
USA – ein neuer Faschismus?
Im US-Bundesstaat Arkansas wollen Republikaner das Tragen einer Kurzhaarfrisur für minderjährige Mädchen verbieten, weil das „die soziale Transition“ von Minderjährigen unterstütze, ebenso wie falsche Kleidung oder selbstgewählte Namen. Jeder, der das unterstützt soll zivilrechtlich belangt werden können, Frisöre oder auch Lehrer.
Dieser Kulturkampf von rechts, ist offensichtlich Teil einer faschistischen Ideologie von kultureller Homogenität. Gleichzeitig unterstützen führende MAGA-Politiker wie Musk oder Vance rechtsextreme Parteien in Europa, die Grenzbehörde Immigration and Customs Enforcement (ICE) verfolgt ein Remigrationsprogramm, mit dem Millionen Migranten ohne amerikanischen Pass aus dem Land gedrängt werden sollen. Trump operiert mit rassistischen und frauenfeindlichen unterschwelligen Botschaften (Dog Whistle). Wenn Trump zum Beispiel über „Law and Order“ spricht, kann das für manche eine neutrale Aussage sein, aber für bestimmte Anhänger schwingt eine Botschaft gegen ethnische Minderheiten mit, da dieser Ausdruck oft im Kontext harter Polizeimaßnahmen gegen Schwarze und Latinos verwendet wurde. Haben wir es also mit einer modernen Wiederbelebung des Faschismus zu tun?
Für den historischen Faschismus und auch für seine nationalsozialistische Variante spielten Symbole, Embleme, Kleidung und Uniformen sowie ritualisierte Aktionsformen eine wichtige Rolle. Uniformen, Schwarzhemden (Braunhemden) ebenso wie Symbole der Macht (Fasces (Rutenbündel mit Beil), Römischer Adler, Lorbeerkränze, Hakenkreuz, SS-Totenkopf etc.) Diese sollten Stärke, Einheit und die Gewalt des Staates symbolisieren. Das wurde durch Aktionsformen und Rituale verstärkt: Wie dem Römischen Gruß (gestreckter Arm nach vorne, später von den Nazis übernommen), Massenaufmärsche und paramilitärische Paraden: Strikte Choreografie und Formationen sollten Stärke und Ordnung demonstrieren. Dazu wurden auch Nachtdemonstrationen mit Fackeln genutzt, sie sollten eine mystische, fast religiöse Atmosphäre erzeugen. Dem sogenannten Trumpismus fehlen schon mal diese Symbole und Bilder. Die Maga-Kappen sind da eher Fanartikel als faschistisches Symbol. Die sogenannte MAGA-Bewegung ist (noch) keine Bewegung, die vergleichbar mit faschistischen Bewegungen in Europa in der ersten Hälfte des letzten Jahrhunderts wäre, die Organisationskraft und die Organisationsform der MAGAs ist gering, auch die GOP, die Republikanische Partei spielt aktuell keine große Rolle.
Es gibt aber auch schon lange eine rechtsideologische Tradition in den USA, diese hat aber heterogene Strukturen und heterogene Inhalte, Überschneidungen gibt es in dem Ziel einer weißen Vorherrschaft (White Supremacy). Dahinter steht die amerikanische Variante einer Überfremdungsideologie, die behauptet, dass weiße Amerikaner durch Immigration und Geburtenraten „ersetzt“ werden sollen. Manche rechtsextremen Gruppen streben eine stärker autoritäre, nationalistische oder sogar faschistische Regierung an, die ihre Ideale durchsetzt. Sie lehnen internationale Institutionen, Globalisierung und Migration ab und fordern eine protektionistische, nationalistische Politik. Das äußert sich vor allem in einem christlichen Nationalismus, der die USA als eine christliche Nation betrachtet und sich gegen Säkularismus und religiöse Vielfalt stellt. Da gibt es dann auch ideologische Überschneidungen zu dem russischen christlichen Nationalismus. Allen gemeinsam ist die Feindseligkeit gegenüber bestimmten Gruppen, neben ethnischen Minderheiten sind das LGBTQ+-Personen, Feminist:innen, Linke, Sozialisten und jüdische Gemeinschaften. Wie der Sturm auf das Kapital gezeigt hat, ist Gewalt als Mittel zur Zielerreichung ein anerkanntes Mittel. Das Recht auf Waffenbesitz ist daher ein besonderes Problem der Vereinigten Staaten.
Aber und das ist die amerikanische Besonderheit, den Rechtsextremen geht es genauso wenig wie den Tech-Milliardären um eine Stärkung des Zentralstaates und seiner Institutionen nach der Beseitigung des Deep States, der von den West- und Ostküsteneliten beherrscht würde. Im Gegenteil es geht allen Teilen des Trumpismus um eine Schwächung der staatlichen Institutionen.
Denn im Gegensatz zum Faschismus, der die Eroberung des Staatsapparats steht, will der Musk-Trumpismus den Staat in seiner jetzigen Form abschaffen. Dafür hat die Politikwissenschaft noch keinen brauchbaren Begriff entwickelt. Habermas redet von einer „digital gesteuerten Technokratie“, und es gibt den Begriff Tech-Feudalismus, einer Analogie zu der Zeit vor der Institutionalisierung des Staatsapparats durch absolutistische Fürsten. Klar ist, dass es sich nicht um sowas wie einen Staatsmonopolistischen Kapitalismus (Stamokap) handelt, wo der Staat als Erfüllungshelfer von kapitalistischen Monopolen angesehen wurde, sondern um die Herrschaft von Oligarchen (Tech-Monopolen) über einen autokratischen Staat, der digital im Interesse der Oligarchen funktioniert – ohne Politik oder Beamtentum und ohne funktionierenden Rechtsstaat oder die Dominanz der Parlamente, der Legislative. Andere nenen das dann Cyberlibertarism oder Post-State Superpower, post-staatliche Supermacht.
All diese Begriffe kreisen eine neue Staatsform ein, die in den Technologieunternehmen oder den Erfahrungen des Unternehmertums wurzelt. Adrian Kreye beschreibt das in der SZ so:
„Staat und Gesellschaft würden in diesem Modell nicht gleichgeschaltet, wie im Faschismus, sondern automatisiert. Die Folgen sind auf vielen Ebenen des Gemeinwesens ähnlich. Absolute Kontrolle, das Diktat des Konformismus, eine Normierung der Verhaltensformen. Um im technischen Jargon zu bleiben: Was in den USA gerade vor sich geht, ist kein Upgrade, sondern ein Reboot. (…) Das alte Betriebssystem des Staates, die Bürokratie, wird gegen ein neues ausgetauscht, die digitale Verwaltung. Die ist billiger, effizienter und vor allem ergebnisorientiert. Eine Bürokratie verwaltet Regeln und Erlaubnisse. Eine digitale Verwaltung ermöglicht Prozesse und Kontrolle.“[1] Diese Herrschaft von KI-Algorithmen harmoniert natürlich nicht oder nur schlecht mit menschlichen Check- and-Balancestrukturen.
Deshalb sit es logisch, dass das System der liberalen Demokratie, die auf Gewaltenteilung und Konsensfindung in repräsentativen Parlamenten beruht, als überholt gilt und abgeschafft werden soll. Denn so kann man keine Geschäfte machen. Der Dealmaker soll den Schwatzbuden-Politiker ersetzen. Es gilt dann nur noch das Prinzip der Resultate, der Effizienz von KI-Entscheidungen. Und auch geopolitisch wird das Recht des Stärkeren durchgesetzt. Die Welt wird in Interessensgebiete der Big-Player eingeteilt, die sich neue Kolonien durch einen Neoimperialismus verschaffen. Die dafür nötigen Armeen werden sicher demnächst auch privatisiert, das heißt jeder Einsatz hat seinen Preis.
Das sieht Trump und Co. auch für Einsätze der US-Armee wie zum Beispiel aktuell gegen die Huthi-Milizen im Jemen. Den müssten eigentlich, die Europäer bezahlen, denn die nutzen den Suezkanal viel mehr als die Amerikaner. Und Hilfe gibt es nicht umsonst, sondern hat wie jede Dienstleistung ihren Preis, die Ukrainer sollen daher die US-Hilfe mit Rohstoffen bezahlen.
In einem solchen Anarcho-Kapitalismus braucht es eigentlich keine Fremdenfeindlichkeit, denn die wäre eine Verengung des Leistungsprinzips in dem sich das größte Arschloch durchsetzen wird.
Da ist der Verdacht, den Timothy Snyder äußert, vielleicht zielführend. Nach Snyder kann man Trumps Ziel leicht entschlüsseln, er will auch endlich mal richtig reich werden und dazu braucht er die Tech-Milliardäre. Und das ist vielleicht auch die Parallele zu Putin, der im Bündnis mit den russischen Oligarchen so schon superreich geworden ist.
Fremdenhass und das Spiel mit dem Rechtsradikalismus sind dann dafür nur Manipulationsinstrumente einer populistischen Hass-Mobilisierung von Wählerinnen.
Dazu wird mit Hilfe der Social Media- Plattformen eine neue Form des Ressentiments der „Sadopopulismus“ (Timothy Snyder) promotet. Die Drohung und die damit verbundene Angst vor dem sozialen Abstieg wird nicht nur abstrakt gegen die „Anderen“ gerichtet, sondern direkt befriedigt durch den Genuss am Schmerz der anderen, die leiden und man selbst nicht.
Ideologische Begründungen dieser Disruption sind rar, es wird gemacht, wenig geredet.
Eine Denkschule, die des „Dark Enlightenment“, erwähnt Adrian Kreye. „Die kritisieren Demokratie, Wissenschaft und den gewählten Staat als elitäres System, das den Menschen ihre aufgeklärten Weltanschauungen aufzwingt. Yarvin nennt es „die Kathedrale“, die gestürzt werden muss. Stattdessen soll eine Nation von einem CEO-ähnlichen Diktator geführt werden, der von der Finanzmacht einer Riege der Oligarchen gestützt wird. Elon Musk und sein alter Paypal-Kollege Peter Thiel und dessen Schützling J. D. Vance sind Anhänger.“ [2]
Noch ist die neue Welt in Amerika zwar erst im Entstehen, doch Faschismus ist das nicht. Faschisten benutzten Technologie als Werkzeug für die Errichtung eines ideologischen Staates. In der neuen Technokratie ist die Technologie selbst der Staat, und der Deal das Ziel.
In den Dreißigerjahren war das zu Zeiten technisch noch gar nicht möglich. 2025 stehen mit den Automationsmechanismen der künstlichen Intelligenz alle Mittel bereit.
Europa ist für das neue Amerika mit seinen Regeln und Konsensmechanismen das lästige Gegenmodell. Handlungsschwach, störrisch in den alten Welten verharrend, ein Relikt eines 20. Jahrhunderts. Europa und sein Festhalten an Menschenrechten und liberaler Demokratie mit funktionierendem Rechtstaat ist daher der logische Feind aller Autokraten dieser Welt.
Die EU ist für geopolitische Hinterzimmer-Deals nicht gemacht, wer sollte denn da einschlagen können. Alles muss zwischen der Brüsseler Bürokratie und dem Rat der 27 Mitgliedsländer und dem EU-Parlament abgestimmt werden. Mit der EU wäre daher ein Diktatfrieden über die Ukraine nicht in Hinterzimmern der Saudis aushandelbar. Aus Sicht der Autokraten kann man daher mit der EU keine geopolitischen Geschäfte machen. Politik ist aber auch kein Geschäftemachen, sondern ein Ringen um gesellschaftlichen Zusammenhalt, um Kompromiss und Ausgleich. Daran sollten wir festhalten, auch wenn wir demnächst dadurch Effizienznachteile heben sollten. Das neue Amerika ist genauso wie China ein systemischer Rivale geworden, oder altdeutsch ein Feind.
[1] https://www.sueddeutsche.de/kultur/donald-trump-elon-musk-faschismus-staatsumbau-usa-lux.4vACDpkZ6xe3ykzAXg5tP6
[2] ebenda