

„Dieser neue Faschismus sieht in vielen Hinsichten nicht genauso aus wie seine historischen Vorbilder – und ist doch ein Faschismus. Sein Kennzeichen wird sein, dass er die spezifischen Möglichkeiten von Datenanalyse- und KI-Technologie ausnutzen wird, um den Rechtsstaat auszuschalten und durch einen schlanken, auf Automatisierung und Präemption basierenden Apparat zu ersetzen.“

Und weiter:

„Im Zusammenspiel von Trumps autoritär-wahnsinniger Politik und der Aneignung der Bürokratie durch seinen Schergen Musk realisiert sich lehrbuchhaft ein Theorem des Nazi-Staatsrechtlers Carl Schmitt: „Souverän ist, wer über den Ausnahmezustand verfügt“ – wer also auf Ebene der Abläufe und Prozeduren Demokratie und Rechtsstaat aushebelt. Was bereits der NSDAP als Playbook galt, wird auch hier wieder herangezogen: Ziel der faschistischen Politik ist die Übernahme des Apparats, nicht eine bestimmte Politik innerhalb desselben. (…) Dieser Faschismus beruht auf einem Zusammenspiel von politischem Regime und Tech-Industrie, welches eine neue Qualität der sozialen Sortierung, Ausbeutung, Unterdrückung und Verfolgung bis hin zur Deportation und Ermordung von Menschen nach sich zieht.“[3]

Die neue Ära ist geprägt von expansionistischer Politik, aggressiven geoökonomischen Manövern, dem Wiederaufleben von Einflusssphären, Annexionen, Integration und der Unterwerfung schwächerer Staaten – ein neuer Techno-Imperialismus. Diese Entwicklung läuft auf eine Umkehrung der Verhältnisse hinaus: Russland und USA gegen Europa. Die Vereinigten Staaten haben die Seiten gewechselt, sie sind nicht mehr der Verteidiger der Demokratie, sondern sie sind jetzt der Partner der Autokratie. „Teilen die Mächtigen Europa gerade wieder unter sich auf wie damals die Siegermächte oder ist es übertrieben?“

A. von Lucke: „Nein, das ist keineswegs übertrieben und es ist noch viel fataler. Es ist gewissermaßen das Gegenteil von dem, was Europa 1945 erlebt hat.“ Trumps Politiken sind vor dem Hintergrund des Völkerrechts, der Menschenrechte, der liberalen Werteordnung, der demokratischen Prozesse, insofern Verstöße gegen die regelbasierte Gesellschaftsordnung, wie wir sie seit 1945 kennen. Die „Stunde der Autokratien hat geschlagen.“ (Herfried Münkler).

Jetzt kommt es auf Europa, auf Deutschland, auf die Union mit Friedrich Merz an. Seine ersten Schritte sind wenig ermutigend.


[1]  https://netzwerk-nienburg.de/news.php?p=149

[2] https://overton-magazin.de/hintergrund/politik/faschismus-und-die-mythische-vergangenheit/

[3] https://verfassungsblog.de/trump-und-der-neue-faschismus/