Standort Deutschland: It’s the Geoeconomics, Stupid!

Standort Deutschland: It’s the Geoeconomics, Stupid!

1. Dezember 2024 0 Von Thomas Ertl

Inhalt: Industrieflaute und Stagnation *** Bashing behindert Transformation *** Hat die CDU eine prosperierende Wirtschaft übergeben? *** Exportlastigkeit und Veränderungswiderstand *** Zeitenwende: Neue Mentalität statt „Doppelwumms“ *** Die Mär vom abwandernden Kapital: Intel zeigt das Gegenteil *** Verwirrung um investiven Abfluss aus Deutschland *** Fazit: Geoökonomie, militärische Ausgaben und Demografie*** ***************************************************************************************************************


Würde man den Wachstumsbeschwörern aus den Unionsparteien und den noch weiter rechts positionierten Gruppen Glauben schenken, gäbe es in Deutschland nur noch fast leere Regale und Massenarbeitslosigkeit. Jens Spahn, aktueller Rechtsaußen der Union, fasst im Bundestag die Position der CDU unter Nennung der Ursache – Grüne und ein wenig „Ampel“ – wie folgt zusammen:

 „Wir haben Ihnen ein Land im Wachstum übergeben und Sie haben daraus ein Land der Rezession und der Stagnation gemacht. Das ist das Problem hier Ihrer Amtszeit“. Weiter: „Aus Ihrem grünen Wirtschaftswunder ist ein blaues Wunder von Abstiegsängsten und Rezessionen geworden. Das ist der Zustand des Landes nach drei Jahren Ampel.“ [1]

Dass die deutsche Wirtschaft kein zufriedenstellendes Gesamtbild abgibt, wurde bereits im Artikel „Werksschließungen und einstürzende Brücken“ (hier) beschrieben. Es ist mit einem Rückgang seit 2018/2019 die längste Industrieflaute seit 70 Jahren. Wenn die Automobilindustrie und ihre Zulieferer massiv Personal abbauen, trifft es den Kern der deutschen Wirtschaft. Das lässt sich schwerlich schönreden. Managementfehler in der Entwicklung der E-Technologie, der Batterieherstellung und abhängiger Absatzpolitik in China haben den VW-Konzern nach dem Dieselgate in eine schwere Turbulenz versetzt. Das gilt, wenn auch abgeschwächt, für fast alle europäischen KFZ-Produzenten. Der Kulturkampf gegen die E-Mobilität wird aber nirgendwo so intensiv geführt wie im Mutterland des Automobilbaus. Der Wegfall von E-Auto-Kaufprämien als Folge der Schuldenbremse Anfang 2024 hat die Stimmung weiter angeheizt. Die Verkaufsstatistik der 10 größten Battery Electric Vehicle (BEV)-Märkte belegt die These. Deutschland hatte einen massiven Rückgang zu verzeichnen.


Die unklare Lage um die richtige Lösung des individuellen Fuhrparks hat auch den Verbrenner-Absatz in den Sog genommen. Erst im Oktober 2024 wurde die Talfahrt beendet und der Anteil von Hybrid-Autos mit 36,7 % liegt im Oktober vor allen anderen Antriebsarten. Schlusslicht ist das BEV mit 15,3 %.[2] Der Trend zur hybriden Lösung betont die Unentschlossenheit und das Zaudern, den Weg der Dekarbonisierung konsequent verfolgen zu können. Die fossile Option soll erhalten bleiben, weil der Versorgung mit bezahlbarem Strom und ausreichender Infrastruktur nicht getraut wird. Und das mit gutem Grund, denn die Rahmenbedingungen der Politik sind alles andere als vertrauenserweckend. Auf die Implikationen dieser Entwicklung wird zum Ende des Textes eingegangen. Es spiegelt die Bereitschaft von Politik und Gesellschaft wider, eine Transformation anzunehmen oder besser den „Kopf in den Sand zu stecken“. Gegenbeispiel: Frankreich hat seinen Bürgern die Angst vor hohen Kaufpreisen für BEV durch subventioniertes „social-leasing“ genommen und damit den Absatz von elektrischen Kleinwagen beschleunigt. Ein weiterer Schritt wäre die Regulierung von öffentlichen Ladeströmen, die aktuell ca. doppelt so viel wie Haushaltsstrom kosten. Es gäbe noch einige Stellschrauben für die „mobile“ Transformation.

Bashing behindert Transformation

Die vereinigte Medienmacht der konservativen Kräfte hat unablässig gegen diesen Wandel polemisiert und ja: gehetzt. Um nicht der Klimawandel-Leugnerei bezichtigt zu werden, wurden „alternative grüne“ Brennstoffe und Wunder-Verbrenner-KFZs mit wenig Kraftstoffverbrauch ins Spiel gebracht. Das Kuriosum dieser Kampagne wird durch die Ablehnung der KFZ-Produzenten selbst offenbar. Die Branche erbittet mehr Zeit für den Wandel, den sie grundsätzlich unterstützen. Die EU-Kommission hat die CO2-Emissionswerte so festgelegt, dass Milliarden EUR an Strafzahlungen drohen. Die KFZ-Industrie leidet am meisten unter dem Bashing der E-Mobilität, die als „grünes“ Eliteprojekt stigmatisiert wird: die Nachfrage erlahmt und hat letztlich alle Antriebsarten getroffen.

Bei den Wärmepumpen verhält es sich ähnlich. Eine Industrie wird nieder-polemisiert und hinterher ruft der Dieb „haltet den Dieb“. Das Bashing gegen die Energiewende schadet der Industrie wohl mehr als das vermaledeite Gebäudeenergiegesetz, das aus dem „grünen“ Wirtschaftsministerium unter Kommunikationsbeihilfe der FDP die beste Steilvorlage für die reaktionäre Kampagne geliefert hat. Die Konservativen und Falschspieler von Union, FDP, BSW und AFD haben die Spaltung der Gesellschaft mit einem Kulturkampf pro fossile Energie herbeigeführt. Und Unwahrheiten sind Teil der konservativen Marketingstrategie. Jens Spahn, neuerdings Experte für Thermodynamik und Energie, wusste der „Bild“ folgendes zu berichten[3]:

„Wer beim Heizen mit der Brechstange auf Strom umstellen will, muss die Bürger wenigstens transparent informieren. Denn wenn der Strom nicht günstiger und grüner wird, macht die Wärmepumpe wenig Sinn“.

In der FAZ ein Jahr zuvor rechnete Spahn die Heizkosten eines Haushaltes in astronomische Höhen:

„Bei einem Strompreis von 40 Cent pro Kilowattstunde zahlt eine Familie mit Wärmepumpe bis zu 300 Euro im Monat fürs Heizen.“[4] 

Aktuell liegen die Preise eher bei 30 Cent, aber selbst bei 40 Cent müsste diese Familie monatlich durchschnittlich 750 KWh verbrauchen, also ca. 9.000 KWh im Jahr. Die Werte liegen aber bei einem Einfamilienhaus mit 4 Außenwänden (Bj. 1990; unsaniert) eher bei 5.000 bis 6.000 KWh. Auch werden Anschaffungskosten bis in 6-stellige Höhen phantasiert, wenn Gebäudehülle, Fenster etc. einbezogen werden. Tatsächlich sind solche Investitionen aber erst sinnvoll, wenn keine Wärme gehalten werden kann. Das betrifft dann aber alle Heizarten. Der Unsinn solcher Rechnungen ist von der Wissenschaft (Frauenhofer Institut) schon vor 4 Jahren offengelegt worden. Selbst in alten und nicht nachträglich gedämmten Gebäuden sind Wärmepumpen empirisch bewiesen sinnvoll.[5] Im Übrigen haben sich die Strompreise günstiger als die Gas-Preise entwickelt (Abb.3). Der Sinn der Wärmepumpe besteht im Hebel aus Umgebungswärme vs. Kältemittel und Verdichtung. Selbst nicht-grüner Strom vermeidet erhebliche Mengen CO2-Emissionen.

Abbildung 2:  Absatz von Heizungen in Deutschland von Jan bis Sep 2024. Daten: BDH. ©te

Unter Missachtung der Wissenschaft werden Lügen und Halbwahrheiten zur Energiewende in die Welt gesetzt und die Verunsicherung gegenüber potenziellen Käufern, Industrie und Handel geschürt. Und als ob das nicht schlimm genug wäre, werden diese Unwahrheiten ähnlich wie im Trump’schen Wahlkampf beliebig wiederholt. Wärmepumpen sind keine neue Technologie, sondern seit Jahrzehnten erprobt.

Das gilt nicht für diverse Luftschlösser sogenannter anderer Ideen der „Technologieoffenheit“ und „grüner“ Brennstoffe. Spahn entblödete sich auch mit dem Rat, über Photovoltaik auf Gebäuden Wasserstoff im Keller zu erzeugen, um damit weiter Gasheizungen zu nutzen. Unabhängig von der technisch extrem aufwendigen Lösung für dieses Hirngespinst bleibt Wasserstoff ein gefährlicher Stoff, der sich nicht mal so eben lagern lässt, weil die Ummantelungsmaterialien durch das flüchtige Gas leicht verspröden.[6] Diese Idee ist ähnlich weiterführend wie die „freidemokratischen“ E-Fuels, um die Verbrenner vor dem Aussterben zu retten.

Warum sollte die schon etablierte Technik der Wärmepumpen nicht eingesetzt werden? Sie erfüllt alle Voraussetzungen. Weil es ein Herzensprojekt der Grünen ist. So einfach ist die Antwort. Das Ergebnis des Bashings ist ein Auftragsrückgang von erheblichem Ausmaß (über 50%; Abb. 2). Die führenden Hersteller Viessmann, Stiebel Eltron und Vaillant hatten im Sommer Kurzarbeit in den Segmenten der Wärmpumpe angemeldet.[7] Inzwischen kam es bei Stiebel Eltron bereits zum Personalabbau im 3-stelligen Bereich mit steigender Tendenz.[8] Auch Konkurrent Vaillant musste sich mit  Massenentlassungen helfen. Deutschland-Chef Tillmann von Schroeter, der ca. 75 % der Immobilien für „Wärmepumpen-tauglich“ einschätzt, machte dafür auch die Desinformation der bereits genannten Akteure verantwortlich:

„Eine Wärmepumpe funktioniert nur, wenn ich eine Fußbodenheizung habe. Eine Wärmepumpensanierung ist sehr teuer. Für eine Wärmepumpe muss ich erst das ganze Haus sanieren. Diese Vorurteile haben für viel Verunsicherung gesorgt.“[9]

Zur Wahrheit gehört auch, dass durch die Anhebung der EZB-Leitzinsen und der Verteuerung von Baumaterialien die Neubautätigkeit und damit der Einbau von modernen Wärmepumpen zurückgegangen war. Aber das erklärt nicht den hohen Anteil anderer Wärmeerzeuger.  Die Gasheizung erlebt eine Renaissance und auch Öl-Heizungen wurden kurzfristig erneuert, um den angedeuteten Auflagen der Ampelregierung zuvorzukommen. Aber auch die fehlende Sensibilität für soziale Aspekte im Gebäudeenergiegesetzentwurf führte zur Abschwächung der Wärmepumpennachfrage. Das war hausgemacht. Die Ampelregierung wurde in ihrer Unvollkommenheit (Wirtschaftsministerium) und ihrer eigenen Koalitionsopposition (FDP) schwer getroffen. Der Eklat hat fast historische Dimension und wirkt noch lange nach, weil es die Grünen überproportional getroffen hat. Diese Feststellung ändert nichts an der Analyse, dass die konservativen Kräfte in einer kaum zu überbietenden Verantwortungslosigkeit Umweltschutz und gesellschaftlichen Zusammenhalt für parteipolitisches Kalkül geopfert haben. Vorher hätte es eine intakte Volkswirtschaft gegeben. Mit Blick auf eine potenzielle Entlastung der Haushalte wäre ein Hinweis auf die Preisentwicklung von Gas und Strom hilfreich gewesen. Siehe: Vergleich zwischen Januar 2021 und Oktober 2024.

Hat die CDU eine prosperierende Wirtschaft übergeben?

Die Demagogie der Union geht sogar noch über diese Aspekte hinaus, denn die 16-jährige bleierne Zeit unter Merkel wird in dem o.a. Zitat von Jens Spahn euphemistisch umgedeutet, dass allein die Ampelregierung für Wachstumsschwäche verantwortlich ist.

Eine Bestandsaufnahme der deutschen Volkswirtschaft auch zum jetzigen Zeitpunkt ist für eine Nachbetrachtung der Entwicklung durchaus sinnvoll. Auf die Energiewende ist der Text schon eingegangen und als Ergebnis kann festgehalten werden, dass es nicht Grüne und SPD gewesen sind, die einen Frontalangriff gegen die notwendige Transformation gestartet hatten. Die Verantwortung für das industrielle Siechen in den betreffenden Branchen liegt hauptsächlich bei den Konservativen. Die „Ampel“ ist lediglich der Beihilfe schuldig.

Eine Zusammenstellung der aktuellen und durchaus ernsten Defizite kann aus den Organen der ewig Gestrigen entnommen werden, oder gar aus den diversen Papieren der FDP zur Wende in der Wirtschaftspolitik, was sich im Übrigen auch nicht wesentlich von der CDU-Programmatik unterscheidet. Der nennenswerte Unterschied liegt in der Sturheit zur Schuldenbremse, denn die Union wird nicht umhin kommen, diese zu lockern, um überhaupt regieren zu können. Dafür braucht es Geld, das so nicht vorhanden ist. Auch dann nicht ausreichend, wenn Renten und Bürgergeld gekürzt werden sollten. Wir nehmen die Kernelemente der Ampel-Kritik aus einer Spiegel-Kolumne, was eigentlich überrascht, aber auch zeigt, wieviel Einfluss die Propaganda gewonnen hat. Spiegel-Redakteur Alexander Neubacher schreibt zum Wohlstandsverlust:

„Es ist der Preis, den die Deutschen für eine Regierung bezahlen, die der Wirtschaft dieses Landes schwer geschadet hat, angeführt von einem Abwracker im Kanzleramt.“[10]  

Die Kritik enthält konkret diese allseits bekannten Elemente:

  • Der russische Angriffskrieg ist kein Argument, denn andere Staaten seien besser durch die Krise gekommen, hätten Wachstum erzielt: USA, Spanien, Frankreich, Italien.
  • Die deutsche Politik hat die Autoindustrie zerstört. Gut zu erkennen an Ford, das sich deutlich vom Verbrenner verabschiedet hätte und nun die Zeche zahlt.
  • Intel zieht sein Engagement aus Magdeburg zurück, weil Deutschland für Investoren so unattraktiv geworden sei.
  • Das Bürgergeld und die Atomkraftwerke durften in dem Pamphlet auch nicht fehlen

Bürgergeld und Atomkraft sind inzwischen ausdiskutiert. Teurerer Strom als konventionelle Atomkraft ist nicht bekannt und das Bürgergeld leidet mehr unter mangelnden Sanktionen als unter der Höhe. Der geringe Abstand zur schlechten Entlohnung im Prekär Bereich ist das größere Problem, das mit höherem Mindestlohn beseitigt werden könnte. Diese Debatten sind zwar nötig, treffen aber nicht das Wesen der aktuellen Krise.

Exportlastigkeit und Veränderungswiderstand

Nun zum Kern der Anwürfe, das erfolgreiche Deutschland sei durch die Ampelregierung ruiniert worden. Das Wachstum Deutschlands war lange vor der Ampelregierung auf einem niedrigeren Level als die o. a. Staaten. Seit 2018 ist Deutschlands Wachstum rückläufig. Und das betrifft darüber hinaus die gesamte Weltwirtschaft. Die deutsche Wirtschaft dümpelt seitdem zwischen 0 und 1,1 %. Meint Jens Spahn diese Prosperität, die übergeben wurde? Die Schwäche wurde während der GroKo angelegt. Die Kreuzung des Verschlafens von notwendigen Modernisierungsmaßnahmen mit multiplen Krisen manifestiert sich im aktuellen Nullwachstum und den besorgniserregenden strukturellen Schwächen einiger Kernbranchen wie der Automobil-, Maschinenbau- und Stahlindustrie.

Folgende Grafik zeigt die Entwicklung im Vergleich der o. a. Staaten. Sichtbar kommt Deutschland schwächer als die anderen Staaten aus der Krise. Aber die Voraussetzungen wurden vorher geschaffen. Die Energiepreise sind beispielsweise vor dem Ukraine-Krieg (hier) gestiegen und nicht erst seit der Invasion. Die wirkte verschärfend. Weder Energiewende, Digitalisierung oder die viel beklagte Bürokratisierung wurden von der CDU angefasst. Im Gegenteil. Notwendige Infrastrukturinvestitionen wurden zugunsten eines widersinnigen Schuldenabbaus unterlassen. Andere Staaten gingen industriepolitisch in die Offensive.

Auch die Abhängigkeiten von russischem Gas und zunehmendem China-Export wurden in der Merkel-Ära nicht thematisiert geschweige denn vermindert. Kein Staat ging so ins Risiko wie Deutschland. Die extreme Abhängigkeit wird auch im internationalen Vergleich deutlich:

China, dass nach absoluten Zahlen den Export dominiert, hatte nach der Finanzkrise 2008 im Gegensatz zu Deutschland den Binnenmarkt fokussiert und Technologie entwickelt. Unter Einbeziehung von Import und Export (Außenhandel gesamt) ergibt sich in Relation zum BIP folgendes Bild, dass die enorme deutsche Abhängigkeit auch vom Bezug aus ausländischen Quellen belegt.

Das exportlastige Geschäftsmodell ist der wesentliche Grund für die deutlich schwächeren Wachstumswerte Deutschlands im Zuge der De-Globalisierung. Der Abstand zwischen der World- und der Deutschland-Kurve (Abb. 5 und 6) verrät die Naivität der deutschen Exportindustrie. Jedweder Rückschlag im internationalen Handel trifft die deutsche Volkswirtschaft entsprechend proportional mehr als andere Staaten. Und das hat mit der Ampel-Regierung nichts zu tun. Es waren die Grünen, die das China-Engagement kritisierten. CDU incl. Spahn trauern noch heute der Wettbewerbsposition des deutschen Verbrennermotors nach. Ex-Minister Schäuble hätte wohl gesagt: Isch over. Stattdessen hat man die führende Solarindustrie hergegeben, um die Energiewende mit China-Importen billiger zu gestalten. Wenn eine Industrie nicht in die Skalierung (Mengenausweitung) getragen wird, sind die Kosten in der Tat nicht wettbewerbsfähig. Der Mut fehlte und der Verbrenner sollte es auch zukünftig richten.  Dabei wurde regelmäßig gegen das Stabilitätsgesetz von 1967 verstoßen, nach dem die Außenhandelsbilanz ausgeglichen sein soll. Die deutschen Regierungen platzten vor Stolz ob der internationalen Wettbewerbsfähigkeit, die z.T. durch billiges russisches Gas und der Vernachlässigung der Binnennachfrage, sprich einer 10-jährigen Stagnation der Reallöhne, fossiert wurde. Wer sich die deutschen Behörden anschaut erkennt satirisch gesehen eine gewaltige Fax-Maschine. Die Digitalisierung nimmt erst jetzt so langsam Fahrt auf, mindestens 10 Jahre zu spät. 10 Jahre, wo in Asien und auch den USA, unter Verwendung von künstlicher Intelligenz nicht nur Grundlagenforschung betrieben wurde, sondern auch technologische Umsetzung stattgefunden hat. In Deutschland wurde die Exportleistung mit alter Technologie gefeiert und Angela Merkel verkündete, dass Internet sei noch Neuland: 16 Jahre Stillstand, die nun der Ampelregierung als prosperierende Wirtschaft „verkauft“ wird. Die Handelsbilanz hatte die Merkel-Ära korrumpiert. Wer ihre Interviews zu ihrem Buch „Freiheit“ verfolgt, kann nur den Kopf schütteln.  Sascha Lobo vom Spiegel nennt es treffend „Feigheit“ in Anspielung auf den Buchtitel.

 Der Präsident des Kieler Weltwirtschaftsinstitut (IfW Kiel) Moriz Schularick hat die Export-Konstellation als ein ernstes strukturelles Problem der deutschen Wirtschaft ausgemacht. Aus einem starken Rückenwind durch die China-Exporte sei ein Gegenwind entstanden, denn nun sind es genau diese Branchen wie Automobil- und Maschinenbau, die nicht nur in China drastisch an Marktanteilen verlieren, sondern die führende Position in Europa durch China-Importe einbüßen könnten. Der Gegenwind könnte gar eisige Wirkung entfalten, wenn ein „weiter so“ mit Verbrennern und technologischem Hinterherlaufen das Credo sein sollte.

Schularick hat in diesem Kontext besonders die Versäumnisse der betroffenen Branchen incl. des politischen Umfelds herausgestellt: Wenig Veränderungsmentalität, was sich insbesondere in der technologischen Entwicklung zeigt. Deutschland sei gut in der Verbesserung und Verfeinerung bestehender Technologie, zeige aber wenig Bereitschaft disruptiv zu forschen und zu entwickeln. Stichwort: Künstliche Intelligenz, wie sie z.B. auch im Automobilbau gefordert ist. Seine Diagnose geht weit weg von der banalen Aufzählung von aussagelosen Wachstumszahlen und Bürgergeld-Debatten. Vielmehr betont Schularick das weitere ernste Problem des demografischen Wandels, der eine zusätzliche akute Bedrohung des Wirtschaftswachstums darstellt. Nur eine Verbesserung der Produktivität und eine gesteuerte Zufuhr ausländischer Arbeitskräfte könne diese Lücke schließen. Dafür müsse der Standort für ausländische Kräfte attraktiv werden. Das meint eine Willkommenskultur aus eigenen Interessen der Wohlstandserhaltung. Und nur darüber ließe sich auch ein Sozialstaat finanzieren.[11] Die Mittelherkunft ist eine produktive und resiliente Volkswirtschaft. Das muss nicht zwanghaft mit Rekordwachstum daherkommen, sondern mit technologischer und marktlicher Robustheit. Die EU, so Schularick, bietet grundsätzlich dafür den notwendigen Resilienzraum. D’accord!

Zeitenwende: Veränderung der Mentalität

Die chinesischen Schecks aus Auslandsprofiten konvergieren absehbar gegen Null. Deutschland hat dennoch gute Voraussetzungen den Anschluss an die technologische Weltspitze wieder herzustellen. Viele intelligente Forscher und Entwickler haben das in der Vergangenheit bewiesen. Es darf nur nicht bei der Grundlagenforschung stehen bleiben, sondern muss in eine volkswirtschaftliche Aktion münden. Und dann sind wir wieder schnell beim Hindernis „Bürokratisierung“. Es wird bei uns und besonders in den EU-Institutionen erst einmal abgeklopft, was alles passieren bzw. schiefgehen könnte anstatt loszulegen und gegebenenfalls nachzusteuern. Deutschland braucht eine neue Aufbruch-Mentalität und eine Regierung, die den Mut hat Geld in die Hand zu nehmen, um die Produktivität zu verbessern: Mehr Forschung und Entwicklung, mehr Wagnis und Experimente. Die Versäumnisse sind durchweg nicht erst 3 Jahre alt, sondern das Ergebnis der Vorgängerregierungen.

Dennoch ist Deutschland nach wie vor attraktiv für ausländische Investoren, da die Gesamtheit der Parameter alle Möglichkeiten eröffnen. Die Gesellschaft und die Hochschulen sind leistungsfähig, das Gesundheitssystem ist im globalen Vergleich sehr gut, das demokratische Rechtssystem funktioniert und das Leben jenseits von Armut und Vereinsamung bietet Raum für individuelle Entfaltung. Die Probleme in Migration, Bildung und Erneuerung der produktiven Basis sind lösbar. Auch deshalb steht Deutschland im Ranking der Staaten gemessen an Lebensqualität (Abb.7) direkt hinter den skandinavischen Ländern, Kanada und der Schweiz. Die von den Konservativen glorifizierte USA rangieren mit einem nominell hohen BIP pro Kopf unter ferner liefen. Eine Studie[12] hat zudem festgestellt, dass erstens das hohe Pro-Kopf-Einkommen auf viele Superreiche internationaler Konzerne zurückzuführen ist und zweitens eine Bereinigung um die Kaufkraft keine bessere Entwicklung als das deutsche BIP pro Kopf aufweist. Durch den deutlich schlechteren Gini-Index der USA kann konstatiert werden, dass die deutsche Gesellschaft in einem besseren Flow ist als die Supermacht. Und das noch vor Trump 2.0. Die besseren Wachstumsraten in den USA und den vom Spiegel genannten Staaten sind größtenteils mit deutlich erhöhter Staatsverschuldung „erkauft“ worden. Die retardierten Wirkungen könnten allerdings fatale Wirkungen für Europa haben, wenn die permanenten „Konjunkturprogramme“ der USA Wirkung zeigen und die europäische Industrie nachhaltig ausdünnt. Es ist eine Wette auf die Zukunft, ob die Billionen US-Dollar gut angelegt sind. Die USA hatten 2023 eine Neuverschuldung von über 7 % vom BIP. Deutschland lag bei 1,5 %. Welche Volkswirtschaft performte schlechter?  Deutschland ist volkswirtschaftlich wirklich kein Vorbild, aber die vom Spiegel ins Feld geführten Staaten Europas liegen im Niveau darunter und sind industriell eher Leichtgewichte. Subventionen allein werden eine Gesellschaft nicht modernisieren, aber ohne wird der geoökonomische Wettbewerb zuungunsten der EU verlaufen.     


Die Mär vom abwandernden Kapital: Intel zeigt das Gegenteil

Der Vorwurf des unattraktiven Standorts wird in der Spiegel-Kolumne mit Intels Rückzug aus dem Projekt in Magdeburg begründet. Und man kann sich zurecht fragen, was das mit der Ampelregierung zu tun hat. Intel liefert seit geraumer Zeit negative Zahlen. Das in der Vergangenheit überaus erfolgreiche Unternehmen infizierte sich mit der „VW-Krankheit“: Verschlafen von technologischen Entwicklungen wie die Einbindung von KI in der Prozessorentwicklung. Die zeitgleiche Nachfrageschwäche bei klassischen Prozessoren (analog zu den Verbrennern der KFZ-Industrie) hat Intel finanziell sehr zugesetzt. Der Umsatz ging im Jahr 2023 um ca. 14 % zurück bei einer schwarzen Null. Für 2024 wurde bislang ein Verlust von 18 Mrd. US-Dollar[13] eingefahren, der sich im Wesentlichen aus der intrinsischen Schwäche des Unternehmens herleitet, aber auch die Restrukturierungskosten der Gegenmaßnahmen beinhaltet. Abbau von 15 Tsd. Arbeitsplätzen und Verkauf von Geschäftsteilen waren die Folge.[14] In diesem Zusammenhang hat Intel das Fab(Chip-Fabrikation)-Projekt in Magdeburg ausgesetzt. Ob es dennoch zu dieser vom deutschen Staat subventionierten Investition von 17 Mrd. US-Dollar kommt, hängt vom Erfolg Intels ab. Und es gibt gute Gründe für das Engagement in Magdeburg[15]:

  • Mildes Klima ohne ganz große Schwankungen; für FABs unabdingbar
  • Große freie Flächen für horizontale Ausdehnung der empfindlichen Chip-Fertigung
  • Leistungsfähiges Straßennetz
  • Hohe Stromnetzstabilität
  • Chemikalien und Gase können von den Konzernen Merck, BASF und Linde logistisch optimal geliefert werden
  • Siltronic liefert die Wafer-Plattformen.
  • Deutsche Maschinen- und Gerätebauer wie Trumpf, Süss Microtec, Optik-Spezialist Zeiss zählen zu global relevanten Ausrüstern von Geräten und Anlagen für die Halbleiterproduktion.
  • Leistungsstarkes universitäres und forschendes Netzwerk: Elf Fraunhofer-, fünf Leibniz- und drei Max-Planck-Institute forschen und entwickeln im Segment der Microchips.
  • Das „Silicon Saxony“ in Ostdeutschland ist der größte Industrie-Cluster für Halbleiter und Mikroelektronik in Europa
  • Über 300 Chip-Hersteller und deren Umfeld beschäftigen über 25.000 Mitarbeiter.
  • Der Industrie-Cluster zieht ständig neue Fachkräfte an, so dass ein Pool auch für neue Ansiedlungen vorhanden ist.

Diese günstigen Parameter in Deutschland waren auch Anlass für etliche ausländische und nationale Greenfield-Investitionen in Ostdeutschland. Dennoch ist eine Abwanderung von sehr energieintensiven Firmen oder Unternehmen mit hohem Fertigungslohnanteil zu beobachten. Die Tendenz geht in diesen Fällen nach Asien und Osteuropa; oder qua Subventionen in die USA. Das ist aber nicht neu und ein immanenter Bestandteil der Globalisierung. Deutschland muss reagieren und sich technologisch neu aufstellen. „Silicon Saxony“ ist ein Teil dieser Transformation. Für das Jahr 2023 lässt sich diese Entwicklung für Sachsen grafisch wie folgt darstellen.


Verwirrung um investiven Abfluss aus Deutschland

Die Bundesbank veröffentlicht periodisch den Zu- und Abfluss aus grenzüberschreitenden Transfers von Unternehmen. Folgende Grafik lässt Ungemach vermuten, aber der Schein trügt.

Die Weltbank und die OECD verwenden diese Zahlen ohne weitere Differenzierung nach Art der Transfers. Ist es nur monetär, ist es eine Beteiligung oder gar der Abbau von Verbindlichkeiten gegenüber einem ausländischen Unternehmen oder Finanzinstitut? Schon die Rückzahlung eines Kredits gegenüber einer britischen Bank ist nach dieser Lesart eine Desinvestition. Diverse Wirtschaftsinstitute und im Nachlauf die wiederkäuenden Medien wie das Handelsblatt[16] verwenden diese Zahlen und kommen zum Ergebnis, dass Investoren Deutschland zunehmend meiden. Nach dieser Lesart hätten die deutschen Unternehmen mit nur 10 Mrd. EUR Investition in China nicht einmal den Wert gegenüber Luxemburg von 17 Mrd. EUR erreicht.[17] Die (Des)investition Richtung Luxemburg wird wohl keine neue Fabrik gewesen sein. Wir haben es hier vorrangig mit Portfolio-Investitionen zu tun, mitnichten mit realen physischen Unternehmensgründungen bzw. -erweiterungen. Ein Abfluss von Werten aus Deutschland ohne substanzielle Veränderung der Unternehmen ist eine ausländische Desinvestition im Portfolio-Segment (Foreign Portfolio Investment FPI).  Diese FPI haben auch den wenig schmeichelhaften Namen „hot money“, weil sie mit einem Mausklick z. B. Anleihen zur Zahlung fällig stellen können, wenn sich irgendwo in der Welt eine bessere Verwertung ausmachen lässt. Wenn z.B. Blackrock die Aktien-Beteiligung an ProSiebenSat1 von 10% auf 4% reduziert, ist das so ein „hot-money-move“. Nur damit hat sich der Sender weder vergrößert oder verkleinert. Die atomisierten Eigentümer haben kleine Titel getauscht: Anteile gegen Cash. Bei Anleihen und Krediten kann das Abziehen von Geldkapital zur Liquiditätsklemme führen. Im Fall Argentiniens führte das mehrfach zur Staatspleite.

Für das arbeitgebernahe IW-Institut und dem Handelsblatt reichen diese wenig aussagekräftigen Transfer-Daten aus, um eine De-Industrialisierung und Meiden Deutschlands als Standort zu vermuten.  Im Gegensatz zum IW listet das German Trade and Invest (GTAI) nur physische Investitionen (Greenfield-Investitionen) bzw. deren Ankündigungen auf. GTAI ist die Agentur für Außenwirtschaft Deutschlands und an das Wirtschaftsministerium angehängt. Für das Jahr 2023 wurden acht Neuansiedelungen in Höhe von 34,8 Mrd. EUR registriert, 38 Prozent mehr als 2022 und deutlich mehr als in den Jahren davor wie folgende Grafik belegt.[18]

Die Anzahl dieser (Greenfield-)Foreign Direct Investments (FDI) ist 2023 in Europa um 7,4 Prozent und in Westeuropa sogar um 8,8 Prozent gefallen, während Deutschland das Niveau der Neuansiedlungen in etwa halten konnte. Damit sind die Vorhaltungen zum Thema Standort Deutschland auch gerade im Abgleich zu Rest-Europa mehr als entschärft. Deutschland rangiert im Foreign Direct Investment Confidence Index der Beratungsgesellschaft Kearney auf Platz 5 hinter den USA, Kanada, China und Großbritannien in der Beliebtheit der Investoren.[19] Zu den Investoren in Deutschland im Jahr 2023 zählten u.a. die Konzerne Apple, Roche und BP. Die meisten Projekte entfallen auf die USA (235) gefolgt von der Schweiz (202), China (200), UK (153), Niederlanden (122) und Frankreich (88). Die „Fakten“ der chronisch kritisierenden Medien und Parteien sind schlichtweg einseitig, der Standort hat andere gravierende Probleme. Selbst die Insolvenzmeldungen sind zu relativieren. Die Neugründungen überholen die Pleiten, wuchsen im Jahr 2023 um ca. 20%, während die Pleiten oft noch Folgen der Covid-19-Pandemie und anderer externer Schocks sind.

Fazit: Geoökonomie, militärische Ausgaben und Demografie

Das Bashing entbehrt fast jeder Grundlage. Deutschland verfügt noch über eine gute wirtschaftliche Substanz. Aber die Uhr tickt gegen die aktuelle Entwicklung. Die technologischen und demografischen Anforderungen sind hoch. Die finanzielle Last wird zusehends größer, besonders unter dem Druck kommender Verteidigungsausgaben. Ein Wohlstandsverlust ist unter diesen Prämissen nicht vermeidbar, denn Militärausgaben sind reziprok zur Konsumgüterindustrie, der eher die Arbeitskräfte ausgehen als andersrum. Angesichts der erodierenden Zahl von produktiven Kräften durch die Boomer-Verrentung wird das Problem eher verschärft. Eine ausreichende Arbeitsmigration wird in den nächsten Jahren kaum zu erwarten sein.

Ein Blick auf die globale Entwicklung entlarvt das Gerede vom Wachstum als Wunschdenken, denn die hohen Raten Chinas als globale Wachstumslokomotive gehören der Vergangenheit an oder werden wie seit einigen Jahren mit hohen Staatsschulden erzielt, ähnlich zur USA. Es ist der Kampf um technologische Vorherrschaft in einem eher stagnativem Umfeld, das zudem von Kriegen gezeichnet ist. Das führt tendenziell zum Nullsummeneffekt: Wenn die eine Großmacht gewinnt, verlieren die anderen. Solange das globale Wachstum dynamisch war, konnten alle Akteure profitieren. Die USA versuchen die Verschiebung der industriellen Grundlagen wieder zurückzudrehen. Wer pumpt das meiste Geld in die Transformation der eigenen Volkswirtschaft? Europa sieht dem Treiben fast tatenlos zu, hat das Problem erkannt und kann wenig unternehmen, solange 27 Staaten an das Maastrichter Abkommen[20] – max. 60 % des BIP – zur Schuldenaufnahme gebunden sind und Einigkeit eh nicht die Stärke der EU ist.[21]

Die EU kommt nicht umhin, eine strategische Souveränität mit eigener industrieller Kapazität zu sichern, wenn sie nicht zum Spielball der USA und China werden will. Industriepolitik in einer latent globalen Stagnation ist ohne hohe Ausgaben in Forschung, Entwicklung und Protektion der eigenen relevanten Branchen nicht möglich. Die Hoffnung, dass mit Indien ein „zweites China“ ähnliche Wachstumsschübe der globalen Ökonomie auslösen wird, hat sich bislang nicht bestätig. Und warum das so ist, wäre Stoff für einen weiteren Essay. Jetzt wird es erst einmal spannend, wie sich die neue Regierung ab dem 23. Februar diesen Aufgaben stellen wird. Auf eine Wette würde ich mich einlassen: Die Schuldenbremse (hier) wird in der aktuellen Fassung keinen Bestand haben.

Sowohl das arbeitgebernahe IW-Institut wie auch das gewerkschaftsnahe Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) haben berechnet, dass in den nächsten 10 Jahren 600 Mrd. EUR allein für Infrastruktur investiert werden müssen. Dabei würden sogar die Maastricht Kriterien fast eingehalten werden.

Nur die „deutsche Schuldenbremse“ von 0,35 % Neuverschuldung vom BIP müsste vom Tisch.[22] Allerdings fehlen in den Prognosen der Institute (Abb.12) die steigenden Kosten für Verteidigung. Diese Größe müsste im Zusammenhang europäischer Verteidigungsstrategie, der Migrationsproblematik (Demografie der EU) und einer erweiterten Definition der Maastrichter Fiskalregeln diskutiert werden.

Mit den Investitionen in die Verbesserung von Infrastruktur und Bildung kann auch eine industrielle Transformation gelingen, die schon jetzt sichtbar geworden ist. Die Industrieproduktion ist seit 2018 rückläufig und dennoch konnte der Güterexport signifikant zulegen wie im folgenden Diagramm illustriert wird, indem die Kurven der beiden Größen übereinandergelegt werden.

Die Deutsche Bank hat im Gegensatz zu den Apokalyptikern eine Veränderung und keinen zerstörerischen Rückgang der Industrialisierung analysiert. Winkler und Heymann nennen es „industrielle Evolution“, der Entwicklung zu höherwertigen Gütern, die nicht auf günstiger Energie basieren.[23] Möglicherweise ist das der Weg, den auch Schularick mit dem Mut zu Veränderung und Disruption meint: Eine Anpassung an die neuen Bedingungen. Es gibt keinen Grund mutlos zu sein. In der Entwicklung von Quantencomputing hat Deutschland beispielsweise zwei Hoffnungsträger mit Marktführungsambitionen am Start. IQM und eleQtron sind Spin-Offs aus dem universitären Bereich, die mit staatlicher Unterstützung den Weg in die kommerzielle Verwertung angetreten sind. IQM (Medizin)[24] als inzwischen deutsch-finnisches Unternehmen ist weltweit führend im Bau von Quantencomputern. Für eleQtron (Optik)[25] sieht die Zielsetzung ähnlich aus. Die Verzahnung von Forschungseinrichtungen, Industrie und Staat ist eine erfolgreiche Blaupause für Nachahmungen, die in anderen Bereich auch realisiert wurden.

Interessant ist die Aussage von IQM-CEO Jan Götz zur Konkurrenz mit China[26]:

„Es gibt keinen echten Wettbewerb mehr. Wir können nichts nach China liefern und China hat keinen Zugriff auf den europäischen Markt. Dasselbe gilt für andere Länder wie Russland oder Iran. Das heißt, der eigentliche Wettbewerb hat sich in die Politik verschoben und in die Regulierung. Quantencomputing hat eine hohe strategische Bedeutung, speziell wegen der Einsetzbarkeit im Sicherheits- und Verteidigungssektor.“ 

It’s the geoeconomics, stupid. Politische Verblockung ist längst im internationalen Wettbewerb angekommen. Der Staat ist der wichtigste Akteur und eine rigide Schuldenbremse verspielt jede Chance auf zukünftigen Wohnstand, der es ermöglicht, auch die aufgelaufenen Schulden wieder abzubauen. Mit Verbrennermotoren und Gasheizungen wird das nichts. Auch das Internet ist durch den Staat (US-Militär) entwickelt worden.

***Ende***


1 Tagesspiegel 2024, o.S.: Haushaltsdebatte: Union gibt Ampel Schuld für Wirtschaftsschwäche. https://www.tagesspiegel.de/politik/haushaltsdebatte-union-gibt-ampel-schuld-fur-wirtschaftsschwache-12366902.html. 20.11.2024

2 Uli Baumann 2024, o.S.: Talfahrt beendet, Hybrid-Modelle gefragt. https://www.auto-motor-und-sport.de/verkehr/neuzulassungen-marken-2024/. 30.11.2024

3 Felix Rupprecht 2024, o.S.: So vertuscht die Ampel die Energiewahrheit. https://www.bild.de/politik/inland/politik-inland/wenig-transparenz-so-vertuscht-die-ampel-die-energie-wahrheit-86956012.bild.html. 20.11.2024

4 Christian Geinitz 2023, o.S.: „Habecks Zeitplan ist unrealistisch, seine Kommunikation chaotisch.“ https://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/mehr-wirtschaft/jens-spahn-zu-heizungsplaenen-habecks-zeitplan-ist-unrealistisch-18711978.html. 20.11.2024

5 Frauenhofer ISE 2020, o.S.: Auch in Bestandsgebäuden funktionieren Wärmepumpen zuverlässig und sind klimafreundlich – Feldtest des Fraunhofer ISE abgeschlossen. https://www.ise.fraunhofer.de/de/presse-und-medien/presseinformationen/2020/warmepumpen-funktionieren-auch-in-bestandsgebaeuden-zuverlaessig.html. 20.11.2024.

6 Christian Stöcker 2024, o.S.: Merz entdeckt seinen inneren Habeck. https://www.spiegel.de/wissenschaft/mensch/waermepumpen-friedrich-merz-entdeckt-seinen-inneren-robert-habeck-a-e516354c-bfe3-46eb-b1a3-af48e803a307. 20.11.2024

7Olaf Zinke 2024, o.S.: Heizungsbauer Viessmann mit Kurzarbeit – Die Wärmepumpen-Pleite. https://www.agrarheute.com/management/agribusiness/heizungsbauer-viessmann-kurzarbeit-ursachen-folgen-622687. 20.11.2024

8 NDR 2024, o.S.: Stiebel Eltron: Betriebsrat und IG-Metall gegen Kündigungswelle. https://www.ndr.de/nachrichten/niedersachsen/braunschweig_harz_goettingen/Stiebel-Eltron-Betriebsrat-und-IG-Metall-gegen-Kuendigungswelle,waermepumpe196.html. 30.11.2024

9 Annika Flatley, o.S.: Vaillant-Chef zu Wärmepumpen: „Jedes Jahr, das wir mit Warten verbringen, ist ein verlorenes“. https://utopia.de/ratgeber/vaillant-chef-zu-waermepumpen-jedes-jahr-das-wir-mit-warten-verbringen-ist-ein-verlorenes-v2_727813/. 30.11.2024

10 Alexander Neubacher 2024, o.S.: Abwracker Scholz. https://www.spiegel.de/politik/wirtschaftsbilanz-der-ampel-koalition-scholz-der-abwracker-a-5809e3f7-4c60-47b4-b22b-d6e7bcce2cee. 25.11.2024

11 Moritz Schularick 2024, o.S.: Top-Ökonom Moritz Schularick mit Blick auf Trump und China. https://www.ardmediathek.de/video/phoenix-persoenlich/top-oekonom-moritz-schularick-mit-blick-auf-trump-und-china/phoenix/Y3JpZDovL3Bob2VuaXguZGUvNDY4MjAwMg. 28.11.2024

12 Jan Priewe 2024, S.7: Comparing Living and Working Conditions – Germany Outperforms the United States. https://www.imk-boeckler.de/de/faust-detail.htm?sync_id=HBS-008792. 29.11.2024

13 Intel 2024, o.S.: Quarterly report pursuant to section 13 or 15(d). https://www.intc.com/filings-reports/quarterly-reports##document-5709-0000050863-24-000149-2. 29.11.2024

14 Michael Krüger 2024, o.S.: Intels neue Hoffnung. https://www.spiegel.de/wirtschaft/intel-rote-zahlen-positive-quartalsprognose-a-fd3d8dab-5d02-4acf-b9ab-e4da198c9d5d. 29.11.2024

15 Gerd Mischler 2022, o.S.: Darum wählt Intel Magdeburg als Standort der Megafabrik. https://www. produktion.de/technik/darum-waehlt-intel-magdeburg-als-standort-der-megafabrik-637.html. 29.11.2024

16 Bert FröndhoffMartin GreiveMoritz KochJulian Olk und Frank Specht, o.S.: Investoren mistrauen dem Standort Deutschland. https://www.handelsblatt.com/politik/konjunktur/wirtschaftspolitik-investoren-misstrauen-dem-standort-deutschland/100020965.html. 29.11.2024

17 IW 2024, o.S.: Deindustrialisierung: Aktuelle Entwicklung von Direktinvestitionen. https://www.iwkoeln.de /studien/christian-rusche-aktuelle-entwicklungen-von-direktinvestitionen.html. 29.11.2024

18 GTAI 2024, o.S.: 2023 Report: Germany Records Big Rise in FDI. https://www.gtai.de/en/invest/business-location-germany/foreign-direct-investment#1768642. 29.11.2024

19 Angelika Breinich-Schilly 2024, o.S.: Ausländische Konzerne investieren in deutsche Standorte. https://www.springerprofessional.de/investitionsplanung/investitionsrechnung/auslaendische-konzerne-investieren-in-deutsche-standorte/27118338. 29.11.2024

20 Bundesministerium der Finanzen 2022: Fiskalregeln. https://www.bundesfinanzministerium.de/ Web/DE/Themen /Oeffentliche_Finanzen/Stabilitaetspolitik/Fiskalregeln/fiskalregeln.html. 01.12.2024

21 Stephan Kaufmann 2024, o.S.: Wachstum auf Pump oder Sparsamkeit: USA, China und EU kämpfen um die Vorherrschaft. https://www.fr.de/wirtschaft/wachstum-auf-pump-dier-olle-der-usa-china-und-der-eu-93013890.html. 01.12.2024

22 IWD 2024, o.S.: Deutschland braucht Investitionen von 600 Milliarden Euro. https://www.iwd.de/artikel/deutschland-braucht-investitionen-von-600-milliarden-euro-621333/. 01.12.2024

23 Robin Winker/Eric Heymann 2024, o.S.: Die industrielle Evolution geht weiter. https://www.dbresearch.com/PROD/RPS_DE-PROD/PROD0000000000534453/ Die_industrielle_ Evolution_geht_weiter.xhtml?rwnode=RPS_DE-PROD$LATEST_PUBLICAT_DE. 02.12.2024

24 IQM 2024, o.S.: Wir bauen und liefern Quantencomputer für die Welt. https://www.meetiqm.com/company/about-us. 02.12.2024

25 eleQtron 2024, o.S.: Wir sind eleQtron. https://eleqtron.com/unternehmen/. 02.12.2024

26 Thomas Stölzel, o.S.: „Zwei Wochen später kommt zuverlässig eine chinesische Publikation“. https://www.wiwo.de/technologie/forschung/30-bis-2030-jan-goetz-zwei-wochen-spaeter-kommt-zuverlaessig-eine-chinesische-publikation/30106350.html. 02.12.2024