
„USA – ein neuer Faschismus?“ Ja, ein Techno-Faschismus!
Antwort auf Uli Gierse https://www.feininger.eu/usa-ein-neuer-faschismus/
Wir wissen, Geschichte wiederholt sich nicht. Gleichwohl fragen wir uns, wie ist es möglich, dass immer wieder Politiker mit autoritären und narzisstischen Persönlichkeitsstörungen an die Macht kommen? Warum erliegen immer wieder Menschen der Verführung des Autoritären?
Da ist sicher einmal der Wunsch nach einem starken Führer in Zeiten der Krise, nach einfachen und schnellen Lösungen. Das geht nicht ohne Feindbilder und Lügen. Die Führer selbst stilisieren sich als unfehlbar. Jede Kritik gilt als Verrat. Dem entspricht die Gleichschaltung der Medien und die Beseitigung der demokratischen Institutionen. Die Hoffnung auf Partizipation und die Angst vor Ächtung und Bequemlichkeit bringt den Opportunisten hervor. Hinzu kommt die Gewöhnung. Man glaubt, es wird schon nicht so schlimm kommen. Auch heute sehen wir ähnliche Mechanismen, die man auch als faschistische Mechanismen bezeichnen kann, aber noch kein faschistisches System als Ganzes definieren.
Geschichte wiederholt sich nicht, gleichwohl können sich bestimmte Dynamiken, Elemente, Strukturen, Merkmale und politische Muster autoritärer und totalitärer Herrschaft wiederholen. Hannah Arendt spricht deshalb auch von „Elementen totaler Herrschaft“. Wer die Frage nach heutigen faschistischen Entwicklungen durch den Vergleich mit dem historischen Faschismus beantworten möchte, geht in die historistische Falle.
Dennoch macht es Sinn faschistische Ziele, Methoden, Merkmale und Praktiken in den Blick zu nehmen, wie z. B. Umberto Ecco in „14 Merkmale des Ur-Faschismus“ [1]
oder Zeev Sternhell in „Faschistische Ideologie“ oder Jason Stanley.
„Jason Stanley, der an Yale University Philosophie lehrt, identifiziert in seinem Buch „Wie Faschismus funktioniert“ zehn Säulen faschistischer Politik und zeichnet ihren erschreckenden Wiederaufstieg und ihre Geschichte nach. Ob das die Mythologisierung der Vergangenheit einer Nation ist, ein gegen die Wissenschaft und Experten gerichteter Anti-Intellektualismus oder auch die Kriminalisierung von Minderheitengruppen – diese Säulen formen die Sprache und die Überzeugungen, die Menschen in ein „Wir“ und ein „Sie“ unterteilen. Die faschistischen Taktiken greifen ineinander und entwickeln zusammen eine ungeheure Kraft, die letztlich eine für die Appelle einer autoritären Führung anfällige Gesellschaft formt.“
aus: Faschismus und die mythische Vergangenheit, Jason Stanley[2],
Zu dem sehr empfehlenswerten Buch habe ich eine ausführliche Rezension, mit Blick auf die aktuelle Entwicklung in den USA und Deutschland, verfasst, die nächste Woche bei socialnet.de erscheint.
Dort schreibe ich mit Bezug auf Hannah Arendt:
„Trumps Wahl 2016 öffnete die Tür für eine libertäre autoritäre konservative Revolution nach innen und eine imperiale neoliberalistische Revolution nach außen; für einen illiberalen Regimewechsel, mit einer entkernten Verfassung. Mit dem historischen Faschismus hat dieser neue digitale autoritäre Herrschaftstypus nichts zu tun. Jürgen Habermas spricht von einer »Art der libertären Abschaffung der Politik«[16]; Politik als eine allein durch neue Technologien gesteuerte Form der Unternehmensführung – frei von gültigen gesellschaftlichen Normen und Intuitionen – frei von Politik. Hannah Arendt war es, die vor der »Entpolitisierung« nicht allein in Diktaturen gewarnt hat, die »hier so radikal« auftrete, dass »sie das politische Freiheitselement in allen Tätigkeiten vernichtet und sich nicht nur damit zufriedengibt, das Handeln, also die politische Fähigkeit par excellence, zu zerstören«.[17] Die gesamte Neuzeit habe Freiheit und Politik voneinander getrennt. »Politik [als] die Sorge um eine Lebensversorgung« (208) könne der Rechtfertigung totalitärer Diktaturen dienen, denn, »[…] wenn es in der Politik nur um Sicherheit und Lebensinteressen geht, so hätten wir keinen Grund, die Tyrannis prinzipiell abzulehnen […]« (204). Ein Blick nach Russland und China genügen. »Der Sinn von Politik ist Freiheit«, schreibt Arendt, »vorausgesetzt, dass Politik es mit der Welt zu tun hat und nicht mit dem Leben und dass Freiheit dort beginnt wo die Sorge um das Leben aufgehört hat, die Menschen zu zwingen, sich so oder anders zu verhalten« (210). Der Wachstumsprozess gesellschaftlichen und privaten Reichtums, der im Spätkapitalismus auf die Spitze getrieben wird, sei nur möglich, »wenn die Welt und die Weltlichkeit des Menschen ihm zum Opfer gebracht werden«[18]. Joe Biden warnte in seiner Abschiedsrede vor der Macht eines technisch-industriellen Komplexes und vor einer unkontrollierten Oligarchie der Superreichen.“
Thomas Jefferson hat mit seiner Befürchtung Recht behalten, Amerika werde sich nach und nach zu einer Plutokratie entwickeln. Broligarchen sind die neuen Herrscher der digitalen Welt. Macht, Gier und die Zerstörung der Demokratie. Diese selbsternannten Halbgötter, die sich als „Sovereign Individuals“ sehen, sind die neuen Pharaonen, die sich über die Gesetze und Demokratie erheben.
„He who saves his country, violates no law“ – Donald Trump – die Kettensäge.
Wie Du weißt, hat Arendt in Vita activa und in diversen Vorträgen aus den 60er Jahren bereits vor der Selbstzerstörung, des auf unbegrenztes Wachstum beruhenden, nicht politisch gezähmten, kapitalistischen Systems gewarnt, eines Systems, das nicht die Freiheit, sondern die Ökonomie, ins Zentrum der Politik stellt und so, Politik überflüssig zu machen droht.
Stanleys These lautet, dass der Faschismus »keine neue Bedrohung darstellt, sondern vielmehr eine ständige Versuchung ist«. Er folgt damit Theodor W. Adorno These: »Der Faschismus ist als Rebellion gegen die Zivilisation nicht einfach eine Wiederholung des Archaischen, sondern dessen Wiedererzeugung in der Zivilisation durch die Zivilisation selbst.«
Sind wir „in die nächste Epoche der Weltgeschichte eingetreten“? wie manche meinen oder handelt es sich um einen backlash zwecks Zerstörung der liberalen Demokratie mit seinen Institutionen, um die Beseitigung von gleichen Rechten für alle – um die Zerstörung einer politischen Ordnung, die in den USA mehr als 240 Jahre überdauert hat. Um eine regressive instrumentelle Form der Dialektik der Aufklärung? Ich meine, es ist ein Rückfall hinter die Aufklärung Kants und der Beginn der Zerstörung der normativen Grundlagen der Moderne.
So gesehen handelt es sich um eine rechtslibertäre nationalistische Konterrevolution. Ein Bündnis von Ultranationalismus, Technologieriesen und fossiler Industrie. Vielleicht passt hier der Begriff: digitaler fossiler Faschismus 2.0. oder Techno-Faschismus.
Rainer Mühlhoff schreibt auf dem Verfassungsblog:
„Dieser neue Faschismus sieht in vielen Hinsichten nicht genauso aus wie seine historischen Vorbilder – und ist doch ein Faschismus. Sein Kennzeichen wird sein, dass er die spezifischen Möglichkeiten von Datenanalyse- und KI-Technologie ausnutzen wird, um den Rechtsstaat auszuschalten und durch einen schlanken, auf Automatisierung und Präemption basierenden Apparat zu ersetzen.“
Und weiter:
„Im Zusammenspiel von Trumps autoritär-wahnsinniger Politik und der Aneignung der Bürokratie durch seinen Schergen Musk realisiert sich lehrbuchhaft ein Theorem des Nazi-Staatsrechtlers Carl Schmitt: „Souverän ist, wer über den Ausnahmezustand verfügt“ – wer also auf Ebene der Abläufe und Prozeduren Demokratie und Rechtsstaat aushebelt. Was bereits der NSDAP als Playbook galt, wird auch hier wieder herangezogen: Ziel der faschistischen Politik ist die Übernahme des Apparats, nicht eine bestimmte Politik innerhalb desselben. (…) Dieser Faschismus beruht auf einem Zusammenspiel von politischem Regime und Tech-Industrie, welches eine neue Qualität der sozialen Sortierung, Ausbeutung, Unterdrückung und Verfolgung bis hin zur Deportation und Ermordung von Menschen nach sich zieht.“[3]
Die neue Ära ist geprägt von expansionistischer Politik, aggressiven geoökonomischen Manövern, dem Wiederaufleben von Einflusssphären, Annexionen, Integration und der Unterwerfung schwächerer Staaten – ein neuer Techno-Imperialismus. Diese Entwicklung läuft auf eine Umkehrung der Verhältnisse hinaus: Russland und USA gegen Europa. Die Vereinigten Staaten haben die Seiten gewechselt, sie sind nicht mehr der Verteidiger der Demokratie, sondern sie sind jetzt der Partner der Autokratie. „Teilen die Mächtigen Europa gerade wieder unter sich auf wie damals die Siegermächte oder ist es übertrieben?“
A. von Lucke: „Nein, das ist keineswegs übertrieben und es ist noch viel fataler. Es ist gewissermaßen das Gegenteil von dem, was Europa 1945 erlebt hat.“ Trumps Politiken sind vor dem Hintergrund des Völkerrechts, der Menschenrechte, der liberalen Werteordnung, der demokratischen Prozesse, insofern Verstöße gegen die regelbasierte Gesellschaftsordnung, wie wir sie seit 1945 kennen. Die „Stunde der Autokratien hat geschlagen.“ (Herfried Münkler).
Jetzt kommt es auf Europa, auf Deutschland, auf die Union mit Friedrich Merz an. Seine ersten Schritte sind wenig ermutigend.
[1] https://netzwerk-nienburg.de/news.php?p=149
[2] https://overton-magazin.de/hintergrund/politik/faschismus-und-die-mythische-vergangenheit/
[3] https://verfassungsblog.de/trump-und-der-neue-faschismus/
Bruno Heidlbergers Replik:
Lieber Uli,
Du schreibst:
„Ja, es ist eine Diktatur über Verordnungen, die aber nicht den Staatsapparat als Herrschaftsinstrument stärken will, sondern den Staatsapparat abschaffen will oder technologisch umrüsten will. Das Ergebnis ist daher in den bisher bekannten Herrschaftssystemen eher eine feudale Herrschaft von Oligarchen mit einem absoluten Herrscher an der Spitze.“
Ich denke nicht, dass die Trumpisten den Staatsapparat abschaffen wollen, dann würden sie sich selbst ihrer Herrschaft berauben. Sie wollen vielmehr den Staatsapparat als Herrschaftsinstrument für ihre Zwecke stärken. Denn sie zerstören jede Art von staatlicher Kontrolle und benutzen diesen Staat, um ihre ultranationalistische illiberale, libertäre, autokratische und neoliberalistische Agenda durchzusetzen.
Es geht ihnen vielmehr darum, den „tiefen Staat“ digital und personell umzubauen, die Verwaltung personell von demokratischem, links-liberalem Personal zu säubern, zu verschlanken und zu zentralisieren mit direktem Zugriff auf die Daten aller Bürger, wie auf Steuer- und Finanzen und um die Ausschaltung demokratischer Kontrolle. Das, was wir mit Sozialstaat und Zivilgesellschaft bezeichnen, wird radikal beschnitten. Alle Institutionen, die dem humanitären und freiheitlichen Anspruch liberaler Demokratien verpflichten waren, freie Presse, Entwicklungshilfe (USAID), Anti-Diversity-Maßnahmen, Forschungen zu Gesundheit, Umwelt, Gender, Gerechtigkeit, WHO und Ähnliches, fallen dem Rotstift Musk zum Opfer. Zum Staatsapparat gehören auch Polizei, Armee und CIA. Auch hier digitaler Umbau, aber eher Ausbau als Abschaffung. Ohne militärische Macht ist MAGA, weder nach innen, noch nach außen, zu machen.
Die reaktionäre Techno-Diktatur in den USA hat mit einem feudalistischen System seine Antimodernität und Illiberalität gemeinsam, insbesondere, dass an der Spitze ein Autokrat steht. Ludwig XIV hingegen verfügte übrigens über einen aufgeblähten sehr teuren „Staatsapparat“ (Versailles) zur Ruhigstellung des Adels. Wie bei Trump zählte nur Loyalität und das Ja-Sagertum. Ein König wird nicht gewählt. Er ist König von Gottes Gnaden. Feudalismus ist auch mehr als die Herrschaft des Königs und Adels. Es ist ein fest gefügter Aufbau der Gesellschaft. Keine freie Berufswahl, keine individuellen Rechte, keine freie Marktwirtschaft usw.
Der entscheidende Punkt aber ist: Die Trumpisten wollen die liberale Demokratie, gleiche Rechte und den Rechtssaat mit seinen Institutionen, d. h. Gewaltenteilung, und unabhängige Richter, abschaffen. Dafür brauchen sie den Staat und werden sich möglichst lange an ihn klammern, aus Angst zur Rechenschaft gezogen zu werden. Ein Bürgerkrieg ist nicht ausgeschlossen.
Sie haben einen gemeinsamen Feind: das demokratische Amerika und das „woke“ progressive Establishment, das aus ihrer Sicht die Regierung unterwanderte. Das wollen sie ein für alle Mal besiegen. Ob es nun nur um Effizienz geht, um die Rückkehr zu einer christlich-traditionalistischen Republik oder um einen technologisch getriebenen KI-Staat: All das erfordert die Abschaffung der Beschränkungen der Regierung durch Prinzipien wie racial equality, Umweltschutz, Bildungsgleichheit oder Umverteilung und Freiheit der Rede und Freiheit der Wissenschaft. Ihnen geht es neben der Zerschlagung demokratischer Institutionen, vor allem um eine andere Politik. Das ist der Kern des trumpistischen Autoritarismus, das Ziel der Konservativen amerikanischen Revolution.
Trump hat Maßstäbe geschaffen für jene Machthaber, die Gewaltenteilung und Rechtsstaatlichkeit als lästig betrachten. Trump inspiriert die Autokraten der Welt. So hat Viktor Orbán vor zwei Wochen verkündet, er werde jede „Finanzmaschinerie“ zerlegen, die mit „korrupten Dollars Politiker, Richter, Journalisten, Pseudo-NGO‘s und Politikaktivisten gekauft“ habe. Diese „Stinkwanzen“, wie er sie nannte, hätten ja bislang leider erfolgreich „überwintert“, mit dem kommenden „Frühjahrsputz“ sei damit aber Schluss. Seit neuestem spricht Netanyahu oft vom „tiefen Staat“, und von der finsteren Macht, der Bürokratie, die es zu bekämpfen gelte. Friedrich Merz zeigt sich bislang als unsicher Kandidat, dem nicht zu trauen ist.
Geschichte wiederholt sich nicht. Der Name politischer Systeme, wie Feudalismus, Demokratie, Diktatur, Totalitarismus, sind in der politischen Theorie Abstraktionen. Es sind Modelle. Ihre Realität ist vielfältiger und kulturell und historisch eingefärbt. Diese Begriffe sind in der Forschung umstritten – auch die Tatsache, dass es z. B. eine absolutistische Herrschaft nirgendwo in Reinform verwirklicht wurde. Der italienische Faschismus ist nicht dasselbe wie der deutsche Nationalsozialismus. Die „die Herrschaft des Finanzkapitals“ (Komintern) ist auch nicht Produkt des Kapitalismus, wie viele Linke lange dachten und heute immer noch denken. Dazu hat Stanley einen sehr empfehlenswerten Text geschrieben:
„In den Augen vieler 68er in Deutschland verschwammen Nationalsozialismus und Kapitalismus zu ein und derselben Bedrohung. Die Folgen spüren wir noch heute“, schreibt Jason Stanley in seinem Text „68-er Generation. Der Wahn der Überlegenheit“ in der Zeit vom 06.06.2018. (1)
Die heutigen Unrechtssysteme erkennen wir nicht, wenn wir sie mit den vergangenen Systemen der Unmenschlichkeit phänomenologisch vergleichen. Wir können die Gegenwart aber besser verstehen, wenn wir auf Strukturen, Dynamiken, Merkmale und Muster illiberaler Politik und Systeme schauen. Diese haben sich nicht verändert. Der Maßstab an der antiliberalen Politik gemessen werden kann sind ihre Angriffe auf die Werte Freiheit, Gleichheit, Solidarität, sowie Rechtsstaat, Gewaltenteilung, Grund- und Menschenrechte, wie sie in der amerikanischen Unabhängigkeitserklärung 1776 und in der Verfassung der französischen Revolution von 1791 verankert sind. Gegen diese universellen Ideale ist schon Hitler und alle Autokraten Sturm gelaufen. Ihren Niederschlag haben diese Verfassungen in der Allgemeinen Erklärung für Menschenrechte von 1948 und auch im GG gefunden.
Was wir gerade weltweit erleben, insbesondere aktuell in den USA geht in Richtung Diktatur.
Jason Stanley sagte letzte Woche:
„Was wir jetzt sehen – das ist Faschismus.“ Wenn Jason Stanley von faschistischen Zuständen in den USA spricht, geht es ihm nicht um perfekte Begriffe – sondern darum, die Strategien der Trump-Bewegung zu verstehen und zu benennen.
Faschismus ist für Stanley eine ständige Versuchung. Wovor Stanley warnt, ist nicht die Wiederkehr des historischen Faschismus, aber vor »faschistischen Taktiken«.
Sein Buch handelt von den gemeinsamen Merkmalen faschistischer Bewegungen und Taktiken, von sich wiederholenden Mustern, Weichenstellungen, Tendenzen von Normalisierungen im öffentlichen Raum. Stanley geht es darum, dass wir diesen Sog frühzeitig erkennen – uns dem Sog seiner Normalisierung widersetzen.
Ich habe zu seinem Buch: „Wie Faschismus funktioniert“ eine Rezension (2) geschrieben und komme dabei zu dem Fazit:
Fazit
Der nationalistische libertäre Autoritarismus kommt nicht wie der Dieb in der Nacht, sondern im neuen Design am helllichten Tag. Er wird nicht sagen, ich bin der Zerstörer des Pluralismus, sondern ich bin der Disrupter und der Verkünder eines goldenen Zeitalters. Stanley geht es darum, dass wir seine Mythen frühzeitig erkennen und uns dem Sog seiner Normalisierung widersetzen. Jason Stanleys „Wie Faschismus funktioniert“ ist das Buch der Stunde. Es ist äußerst lehrreich und verdient breite Rezeption.
(1) https://archive.is/2023.04.19-150547/https://www.zeit.de/2018/24/68er-generation-nationalsozialimus-kapitalismus-scheitern/komplettansicht
(2) https://www.socialnet.de/rezensionen/33304.php
Lieber Bruno, der Streit um einen Faschismus-Begriff hat eine lange Geschichte. Von kommunistischer Seite (Komintern) wurden quasi alle kapitalistischen Staaten als faschistisch gelabelt, das war Teil des globalen Klassenkampfs aus Sicht Moskaus. Faschistisch musste die Beherrschung der Massen sein, denn ohne eine solche Manipulation wäre die Weltrevolution doch längst da. Ich übertreibe ein wenig, aber bis Ende der 1980er Jahre war „faschistisch“ oder „faschistoid“ auch Teil der ideologischen Auseinandersetzungen von K-Gruppen jeglicher Couleur.
Was dabei immer auch unter die Räder kam, war der millionenfache Mord der Nazis und der Sowjets unter Stalin. Faschismus in Italien war insofern etwas anderes als der Terror der Nazis in den KZ- und Todfeslagern.
Hannah Arendt unterscheidet zwischen verschiedenen Herrschaftssystemen: DIktatur/Tyrannei, Monarchie,, Republik und als neue Entwicklung totalitäre Systeme.
Den italienischen Faschismus sieht sie nicht als totalitäres System an, sondern als „normale“ Diktatur/Tryannei. Den italienischen Faschisten kam es „nur“ darauf an den Staatsapparat zu beherrschen, an einer permanenten Revolution getrieben durch eine Massenbewegung hatten sie kein Interesse. Im Gegensatz zum Nationalsozialismus und Stalinismus, die auf revolutionäre Bewegungen zur Vorantreibung der Herrschaft über Terror setzten. Wenn man sich also politikwissenschaftlich das Trump-Regime anschaut, stellt man fest. Ja, es ist eine Diktatur über Verordnungen, die aber nicht den Staatsapparat als Herrschaftsinstrument stärken will, sondern den Staatsapparat abschaffen will oder technologisch umrüsten will.
Das Ergebnis ist daher in den bisher bekannten Herrschaftssystemen eher eine feudale Herrschaft von Oligarchen mit einem absoluten Herrscher an der Spitze. Also Louis XIV? Nein, zusammen mit der Macht der Künstlichen Intelligenz scheint sich etwas Neues herauszubilden. Ein Konglomerat von amerikanischen Spezialitäten: Religion, regionale Borniertheit, weiße Vorherrschaft, Rassismus, das Recht des Stärkeren (Pseudodarwinismus bei gleichzeitiger Ablehnung der Evolutionstheorie), ein erratischer Präsident, kaputte Medienlandschaft, Tech-Plutokraten etc.