Wagenknecht: Meisterin der Halbwahrheiten im Dienste Putins

Wagenknecht: Meisterin der Halbwahrheiten im Dienste Putins

15. Juli 2024 0 Von Thomas Ertl

Sahra Wagenknecht (SW) hat am Donnerstag, den 11. Juli 2024, wieder eine Kostprobe in professioneller Demagogie gegeben. Die Talkshow fand bei Maybrit Illner statt und hatte es in sich. Für SW wurde es ausgesprochen ungemütlich, denn es fanden sich echte ExpertInnen ein: Claudia Major von Stiftung Wissenschaft und Sicherheit, Omid Nouripour (Grüne), ZDF-Journalist Claus Kleber und zugeschaltet Ben Hodges, Generalleutnant a. D. der U.S. Army. Zugegebenermaßen waren die Kräfteverhältnisse sehr ungleich verteilt; allerdings erweckt SW den Eindruck, dass ihr eigener immunisierter Avatar vorträgt und Kritik abperlen lässt. Eine Diskussion mit SW oder nur das Zuschauen eines Talks mit ihr liegt im Bereich von Zahnschmerzen. Ständig vermittelt SW den Eindruck, andere wären desinformiert oder schlicht nicht in der Lage komplexe Zusammenhänge zu erkennen. Soweit mein polemischer Ansatz.

Krieg und Frieden

Der Talk entwickelte sich dagegen für SW schmerzhaft, denn nicht nur Claudia Major konnte nachweisen, dass die BSW-Gründerin mit „alternativen Fakten“ argumentiert. Auf das Treffen Major-Wagenknecht hatte ich schon lange gewartet und das Battle von Wissenschaft gegen „Fake-News“ nahm diesen Verlauf:

  • SW hatte das Volumen der deutschen Rüstungsausgaben kurzerhand auf 90 Mrd. heraufgeschraubt, um den Abstand zu den 30 Mrd. aus der „Friedenszeit“ zu überhöhen.  Claudia Major stellt klar, dass es sich um 71 Mrd. handelt und nicht nur Rüstung, sondern den gesamten Verteidigungsetat betrifft, also auch alle Personal-, Wartungs- und Ausbildungskosten. Der „Irrtum“ wurde inzwischen vom BSW via Instagram eingeräumt.
  • Ebenso stellte Major klar, dass diese Ausgaben – u.a. für Abwehrsysteme – eine Reaktion auf die Stationierung von russischen Angriffswaffensystemen in Kaliningrad (2022) und taktischen Atomwaffen in Belarus (2023) sind: eine notwendige Maßnahme zum Schutz der Bürger, also ein öffentliches Gut der Sicherheit.
  • SW behauptete in dem Talk, dass laut einer Umfrage in der Ukraine 72 % für diplomatische Verhandlungen sind. Das wurde von ihr auch groß auf Facebook/Instagram mit den Worten “Regierung ignoriert Mehrheit” kommuniziert. Tatsächlich hatten die 72 % sich für militärische plus diplomatische Aktivitäten ausgesprochen. Weitere 23% schlossen diplomatische Lösungen aus.[1]
  • Omid Nouripour hat sich SW im Stil eines Parteichefs in der Ukraine-Frage zum Thema „Vergewaltigungen, Folter und Misshandlungen“ vorgenommen. SW verwies stereotyp auf UN-Untersuchungen, die auch auf Ukrainer-Seite Fehlverhalten dokumentierten.[2] Das Verhältnis von 1:99 wurde dabei natürlich nicht erwähnt. Auf eine Bewertung verzichtet SW, um Russland und die Ukraine auf eine Stufe von korrupten Oligarchien zu stellen, die im Krieg beidseitig gegen Genfer Konventionen verstoßen.[3]
  • Auch die lapidare Bemerkung, dass so etwas im Krieg schon mal vorkomme, also normal sei, wurde von Nouripour zurückgewiesen, denn die Vorkommnisse bezogen sich auf von Russland kontrolliertes Territorium, also jenseits von Kämpfen.
  • Eine weitere steile These war die „Befreiung der DDR “, die von SW Gorbatschow zugeschrieben wurde. Nouripour verwies hingegen auf die Befreiungsbewegung der DDR, ohne die es nicht zum Sturz der DDR-Regenten gekommen wäre. Die Rolle Gorbatschows wurde aber auch von ihm nicht ausreichend dargestellt. Gorbatschow konnte der DDR nicht helfen, denn sowohl die DDR als auch die Sowjetunion waren pleite. So konnte Gorbatschow noch etwas „Geld“ für die Wiedervereinigung aus der BRD heraus leiern. Gorbatschow erkannte und das ist sein Verdienst, dass die politischen Verkrustungen in SU und DDR das eigentliche Übel waren. Mit 30 % Produktivität in Relation zum Westen konnte der „Sozialismus“ dieser Gattung die Zufriedenheit der Bürger nicht mehr gewährleisten. (Dazu: https://www.feininger.eu/ein-kind-politik-oder-ein-kind-entscheidung-eingriff-in-demografie/)  Der Westen zog davon und ähnlich verhält es sich mit den baltischen Nachbarstaaten auch heute zu Russland. Das ist Putins kardinales Problem trotz Öl- und Gas-Reichtums. Gorbatschow war ein Segen, aber nicht Ursache und Dynamik der Veränderungen.

Ein ums andere Mal konnte SW den gut vorbereiteten anderen Gästen wenig Sinnvolles entgegenhalten. Die Presse hatte in den Tagen danach das SW-Desaster minutiös seziert. Nur führt es nicht zu Selbstreflexion.

SW hat in dem Talk auch wieder Bezug zu dem Report des US-Thinktanks RAND mit dem Titel „Avoiding a Long War in Ukraine“ genommen und zum wiederholten Male ihre eigenwillige Interpretation hineingedichtet. In dem Report (dazu mein Text von 2023: https://www.feininger.eu/?s=wie+geht+es+weiter) wird hervorgehoben, dass eine Friedensverhandlung erst möglich ist, wenn beide Seiten erkennen, dass eine Fortsetzung sinnlos ist, oder wenn eine Seite kapituliert. So etwa 1945 durch das Deutsche Reich und sicherlich auch Putins Erwartung: Die Ukraine soll kapitulieren. Die Studie gibt keinerlei Hinweise auf die konkrete Möglichkeit den Krieg zu stoppen. Sie beschreibt nur die notwendigen Voraussetzungen, die durch Putin einfach nicht gegeben sind. Er will nicht verhandeln, da er sich im Aufwind sieht. Die Ukraine wiederum will auf die hanebüchenen Verhandlungsvoraussetzungen Putins nicht eingehen, da sie einer eigenen Entmilitarisierung gleichkommen. SW nimmt die Studie widerholt als Argument zur Beendigung des Krieges. Sie bezieht die Metaposition eines Thinktanks ohne auf mögliche Implikationen einzugehen. Immer wieder kommen dann Statements zum „furchtbaren Krieg“, den „vielen sinnlosen Toten“ und notwendigen diplomatischen Bemühungen, von denen es schon ca. 200 Gesprächsrunden gab. SW wechselt von Halbwahrheiten zu Allgemeinplätzen und zurück. Nur wenn die Realität die Thesen widerlegt, kommt ein Eingeständnis wie etwa das zum doch erfolgten Einmarsch Putins in die Ukraine. Zuvor stellte SW alle Warner als komplett realitätsfern hin. Selbst in der eigenen Linkspartei konnte Fremdscham nicht verhindert werden, als Putin sich nicht an die Weissagung von SW hielt. Sie sagte seinerzeit bei Anne Will: Ein russischer Krieg werde „herbeigeredet“.

» Russland hat faktisch kein Interesse, einzumarschieren« …»Wir können heilfroh sein, dass Putin nicht so ist, wie er dargestellt wird: ein durchgeknallter Nationalist, der sich berauscht, Grenzen zu verschieben[4]

In der Erklärung, warum Putin einmarschiert ist, können wir weiter helfen: Die Ukraine hatte sich als slawische Nation auf den Weg Richtung westlicher Werte gemacht und damit auch aktiv gegen Korruption, die nicht mit einem Fingerschnippen verschwindet. Diese Bewegung gefiel dem Kreml-Herren nicht. Die Auseinandersetzung um den Russland-treuen Präsidenten Wiktor Janukowytsch aufgrund der Nichtunterzeichnung des EU-Assoziationsabkommens wurde von Putin 2014 genutzt, um die Krim und Teile des Donbass einzunehmen.[5]

Die Ukraine stabilisierte sich nach den Maidan-Protesten und mit der Wahl Wolodymyr Selenskys im Jahr 2019 mit über 73 Prozent war auch der zivilgesellschaftliche Wunsch nach Kampf gegen Korruption deutlich geworden. Der Weg zurück in das russische Reich war blockiert. Das war der Grund für den Einmarsch: der Verlust an relevanten Einfluss qua Korruption. Darin liegt auch das gewollte oder eben nicht beabsichtigte Unverständnis der SW respektive Russland und Ukraine. SW differenziert die Staaten nicht weiter: Beides sind in ihrer Lesart korrupte Oligarchie-Kapitalisten. Sie unterschlägt die Richtung der Korruptionsbekämpfung.

Auch sonst bietet SW nur indifferente Appelle an, die sich an den Westen richten, der mal solo oder in Kooperation mit den unwilligen Mächten Asiens China und Indien endlich den Frieden herbeiführen soll. In letzter Konsequenz haben es entweder die USA, die Ukrainer selbst oder gar Boris Johnson verhindert oder vermasselt. Als Quellen bietet SW mehr oder weniger Hörensagen an. Bei Überprüfung derselben bietet sich ein Bild von Nichts und Null. Das kann auch im Faktencheck der ARD zum Thema Friedensverhandlungen in Istanbul 2022 nachgelesen werden.[6] In Russland sind Ausführungen von SW sehr beliebt. Das Staatfernsehen und andere Kanäle veröffentlichen sehr gerne, was SW in Deutschland zum Ukraine-Krieg verbreitet.[7]

Der BSW-Aufschwung durch Bashing

Wer allerdings nicht Muße und Zeit hat, die Halbwahrheiten und verbogenen Fakten selbst zu checken, kann auf diese fünfte Kolonne Moskaus leicht hereinfallen. Die Partei gibt sich „volksnah“, ergreift das Wort für sozial Benachteiligte. Der Aufschwung ihrer Partei „Bündnis Sarah Wagenknecht“ ist bemerkenswert. Mit einer Zustimmung von ca. 7 % (ARD-Sonntagstrend sogar 8 %) von repräsentativ Befragten liegt das BSW schon über 50 % des Grünen-Wertes von derzeit 13 %. Die Tendenz kann auch als Konvergenz gelesen werden. Die Partei „Die Linke“ wurde durch die Gründung des BSW marginalisiert. Die Linkspartei dümpelt in Umfragen unter der 5 %-Klausel und wird wohl bis auf wenige Bundesländer bereits die nächsten Wahlen nicht überstehen.  (Siehe folgende Abbildungen)

Die permanente Hetzkampagne von CDU/CSU im Verbund mit Teilen der FDP und eben auch BSW konnte Früchte tragen. Auf die AFD wird hier nicht weiter eingegangen, weil schon deren Anspruch mit Grünen-Bashing einhergeht. Aber SW war Fraktionsvorsitzende der Linken und schon in dieser Partei profilierte sie sich in der Grünen-Schelte. Das betraf auch die Schnittmenge zwischen Grünen und Linken bestehend aus Migrationspolitik, der LGBTQ-Bewegung und der Haltung zur russischen Aggression gegen die Ukraine. Der Bruch innerhalb der Linkspartei liegt in dieser „humanitären“ Genese. Für die Propaganda der SW war die Identitätspolitik wie das Leben der „Lifestyle-Linken“ von der Art des „Prenzlauer Bergs“ gerade recht. SW nahm den Ball des US-Politikwissenschaftlers Francis Fukuyama auf, der die LGBTQ-Bewegung für den Aufstieg Donald Trumps und der radikalen Rechten in den USA mitverantwortlich macht.[8] Die Identitätspolitik würde an den Interessen der sozial Benachteiligten vorbeigehen. Die Situation in Europa vor dem Ukraine-Krieg ließ aber deutlich mehr Raum für die Belange benachteiligter Minderheiten. SW hat das Lastenrad und den Bio-Laden gleich mitverhaftet. SW hofft nun auch die Gegner der „Gutmenschen“ für sich mobilisieren zu können. Über diese Strategie ganz nahe an der AFD wird der Populismus ausgereizt. Die „Transgender-Toilette“, der „vegane Burger“, Lastenrad, Bioladen und nun auch E-Auto und Wärmepumpen wurden in die Ecke der „Lifestyle“-Privilegierten gestellt. Die Rettung der „Verbrenner-Technologie“ (Wagenknecht) entspricht dem „rettet den Diesel“-Kampagne der AFD. Die Energiewende würde sich gegen sozial Benachteiligte richten, die an den Stadtgrenzen und auf dem Land zu finden sind. Die Grünen haben SW den Gefallen getan, mit dem „durchgesteckten“ GEG-Entwurf dieses Narrativ zu stützen. Die Korrektur dieses handwerklichen Fehlers wird von SW insoweit ignoriert, da inzwischen das gesamte Konzept als klimaschädlich hingestellt wird. Die Grünen und das gilt auch in Teilen für SPD, die mit der Bauministerin Klara Geywitz ebenso involviert war, hatten die Solidarität mit den Einkommensschwächeren aus dem Blick verloren, was sich rächt. Insbesondere dann, wenn es anderen weniger humanen Kräften gelingt, diese Lücke populistisch zu füllen. AFD und BSW sind die Profiteure, aber auch die Unionsparteien wie die erste Abbildung belegt.

Auf diesem Hintergrund muss die Hetzkampagne der Konservativen und Neoliberalen in Gestalt von Parteien und Medien betrachtet werden. CDU/CSU hatten in diesem Zusammenhang eine besonders aggressive Agenda, um die Schmach der Abwahl von 2021 wettzumachen. Sie feuerten aus allen Rohren gegen die Grünen. Aus einem potenziellen Koalitionspartner wurde der Hauptgegner.[9] Bayerns Ministerpräsident Markus Söder betitelte Umweltministerin Steffi Lemke (Grüne) als „grüne Margot Honecker“. Grüne und AFD wurden von Söder und seinem Stellvertreter Hubert Aiwanger stets in einen Extremisten-Topf geworfen,[10] die Nähe der Grünen zur DDR-Politik suggeriert,[11] wo Eliten sich vom Volk entfernten. Wäre das der Fall gewesen, würde das GEG noch in seiner Entwurfsform Bestand haben. Das GEG wurde in sozialer Hinsicht deutlich verbessert. Die sozialen Aspekte der Förderung von Antragstellern mit geringen Einkommen werden von den Kritikern bewusst ignoriert. Eine neue Gasheizung muss nicht aufgrund von wenig Liquidität angeschafft werden, denn Förderungen von bis zu 70 % neutralisieren den Unterschied in den Anschaffungskosten.

Das Bashing von Wärmepumpen und Grünen hat deren Zustimmungswerte deutlich beeinflusst und der Absatz von Wärmepumpen wird laut Schätzungen des Heizungsverbandes BDH von 356 Tsd. (2023) auf 200 Tsd. im Jahr 2024 fallen.[12] Das Bashing hat klimapolitische Folgen. Fakten und Klimaschutz werden der Propaganda geopfert. Alle rechten Parteien beherrschen das und SW hat das Prinzip perfektioniert. Nur sind weder die Linken der Linkspartei noch die Grünen schuldlos an den perfiden Angriffen.

Beide Parteien hatten einige Kapazitäten für die aktuell nicht bestimmenden Themen von Minderheiten gebunden, was für die Zeit vor Corona, Krieg und Inflation durchaus begründet war. Diese Bubble ließ sich aber nicht auf Kommando umdirigieren. Und Teil dieser von SW gescholtenen Themen ist auch der Klimaschutz. Der ist aber kein Problem bestimmter gesellschaftlicher Gruppen, sondern steht im Rang der militärischen Sicherheit nicht nach. Dazu könnten auch die Betroffen im Ahrtal und in Söders Bundesland befragt werden. Die Schäden für das Jahr 2021 werden vom Bundesinnenministerium mit 80 Mrd. EUR beziffert. Das ist bereits mehr als die aktuellen 71 Mrd. für Verteidigungsausgaben.

Klimaschutz durch Renaissance von Verbrennern und Vermeiden von Wärmepumpen

Für SW sind Verbrenner-KFZs und konventionelle Heizungen energetisch sinnvoller als E-Autos und Wärmepumpen. Addieren wir die Haltung zur russischen Aggression hinzu, schrumpft die Distanz zur AFD gefährlich.

Für SW sind „Wärmepumpen klimatisch völliger Nonsens“. SW überrascht uns mit energiepolitischer Expertise, denn sie scheint mehr zu wissen als das Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme ISE. Für SW reichen auch geringere Kenntnisse: Jeder halbwegs Interessierte weiß, „dass ältere Gebäude durch eine Wärmepumpe überhaupt nicht effizient beheizt werden können“.[13] Das ISE kommt in einer Studie zu anderen Ergebnissen, denn im Ergebnis wurden zwischen 27 und 61 Prozent weniger CO2-Emissionen gegenüber Gasheizungen ermittelt:

„Die im Projekt (Monitoring über 5 Jahre, der Autor) untersuchten Häuser sind zwischen 15 und 170 Jahre alt. Die vor der ersten Wärmeschutzverordnung 1979 errichteten Gebäude wurden in unterschiedlichem Ausmaß saniert, während die eher seltenen Sanierungsmaßnahmen bei den jüngeren Gebäuden kaum Einfluss auf die energetische Qualität der Gebäudehülle hatten.“[14]

SW kritisiert in diesem Kontext dann auch die – inzwischen verbotenen – verwendeten schädlichen Kältemittel in den Heizsystemen und natürlich auch die Verwendung von elektrischem Strom zum Betreiben der Wärmepumpen, denn der würde schließlich zu einem Drittel aus Kohleverfeuerung stammen. Die Kältemittel werden allerdings Zug um Zug durch klimafreundliche Stoffe ersetzt und der Strom wird zunehmend mehr durch erneuerbare Energien bereitgestellt. Die SW-Kritik verpufft vollends. In Dunkelflauten wird es allerdings weiterhin problematisch sein, die Energie bei steigendem Strombedarf durch E-Autos und Wärmepumpen national abzudecken. Aber hier muss europäisch gedacht werden. Sonne aus Spanien und Wasserkraft aus Norwegen im Tausch gegen Windenergie aus Deutschland. Das alles ist besser als fossile Energien aus Russland. Aber es ist ambitionierter und mühsamer. Wer aber ständig nach Modernisierung und Technologieentwicklung ruft, sollte sich „fossil“ verabschieden und die vermeintliche De-Industrialisierung durch eben den Ausbau der „grünen“ Energiewende bremsen. Das Bashing der Energiewende mit den Absatzeinbrüchen der Wärmepumpen wird ausländische – vor allem asiatische – Konkurrenten in den Wettbewerbsvorteil bringen. Ähnliches kann in Bezug auf E-Autos beobachtet werden. China ist inzwischen Marktführer und die deutschen Hersteller verlieren signifikant Marktanteile gerade in China, dass in den vergangenen 20 Jahren der deutschen Automobilindustrie zu gewaltigen Gewinnen verholfen hat. Der von SW geforderte Strategiewechsel hin zu „besseren“ Verbrennern wird die deutschen Hersteller ins Abseits stellen. 2023 konnten die deutschen Hersteller in China bei E-Autos wieder zulegen. Warum sollten sie den größten Markt vernachlässigen. In China wird SW nicht gehört, dort werden tendenziell mehr E-Autos gekauft.[15] Das wissen auch die deutschen Hersteller und werden nicht den Fehler begehen, auf den „Verbrenner“ zu setzen. SW bewegt sich in 1950er-Jahren wie Susanne Götze im SPIEGEL zurecht konstatiert. Sie zitiert SW wie folgt und kommentiert, dass diese Aussage allen Verkehrsexperten die Schuhe auszieht:

SW fordert »verbrauchsärmere Verbrenner und intensive Forschung an klimaverträglichen Brennstoffen, statt mit einem Verbrennerverbot ab 2035 technologisches Know-how von 150 Jahren und die Basis unserer wichtigsten Industrie zu zerstören«[16]

Das Bashing und die unselige Ampelpolitik haben sowohl „Wärmepumpe“ als auch E-Mobilität hintertrieben. SW hat einen Beitrag dazu geleistet. Inzwischen wachen einige Basher auf, denn sie sehen den Scherbenhaufen vor sich. Fritze Merz spricht sich endlich für Wärmepumpen aus. Auch will er das GEG nicht mehr aufheben, sondern nur anpassen. Hört! Hört! Auf einer Wärmepumpen-Akademie-Veranstaltung (Firma Enpal) lobte er die Technologie und verwarf damit jahrelanges Bashing seiner Talkshow-Crew um Jens Spahn und Co. Die sprachen ähnlich wie SW und garnierten den Unsinn noch mit Anschaffungskosten im sechsstelligen Bereich.[17] Ein Blick nach Skandinavien würde ausreichen, um den Nutzen von Wärmepumpen zu erkennen. Dort wird seit Jahrzehnten mit Wärmepumpen geheizt. Selbst in Frankreich (400 Tsd.) und Italien (500 Tsd.) wurden im letzten Jahr mehr Wärmepumpen verbaut als in Deutschland.[18] Da wurde halt nicht gebasht. Wagenknecht, die Meisterin der Halbwahrheiten und Virtuosin im Weglassen von Fakten, hat der Ampelregierung nicht nur das Prädikat „schlechteste Regierung“ ever verlieren, sondern ganz speziell Robert Habeck ins Visier genommen:

Die Pläne (Heizungspläne, der Autor) zeigen wieder einmal, dass eines der wichtigsten Ressorts in Deutschland von einem Minister geführt wird, der Sachkenntnis offenbar als Belastung empfindet und seine Entscheidungen daher lieber ohne fällt.“[19]   

Die Ampelregierung ist in der Tat schlecht, was mit den Aufgaben durch Krieg und Inflation zusammenhängt, aber auch dem Zutun der FDP geschuldet ist. Eine sich paralysierende Koalition kann keinen Zuspruch erwarten. Eine negative Wärmepumpen-Debatte gibt es laut Heizungsbauer Vaillant-Chef Norbert Schiedeck nur in Deutschland. [20]Warum wohl nur? Wer hat Interesse an der Diskreditierung der Energie- und Wärmewende? Ist es die Liebe zum “Gas” und/oder die Abneigung der Grünen. Die SW-Attacke gegen Habeck fällt auf sie selbst zurück. Bar jeder Expertise schlägt SW einen Kurs Richtung FDP ein. Nein falsch, denn selbst diese Partei erkennt, dass die Wärmepumpe doch nicht so schlecht ist, besonders für die deutsche Industrie. Ich zitiere wieder den SPIEGEL:

Bei der FDP entdeckte man trotzdem Anzeichen für »unzulängliche Standortpolitik« und warnte vor »chinesischen Wärmepumpen«. Julia Klöckner von der einst doch mal transatlantisch orientierten Union fand es »schade«, dass ein deutscher Heizungsbauer auf dem Weltmarkt der Zukunft mitspielen möchte und sich dazu einen US-amerikanischen Partner sucht. Und Jens »Brechstange« Spahn beklagte (!), die große Nachfrage (!) erzeuge »großen Druck auf deutsche Hersteller«.“ [21]

Sollte sich die Basher-Fraktion ausdünnen? Nachdem die Grünen als Spiritus Rector von Energiewende und GEG hinreichend beschmutzt wurden, entdecken diese Kräfte bei Ausnahme von SW den Sinn einer „grünen“ Industrialisierung und wie im Fall der Union auch den Vorteil von Wärmepumpen. Es muss festgehalten werden, dass Habeck und sein Ministerium dafür verantwortlich sind. Schade, dass diese Expertise durch die handwerklichen Fehler Mitte 2023 überdeckt wurden. Für SW habe ich keine Worte mehr …; oder doch: Wer könnte von fossiler Energie profitieren?


[1] AFP 2024: BSW gibt Umfrage zur Einstellung von Ukrainern zu Friedensverhandlungen falsch wieder. https://faktencheck.afp.com/doc.afp.com.363W6ZN, 14.07.2024

[2] Ulrich Reitz 2023, o.S: Gestern hörten Sie Lügen, heute lesen Sie die Wahrheit. https://www.focus.de/politik/meinung/analyse-von-ulrich-reitz-gestern-hoerten-sie-luegen-hier-lesen-sie-die-wahrheit_id_187064232.html. 14.07.2024.

Eine Vergewaltigung hat es laut UN-Bereich auf ukrainischer Seite nicht einmal gegeben.

[3] Marie Illner 2023, o.S.: „Maischberger“: Mit dieser Aussage sorgt Sahra Wagenknecht für Unverständnis. https://web.de/magazine/politik/politische-talkshows/maischberger-aussage-sorgt-sahra-wagenknecht-unverstaendnis-37802130. 14.07.2024

[4] Harald Stutte 2023, o.S.: Die Methode Wagenknecht: Fakten verdrehen, Zitate verkürzen, Missliebiges weglassen. https://www.rnd.de/politik/die-methode-wagenknecht-fakten-verdrehen-zitate-verkuerzen-missliebiges-weglassen-DZQPKQG3D5HMBOF3DN4E2UETB4.html. 14.07.2024

[5] Euromaidan in 2013 als Fortsetzung der Orange-Revolution 2004. Gwendolin Sasse 2018, o.S.: Kommentar: Zwischen Realität und Mythenbildung: Der Maidan vor fünf Jahren. https://www.bpb.de/themen/europa/ukraine-analysen/281640/kommentar-zwischen-realitaet-und-mythenbildung-der-maidan-vor-fuenf-jahren/. 14.07.2024

[6] Faktencheck 2024, o.S.: Faktencheck zu „maischberger“. https://www.daserste.de/information/talk/maischberger/faktencheck/faktencheck-maischberger-540.html. 14.07.2024

[7] TASS 2024, o.S.: Wagenknecht. https://tass.com/search?searchStr=wagenknecht&sort=date. 14.07.2024

[8]  Lea Susemichel und Jens Kastner 2019, o.S.; Partikularinteressen versus soziale Verantwortung? https://www.deutschlandfunk.de/linke-identitaetspolitik-partikularinteressen-versus-100.html

[9] zeit.online 2023, o.S.: Kritik an Friedrich Merz wegen Aussagen zum “Hauptgegner” Grüne. https://www.zeit.de/politik/deutschland/2023-06/friedrich-merz-cdu-gruene-hauptgegner-kritik-afd. 14.07.2024

[10] Tadhg Nagel 2024, o.S.: Eine „gute Tradition“: CSU hält Söders Aussagen zu den Grünen für unproblematisch. https://www.fr.de/politik/experte-biberach-gruene-proteste-gewalt-demokratie-aschermittwoch-soeder-csu-kritik-zr-92835637.html. 14.07.2024

[11] NDR 2024: Angriffe gegen Grüne: Wenn der Gegner zum Feind wird. https://www.ndr.de/fernsehen/sendungen/panorama/archiv/2024/Angriffe-gegen-Gruene-Wenn-der-Gegner-zum-Feind-wird,feindbildgruene100.html. 14.07.2024

[12] Ein Grund liegt auch in der geringeren Bautätigkeit durch Zins- und Inflationsentwicklung. Der deutlich geringere Rückgang an verkauften Gasheizungen belegt das „politische“ Zurückdrängen der Wärmepumpe. Catiana Krapp 2024, o.S.: Warum der Absatz von Wärmepumpen um die Hälfte einbricht. https://www.handelsblatt.com/unternehmen/energie/energie-warum-der-absatz-von-waermepumpen-um-die-haelfte-einbricht/100036598.html. 15.07.2024

[13] Moritz Serif 2023, o.S.: Wagenknecht stellt These auf: „Wärmepumpen klimapolitisch völliger Nonsens“. https://www.fr.de/politik/wagenknecht-stellt-these-auf-waermepumpen-klimapolitisch-voelliger-nonsens-92169193.html. 15.07.2024

[14] ISE 2020, o.S.: Auch in Bestandsgebäuden funktionieren Wärmepumpen zuverlässig und sind klimafreundlich – Feldtest des Fraunhofer ISE abgeschlossen. https://www.ise.fraunhofer.de/de/presse-und-medien/presseinformationen/2020/warmepumpen-funktionieren-auch-in-bestandsgebaeuden-zuverlaessig.html. 15.07.2024

[15] Volker Hirth 2024, o.S.: Deutsche Autohersteller holen in China auf.

[16] Susanne Götze 2023, o.S.: Zurück in die Fünfzigerjahre mit Sahra Wagenknecht. https://www.spiegel.de/wissenschaft/mensch/zurueck-in-die-fuenfzigerjahre-mit-sahra-wagenknecht-klima-newsletter-a-d7101702-2c17-4247-9c58-7c9a16eb6a01. 15.07.2024

[17] Philippe Debionne, o.S.: CDU-Chef Merz findet Wärmepumpen plötzlich super. https://www.nordkurier.de/politik-wirtschaft/cdu-chef-merz-findet-waermepumpen-ploetzlich-super-2629043. 15.07.2024

[18] Harald Lesch 2023: Heizungsverbot, und jetzt? https://www.zdf.de/dokumentation/terra-x/lesch-und-co-waermepumpe-102.htm. 14.07.2024

[19] Tobias Stahl 2023, o.S.: Sahra Wagenknecht verurteil Wärmepumpen. Warum sie völlig falsch liegt. https://efahrer.chip.de/news/sahra-wagenknecht-verurteilt-waermepumpen-warum-sie-voellig-falsch-liegt_1012118. 15.07.2024

[20] Catania Krapp 2023, o.S.: “Eine negative Wärmepumpen-Debatte gibt es nur in Deutschland”. https://www.handelsblatt.com/unternehmen/mittelstand/familienunternehmer/vaillant-chef-eine-negative-waermepumpen-debatte-gibt-es-nur-in-deutschland/29460472.html. 15.07.2024

[21] Christian Stöcker 2023, o.S.: Was Springer, Schäffler, Spahn und Wagenknecht gemeinsam haben. https://www.spiegel.de/wissenschaft/mensch/klima-verzoegerungstaktik-was-springer-schaeffler-spahn-und-wagenknecht-gemeinsam-haben-a-3389f444-c450-49fb-8b15-323de27cfb1f. 14.07.2024